vonWolfgang Koch 23.09.2010

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Zum Abschluss der  Wiener Feuilletonkonkurrenz 2010 ein paar Vorschläge zur Steigerung der redaktionellen Qualität. Möge der Geist dieser Buchstaben die drangsalierten Saulusse zu rechtschaffenden Paulusen bekehren.

1. Aktualität erhöhen. Originalbeiträge sollten im Wiener Feuilleton klare Priorität genießen gegenüber dem Vorabdruck von Buchauszügen. Ebenso der vorauseilende Exklusivdruck von Festreden, Laudatios, etc. gegenüber der Wiedergabe derselben nach einem öffentlichen Vortrag. Nur Nachrufe dürfen ins Grab gesprochen werden.

2. Wettbewerb steigern. Doppel- und Mehrfachbesprechungen in den Wochenendbeilagen der Qualitätsblätter sind unnötig und lähmend, da die intelligenten Leserkreise der drei Blätter weitgehend identisch sind. Kommt eine Redaktion mit ihrer Rezension gegenüber der Konkurrenz zu spät, sollte sie dem Verfasser/ der Verfasserin ein angemessenes Abstandshonorar zahlen und auf den Abdruck verzichten.

3. Mehr unbekannte Namen. Das Wiener Feuilleton kniet vor den Namen von Autoren u. Autorinnen, die schon jenseits der Zweierlinie keinem mehr einleuchten. Bei der Auswahl von Texten wirken Seilschaften und Haberantentum als autoritativ herangezogene Bestätigungsinstanz der journalistischen Beweislogik. Dazu kommt eine generelle Autoritätsgläubigkeit gegenüber der Kulturprominenz, die vom den PR-Abteilungen deutscher Buchverlage weidlich ausgenutzt wird.

4. Stilistik verfeinern. Veröffentlichungen sind Sprachhandlungen. Die redaktionelle Arbeit am Text ist der harte Kern der feuilletonistischen Anstrengung. Sie behält nicht nur die Oberflächenstruktur eines Textes im Auge, sondern auch die ästhetischen Tiefenschichten. Lesererwartungen lassen sich durch schlicht-prosaische Syntax erschließen; undifferenziert verwendete Begriffsinhalte durch optimal angenäherte Entsprechungen ersetzen.

5. Aufmachung verbessern. Textnahe Bildung der Titel statt irritierend pedantischer Weitschweifigkeit. Keine Zitate im Subtitel. Selbstaufwertung der Redaktionen durch bewussten Verzicht auf Autorenzeilen. Interviews nur, wenn der Rhythmus der gesprochenen Sprache gleichsam seine literarische Weihe enthält. Einsatz von Illustrationen als ein dem Text ebenbürtiges Gestaltungselement.

6. Mehr Kolumnen und Glossen. Die besten österreichischen Kolumnisten wirken auf Spalten, deren Halbwertszeit sich in Minuten bemisst. Man sollte im Wochenend-Feuilleton eine zweite Kategorie erhöhter Zeilenhonorare schaffen, um die Meisterschaft in der Disziplin der Kürze neu anzuregen. Solange Artikel um des Zeilengeldes wegen geschrieben werden, wuchern redundante Informationselemente  im Übermaß.

7. Feuilletonfremdes verbannen. In den letzten Jahren ist das Wiener Feuilleton zu einem Schubabladeplatz der Tagesredaktionen verkommen. Vieles, was von der Länge her nicht ins Hauptblatt passt, landet zum Missvergnügen der Qualitätsleser auf den Wochenendseiten. Aber weder investigativer Journalismus noch Magazingeschichten sind mit dem literarisch anspruchsvollen Feuilletongedanken vereinbar.

8. Anniversarien übergehen. Der Erinnerungskalender der Geburts- und Sterbedaten großer Geister ist das Faulblatt der Redaktionsstuben. Feuilletonistisch akzentuierte Geschichten brauchen keinen die Publikation übersteigenden Anlass; die Veröffentlichung einer neuen Wahrheit ist sich selbst der beste Grund.

9. Frauen vor den Vorhang. Dass im Wiener Feuilleton schaustellerische Autoreneiltelkeiten aus Österreich überproportional viel Platz genießen, mag als ein von leidenschaftlichem Patriotismus durchglühter Gedanke noch durchgehen. Das publizistische Übergewicht von Männern unter den missionarisch sendungsbewussten Zeitgenossen tut es nicht.

10. Eigene Stärken nutzen. Jede Redaktion überflügelt die Konkurrenz auf ihrem eigenen Kompetenzgebiet: das SPEKTRUM der »Die Presse« bei Literatur und Essay; das EXTRA  der »Wiener Zeitung« bei Geschichte und biographischem Portrait; das ALBUM des »Der Standard« bei Politik und Schach – Warum weiter in fremden Gefilden wildern? Warum nicht in dieser Policy eine kluge Arbeitsteilung erkennen?


© Wolfgang Koch 2010

 

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