vonWolfgang Koch 27.07.2024

Wolfgang Kochs Wienblog

Vom letzten Glanz der Märchenstadt oder wie es sich an der blauen Donau gerade lebt.

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Am heutigen Tag jährt sich zum hundertsten Mal der Geburtstag des Kunstrebellen vom Wörthersee, und dazu passt es gut, dass das Jubiläum dieses beinahe vergessenen Aussenseiters nur in einer kleinen Provinzgalerie hinter den Sieben Bergen, in Bad Eisenkappel-Železna Kapla in Kärnten-Koroška, gefeiert wird.

Denn Viktor Rogy, dieser höchst seltene Mensch, der das Gebet und den Suff nötig hatte wie einen Bissen Brot, war der hungrigste unter den Künstlern der Nachkriegsavantgarde.

Entgrenzung der Kunst

Sein stets konsequentes Vorgehen, die strikte Folgerichtigkeit von Gedicht – Objekt – Konzept – Installation auf dem Weg der Entgrenzung der Kunst, ist selten verstanden worden. Dem gelernten Maurer kam es überall auf die Proportionen an. Er entdeckte unablässig inhärenten Räumlichkeiten, verrückte die Stühle seiner Gesprächspartner, überfiel Gastgeber mit der Spachtel, dem Malkübel oder dem Stanleymesser.

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Rogy war in Gesellschaft in einem permanenten Handlungsmodus. Er setzte lebende Bilder ins Szene. Kunstmachen war für ihn ein Werkzeug der Welterschliessung, das ein Modell enthielt: die leidenschaftliche Interaktion unter Gleichen.

Ungewöhnliche Optik

Rogys Kunstschaffen war somit mehr als die Praxis eines überglücklichen Trinkers. Er fühlte sich in seinen ständigen Manövern lebendig und eins mit dem Kosmos. Rogy präsentiertet seine Werke immer in ungewöhnlicher Optik. Eine Selbstverständlichkeit für ihn und eine mutige Abwechslung zum üblichen Galerienlook für das Publikum.

Foto: Heinz W. Schmid

Rogys ging es nie um Zuschreibung, um Zeugenschaft oder um gesellschaftliche Transformation, und nur zitatenhaft um das Priestertum des Künstlers, wie es Gustav Klimt und Stephan George vorexerziert haben. Rogy ging es vor allem um unvoreingenommenes Betrachten der Dinge, wie sie sind.

Seine Herangehensweise an das Werk beschäftige sich mit Fragen nach der Darstellbarkeit von Flüchtigkeit, Immaterialität und Raum, und dieser Ansatz unterlief in seiner ebenso radikalen wie konsequenten Reduktion auf das Wesentliche unser gängiges Verständnis von Fortschritt im Sinne von Mehrhaben.

Kann man dem Flüchtigen und Ungreifbaren eine Form verleihen? Und wie lässt sich die Leere künstlerisch darstellen? Das waren seine grossen und existenziellen Fragen. Wiederholt beschloss Viktor Rogy, die Aufgabe, die er sich gestellt hatte oder die ihm gestellt wurde, einem Handwerker anzuvertrauen und wählte dann die beste Lösung.

Was von uns bleibt

Der slowenische Architekt und Designer Jože Plečnik gehörte einer früheren Generation und einer ganz anderen Kunstströmung an. Doch er lebte, wie Rogy im Klagenfurter Gartenhaus von Maria Lassnig, ein asketisches und ziemlich zurückgezogenes Leben in seinem Haus in Ljubljana. Plečniks Motto »Minljiv si, le tvoja dela so tvoj spomin« (Vergänglich bist, nur deine Werke sind Erinnerung) hatte auch für Rogy Gültigkeit.

Die Interventionen dieses unzivilisierten Verbalinjuristen im öffentlichen Raum, sein Kampf um die Erhaltung der Verkehrsbauten in Villach und Klagenfurt, die exzessive Postkartenproduktion, seine Kellnerblock-Dichtungen und die Selbstinstallation des Künstlerpaares Viktor Rogy / Isabella Ban-Rogy im legendären Café OM, sind für alle, die sie wahrgenommen haben, unvergessen.

© Wolfgang Koch 2024


1 Rogy ersetzte in seinem zeichnerischen Werk und auf den produzierten Künstler-Postkarten seine Signatur durch das Pentagramm.

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