von 01.05.2010

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Zum Tag der Arbeit räumen wir mal mit der großen Wirtschaftsranking-Lüge auf. Anlass: Unser Nachbar, an und für sich gerne als Musterland für Reformfreudigkeit, Modernität und Aufgeschlossenheit für neue Ideen gewählt, ist angeblich dabei, sich den Hintern auf dem absteigenden Innovationsast wund zu reiben. Und das ist für uns Niederlandophile natürlich kein Grund zu irgendwelcher Schadenfreude, sondern Antrieb, einmal hinter die Kulissen zu schauen und Trost zu spenden.

Und darum gehts: Bereits 2003 hatte die Regierung Balkenende II eine „Innovationsplattform“ geschaffen, auf der mehrere hundert Politiker, Wissenschaftler, Unternehmer und Bildungsexperten zusammenkommen sollten, um die Niederlande im globalen Wettbewerb weiter nach vorne zu bringen. Hat alles nix genützt, resümieren jetzt die niederländischen Wirtschaftsjournalisten.

Soeben hat die Plattform wieder einen neuen Bericht mit dem eine schöne Zukunft versprechenden Titel „Nederland 2020: terug in de top 5“ in gleich fünf niederländischen Städten präsentiert. Und das Eindhovener Dagblad kommentiert hämisch: „Der Report hat einen hohen Blabla-Gehalt und zeichnet sich durch das Eintreten offener Türen aus: längere Arbeitszeiten, Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Förderung unternehmerischen Handelns, Verbesserung der Bildung, mehr Forschung, Regulierungsabbau und Investition in Infrastruktur.  Es ist die übliche Phrasensammlung, die vor allem die Frage provoziert, wieso sich unser Land so lange als eine der erfolgreichsten Ökonomien in der Welt halten konnte.“ Das NRC Handelsblad zitiert heute dem gegenüber Wirtschaftswissenschaftler, die die Forderungen prima finden, aber beklagen, dass die Politik nicht handelt: „Gute Berichte, aber es mangelt an einer Übertragung in Politik.“ Kurz gesagt: viel verlorene Zeit, Geld und Mühen.

Und jetzt? Weiterer Abstieg programmiert? Wirtschaftsdepression pur? Untergang des Abendlandes? „Meine Güte“, das Trost-Blog Nr.1, bringt den Ball in die Fläche zurück:

Rankings gehören zum teuflischen Handwerkszeug unserer Wachstumsideologie. Tag für Tag erscheint irgendwo ein neues Ranking, das uns zeigen soll, wie wenig wir uns anstrengen, ein menschenwürdiges Leben gegen die Erfordernisse des Marktes einzutauschen. „Benchmarking“ ist das Zauberwort, um alle Standards immer weiter runterzuschrauben. Wer billiger und ausbeuterischer kann – egal unter welchen Umständen und mit welcher Qualität – ist besser und wird zum Vorbild für alle anderen erklärt.

Also, was ist das überhaupt für ein Ranking, auf dem die Niederlande innerhalb weniger Jahre von Platz 3 auf Platz 10 abgestiegen sind? Es ist der „Global Competitiveness Report 2009/2010“ des Weltwirtschaftsforums. Und da liegt zwischen „Sieger“ Schweiz (Ergebnis: 5,6 Punkte) und Platz 10 (5,32) nicht einmal ein drittel Pünktchen. Selbst die isländischen Pleitegeier auf Platz 26 haben noch 4,8 Punkte bekommen und erst bei den von den Spekulanten aufgespießten Griechen, die noch hinter Botswana und Kasachstan auf Rang 71 rangieren, wird es mit traurigen 4,04 Punkten kritisch.

Mit anderen Worten, liebe Innovativplattformer: Euer Katastrophengejammere wegen des Rankings basiert auf wenig dramatischer Basis. Wir wissen aber, warum Ihr und das Weltwirtschaftsforum das tun. Ihr wollt, dass wir alle nur noch wie die Nutztiere für Euch schaffen und dass man uns aussortieren kann wie die männlichen Küken auf der Geflügelzuchtfarm, die mangels Eierlegefähigkeit massenweise gekillt werden.

Und darum steht in dem Report über Deutschland, das immerhin drei Plätze höher als die Niederlande auf dem 7. Platz rangiert, dass dessen größte Probleme die geringe Flexibilität bei den Löhnen und die hohen Kosten bei Entlassungen sind (und darum landet D im Bereich „Arbeitsmarkt-Flexibilität“ nur auf dem sagenhaft schlechten Rang 124), während bei uns inzwischen tatsächlich zwanzig Prozent der Arbeitnehmer in Niedriglohnsektor arbeiten und jeder dritte Arbeitsplatz im Teilzeit-, Leiharbeits- oder Minijob-Bereich angesiedelt ist.

Liebe Niederländer, lasst Euch nicht verschaukeln. Es reicht schon, dass wir das mit uns machen lassen.

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