Kriegswarner sind heute in einer blamablen Lage. Der Count-down zur Apokalypse läuft! Doch der Unterhaltungswert plumper Politikersprüche und die Faszination kalibrierter Luftschläge in der Ukraine, in Russland, Israel, Iran, Palästina, Libanon, Syrien, Jemen und Sudan lassen uns den Tod der anderen täglich lustvoll am Bildschirm erleben. Das Staunen über Bilder von spektakuläre Zerstörungen und verwüsteten Krankenhäuser will in der trägen Masse des Westens kein Ende nehmen.
Allein das kleine Österreich gleicht Aremorica, dem von befestigten Römerlagern umgebenen »Dorf der Unbeugsamen« in Gallien, – und tatsächlich haben dort am letzten Wochenende Rüstungsgegner, Pazifistinnen und Antimilitaristen ein lautstarkes Lebenszeichen von sich gegeben.
Getarnte illegale Rüstungsproduktion
Die Plattform »Stimmen für Neutralität, Frieden und Soziale Gerechtigkeit« rief erfolgreich zu einer Demonstration vor den Toren der Firma Rheinmetall in Wien-Liesing. An dieser Produktionsstätte des deutschen Konzerns, der in den letzten Monaten Bestellungen von 55 Milliarden Euro lukrieren konnte, werden Militär-LKW für die Bundeswehr gebaut und an Nato-Staaten ausgeliefert. Viele davon dürften letztlich an den Fronten des Ukrainekriegs landen.

Die herrschende Meinung, dass in Europa wieder Krieg geführt werden muss, zersetzt den Glauben an die bisherige Sicherheit. So wenig irgendjemand wünschen kann, das Kriegsgeschehen in Europa, im Nahen und im Mittleren Osten und in Afrika solle auf weitere Gebiete ausgedehnt werden, so wenig kann gefordert werden, die Europäische Union müsse, um eine globale Miltärmacht zu werden, freiwillig Krieg auf sich ziehen. Eine Moral, die darauf hinausläuft, den Krieg für sich zu wollen, gibt es nicht!

Rheinmetall Military Vehicles ist ein Joint Venture von Rheinmetall und MAN Truck & Bus. Am Werkgelände in Liesing sind militärische HX-Nutzfahrzeuge mit und ohne deutschem Hoheitszeichen zu sehen. Die robusten Geländefahrzeuge eignen sich als Systemträger für verschieden Aufbauvarianten von Geschützen. Sie werden an anderen Produktionstätten endgefertigt, umlackiert, bewaffnet und über verschlungene Pfade in Kriegsgebiete geliefert. Unsere Regierungen schauen bei der Ausbreitung der Gewalt nicht untätig zu, sondern finanzieren sie mit einer fatalen Schuldenökonomie.
Wir tragen die Folgen
Die Sache ist dringend: 143 Milliarden neue Schulden will der Bund in Deutschland heuer unter dem sozialdemokratischen Bundesfinanzminister Lars Klingbeil machen. Der sogenannte Verteidigungshaushalt, der nicht der Verteidigung, sondern der Konflikteskalation dient, soll bis 2026 von 62,4 Milliarden Euro auf 152,8 Milliarden Euro zulegen.
Der deutsche Militarismus ist nur eine intersivere und daher groteskere Form des unionseuropäischen Militarismus. Was man im 20. Jahrhundert »strenges Pflichtbewusstsein« nannte, und die Deutschen allen anderen voraus hatten, ist heute mit »Opportunismus« und »Konformismus« hinreichend umschrieben.

Noch immer lässt sich kaum einem Deutschen der Ausdruck satanisch gemütlicher Impertinenz zumuten, den Richard Egon Palme in seinem Etappe-Roman ›A.O.K.‹ einem österrreichischen Reserveleutnant in den Mund legt: »Ich habe nicht die Absicht, mich mit zwanzig Jahren um den Heldentod zu bewerben«.
Rund 300 Menschen aus ganz Österreich protestierten vor dem Werkgelände in Liesing dagegen, dass der neutrale Kleinstaat Militärgüter in Krisengebiete liefert und Parlament und Regierung Nato-Transporte das souveräne Staatsgebiet durchfahren lässen. Die Demonstration riefen die Beschäftigten bei Rheinmetall auf, Druck auf die Unternehmensleitung auszuüben, um in der Brunnerstrasse 44-50 und an den anderen Produktionstätten lieber zivile LKW und Autobusse zu bauen.
Die ehemalige Bundesprecherin Grünen, Madeleine Petrovic, kritisierte den offenen Bruch des österreichischen Neutralitätsgesetzes. Sie und weitere Redner erklärten sich zu den »wahren Verfassungsschützern« der Gegenwart. Dass in der Demonstration auffällig wenig Jugend zu sehen war, sei kein Wunder. Alle vor der Jahrtausendwende geborenen und aufgewachsenen Personen, heute die Angehörigen der älteren Generation, haben noch etwas von der Realität des Zweiten Weltkriegs gesehen, erinnerte Petrovic. Man sah bis in die 1980er-Jahre noch Invaliden auf der Strasse, wusste um Opfer und Tote in der Verwandtschaft.

Dieser Realismus sei bei der jüngeren Generation heute leider nicht mehr vorhanden. Die Jugend, so Petrovic, finde medial vermittelte Drohnen- und Raketenangriffe nicht mehr überzeugend, spüre nicht die reale Lebengefahr, die von einem Krieg ausgeht. Das bürde der älteren Generation heute eine enorme Verantwortung auf.
Zum Vergleich: Bundespräsident Alexander Van der Bellen, vor dreissig Jahren Mitstreiter von Petrovic in der oppositionellen Grünen-Fraktion und heute Oberbefehlshaber des österreichischen Bundesheeres, stieg als kritischer Gutachter österreichischer Rüstungsexporte in den Politikbetrieb ein und kann heute mit einseitiger Parteinahme im Ukrainekrieg den Mund gar nicht mehr voll genug kriegen.

Nicht von ungefähr wurden von den Redner·innen der Demonstration exorbitante Kosten für Rüstung inklusive Sky Shield angeführt. Wenn wir einer lebenswerten Zukunft interessiert sind, müssen wir die Täuschungsmanöver, mit denen militärische Konflikte angeheizt werden, durchschauen und uns der politischen Logik der »Sicherheit durch mehr Waffen« entgegenstellen. Das wichtigste Mittel ist und bleibt die öffentliche Delegitimierung der Gewalt – und das setzt voraus, dass diese Gewalt überhaupt erst einmal sichtbar wird.

Bei nächsten Mal, versicherten mir Demonstrierende, kommen wir nicht nur mit Trommeln und Transparenten. Beim nächsten Mal fliegen prall gefüllte Blutbeutel gegen die monströsen Imageplakate »Protecting Freedom« und »Mission success« der Rheinmetall in Liesing.
© Wolfgang Koch 2025
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