vonsaveourseeds 29.09.2009

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

„A safe operatring space for humanity“ lautet der Titel eines gemeinsamen Artikels eminenter Geo- und Klimaforscher in der letzten Ausgabe von „Nature“. Sie versuchen damit so etwas wie einen eingermassen sicheren Betriebsbereich unseres Planeten in Bezug auf neun zentrale Kreisläufe zu definieren, deren relativ stabiler Zustand das Holozän, unser gegenwärtiges Erdzeitalter nach der letzten Eiszeit von 12.000 Jahren, kennzeichnen . In drei Bereichen (Klima, Artensterben und Stickstoff-Anreicherung) hat nach ihrer Berechnung die Menschheit das akzeptable Limit bereits deutlich überschritten, bei vier weiteren bewegt sie sich schnell auf diese Grenze zu (Phosphorbelastung, Versauerung der Ozeane, Veränderung der Landnutzung und Wassernutzung). Das Ozonloch bewegt sich im mittleren Bereich. Die anderen beiden Bereiche (chemische Verschmutzung und Partikelbelastung der Atmosphäre) sind noch nicht quantifiziert. Mit der industriellen Revolution sei ein neues Erdzeitalter angebrochen: das Anthropozän in dem der Mensch den Aggregatzustand der globalen Biosphäre bestimmt. Der neue Begriff wurde von Nobelpreisträger Paul Crutzen bereits 2002 vorgeschlagen. Das Fortbestehen der relativ stabilen Holozän-Bedingungen, die von Natur aus noch einige tausend Jahre anhalten können und in der unsere Zivilisationen erblühten, wird nun vor allem vom Menschen selbst bestimmt. Wenn sie diese menschheitsgeschichtlich sichere Zone nicht verlassen will, muss die Menschheit sich tummeln. Dass unser gegenwärtiger Ausstoss von Treibhausgasen und die Strahlungsbilanz der Erdoberfläche in Bezug auf die Erderwärmung deutlich über dem Erträglichen lkiegt, das bei ca. 2 Grad Erwärmung gesehen wird, ist bekannt. Ebenso, dass der Verlust an Biodiversität mit dem 1000 fachen der normalen Rate des Artensterbens weit überschritten ist.

Dass der Stickstoff-Kreislauf, der in der Menge an athmosphärischen Stickstoff gemessen wird, der in biologisch aktiven Dünger umgewandelt wird, mit 121 Millionen Tonnen das akzeptable Mass der Belastung von Böden, Gewässern und Ozeanen mehr als dreifach übersteigt, wird dagegen seltener erwähnt. Es geht dabei um die scheinbar unbegrenzt mögliche Gewinnung von Kunst-Dünger und anderen Stickstoffprodukten durch das höchst energieintensive Haber-Bosch-Verfahren, Grundlage industrieller Landwirtschaft, des vor-atomaren Bombenkriegs und des Reichtums der Firma BASF.

Eng damit verknüpft ist die Menge an Phosphor, die in die Meere fließt und einen tödlichen Zusammenbruch des Sauerstoff-Gehalts der Ozeane auslösen kann (anoxisches Ereignis). Sie liegt nach Berechnung der Wissenschaftler derzeit bei 8,5-9,5 von maximal 11Millionen Tonnen. Auch sie wird im Wesentlichen von der Landwirtschaft bestritten.

Die drohende Versauerung der Meere, die im pH-Wert der Meeresoberfläche gemessen wird und v.a. durch höhere CO2-Aufnahme verursacht wird, hat ebenfalls einen kritischen Wert erreicht. Die Umwandlung von Wäldern und Wiesen in Ackerboden liegt schließlich mit 11,9% Prozent der Landoberfläche im Vergleich zu geringen vor-industriellen Werten bedenklich nah bei der angenommenen Grenze von 15%.

Über die einzelnen Werte und auch über die genaue Auswahl und Definition der Indikatoren mag die wissenschaftliche Gemeinde nun trefflich streiten. Der Ansatz der Wissenschaftlergruppe, die Koryphäen der einschlägigen Fachgebiete vereinigt, ist vor allem ein strategischer: Nicht allein die Fieberkurven der Erderwärmung, sondern auch die der anderen, eng miteinander verbundenen Lebens-Kreisläufe müssen so quantifiziert werden, dass sich daraus Handlungsanleitungen für Wirtschaft und Politik ergeben.

Die wichtigste neue Botschaft des Artikels: Die Landwirtschaft muss sich radikal verändern, wenn sie unsere natürlichen Grenzen nicht sprengen will. Weder die ohnehin nur begrenzt mögliche Ausweitung der Ackerflächen noch der gegenwärtige Einsatz von Kunstdünger sind akzetable Optionen. Damit eine auch in den nächsten Jahrzehnten, wenn auch langsamer wachsende Erdbevölkerung sich so ernähren kann, dass ihr dabei nicht die ganze Küche um die Ohgren fliegt, können wir uns die gegenwärtige industrielle Agrarverschwendung von Energie, Flächen, Stickstoff und Phosphor geo-politisch nicht mehr leisten. Sobald die WIssenschaftler sich auch noch die Grenzen der Belastbarkeit mit chemischer Verschmutzung geeinigt haben, wird dieser ökologische Imperativ für die Landwirtschaft und unsere Ernährungsgewohnheiten noch deutlicher zu Tage treten.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/willkommen_im_anthropozaen/

aktuell auf taz.de

kommentare