1. Platz: SPECTRUM der Tageszeitung »Die Presse«, Redaktion: Karl Woisetschläger
Am Cover darf der geschasste Bundeskanzler Alfred GUSENBAUER (SPÖ) zwei Kilometer lang Polit-Heu dreschen, was seine hölzerne Sprache so hergibt. »Weltweit herrscht ein eklatanter Widerspruch zwischen den Möglichkeiten und der Realität der gesellschaftlichen Existenz der Menschen.« Aha, da bleibt für die Sozialdemokratie aber noch viel zu tun.
Der Wahlwiener Tom APPLETON, der über glänzende Beziehungen in die Feuilleton-Redaktionen zu verfügen scheint, verabschiedet sich mit einem Grätzelportrait der Lerchenfelderstrasse an die Strände von Neuseeland. Dort hat er dann hoffentlich keine Parkplatzprobleme mehr (s.a. Extra).
Der Populärhistoriker & Dauerschreiber Friedrich WEISSENSTEINER portraitiert u.a. den Physiker Alfred PAULI. Zitat: »1934 heiratete der unsportliche, naturferne Genussmensch Franziska BERTRAM, die ihm im Haus in Zöllikon mit Blick auf den Züricher See eine verständnisvolle Gattin war«. Wie haben wir uns das bitte vorzustellen? Frau Bertram beugte den Oberkörper vor, lehnte ihre Arme bequem auf die Brüstung der Seeterrasse und Pauli vollzog den Coitus a tergo? Oder doch anders? Der nächste Satz verrät jedenfalls, wie der Geschlechtsverkehr mit Seeblick ausging. »Die Ehe blieb kinderlos«.
Den ersten Platz erhält das Spectrum diese Woche einzig und allein für die Anti-Lärmoffensive von Peter PAYER: er verlangt »die Verankerung von Ruhe im Klangbild von Wien«.
Der so genannte Erfolgsautor Michael STAVARIČ veröffentlicht den Beginn eines Romanes, der wohl besser ungeschrieben bliebe. Eine Kostprobe der Stottersätze: »Und ich fasste mir in den Schritt, dass sie es gut erkennen konnte, was ein Zeichen war zwischen uns, dass es gilt. Dass es nach wie vor seine Bewandtnis damit hat, dass wir manchmal in irgendeiner Ecke dieser Stadt unseren Anstand vergessen…«
Unter den rezensierten Büchern ein Sponti-Roman und ein so abwegiges Thema wie Gartenarchitektur im Film. Das Romandebüt von Klemens RENOLDNER findet man im Spectrum »subtil« (s.a. Album).
Der Cartoon auf der letzten Seite entschädigt dann für manches, auch wenn wir seine islamophobe Tendenz nicht verschweigen wollen.
2. Platz: EXTRA der »Wiener Zeitung«, Redaktion: Hermann Schlösser
Dieses Feuilleton eröffnet eigenwillig mit einem Bericht aus der Hauptstadt der Elfenbeinküste von Günther SPREITZHOFER.
Der Kunsthistoriker Timm STARL präsentiert, man staune, Fotografien der zerstörten Modelle der beiden Reiterdenkmäler von Anton FERNKORN auf dem Heldenplatz.
Dann erfahren wir etwas über Kanada; und etwas über den Schlager-Evergreen La Paloma, als ob wir nicht im Radiosender Ö1 genug davon hätten.
Der Grazer Historiker Harald HEPPNER versucht uns einzureden, dass die »Ursachen gegenwärtiger Zustände« im 18. Jahrhundert zu suchen sind. Dabei wird wieder einmal eine gesellschaftliche und staatliche Kontinutität zwischen der Republik Österreich und der Monarchie des Hauses Habsburg suggeriert, die einer Geschichtslüge gleichkommt.
Dem HRDLICKA-Galeristen Ernst HILGER räumt die Redaktion zweckslos eine Doppelseite ein. Der Mann hat buchstäblich nichts zu sagen.
Dann begegnet uns Tom APPLETON zum zweiten Mal an diesem Wochenende (s.a. Spectrum). Im Extra outet er sich vor seinem Fernflug über eine ganze Seite als antikapitalitischer Teetrinker.
Der Astro-Journalist Christian PINTER erinnert in seifigen Sätzen an den Wettlauf zur Erforschung des Mondes. »Heute locken Lunas Rohstoffe und sorgen für neues Interesse am Erdbegleiter«.
Und noch ein Minus: Von den 14 Artikeln dieser Ausgabe wurden gerade mal zwei von Frauen verfasst.
3. Platz: ALBUM der Tageszeitung »Der Standard«, Redaktion: Christoph Winder
Die dünne Wochenendbeilage aus dem Hause BRONNER startet mit einem völlig überflüssigen Rückblick auf das Jahr 1979 von Eric FREY. Tenor. »Es war das Geburtsjahr der Gegenwart«. Gemeint sind damit exorbitant hohe Zinsen in der USA und volle Kaufhäuser in Peking.
Es folgt ein Text über Neujahrsvorsätze von Peter ROOS auf Schülerzeitungsniveau.
Wieder einmal hat ein Architektur-Autor ein Gebäude entdeckt, das er uns als »ein Statement« verkaufen will.
Unter den Büchern wird allen Ernstes eines besprochen, das »einerseits Ergebnis einer konzertierten High-tech- und Marketing-Aktion auf hohem Niveau des Corporate Publishing ist…« – Warum soll man da noch weiterlesen?
Wenigstens ist Ulrich HOLBEINS fulminantes Narratorium unter den angezeigten Büchern, auch wenn die 1007 Seiten (Album: 1002 Seiten) für die Rezensentin eine Nummer zu gross geraten sind.
Das Roman-Debüt von Klemens RENOLDNER findet man im Album »thomasmannhaft« (s.a. Spectrum).
Am Ende breitet wieder ein Ich-Österreicher, diesmal Gabriele PETRICEK, »sein Amerika« (gemeint sind die USA) als nettes Reiseerlebnis vor uns aus. Vielleicht reicht’s ja nächste Woche für eine bessere Plazierung.
© Wolfgang Koch 2009
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