vonDetlef Guertler 06.10.2009

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Wenn jemand weder Punkt noch Komma kennt, ihm (oft auch ihr) das Herz so voll ist, dass Mund und Feder (oft auch Tastatur) überlaufen, sprach man früher gern (oft auch ungern) von Quasselstrippen, während in besseren (oft auch ironischen) Kreisen die Nase über Logorrhö gerümpft wurde.

Da in globalisierten Zeiten die Wirtschaft nicht nur in die privatesten (oft auch intimsten) Lebensbereiche, sondern auch in die Sprache Einzug gehalten hat, wird auch in diesem Fall immer seltener gräzisiert und immer häufiger ökonomisiert. Man (oft auch frau) spricht vom Wortüberschuss, der so wie ein Importüberschuss zwar krankhaft sein kann, aber auch durchaus positive Wirkungen entfalten kann, je nach aktuellem Verhältnis von Angebot und Nachfrage. Geradezu idealtypisch hierfür steht die Verwendung in dem Weltwoche-Text „Was Frauen wirklich wollen“ aus dem Jahr 2007:

Bekanntlich haben Wissenschaftler ermittelt, dass durchschnittlich 20000 Worte pro Tag über weibliche Lippen kommen, wohingegen sich das männliche Mitteilungsbedürfnis auf 7000 beschränkt. Ein harmonisches Miteinander kann also nur entstehen, wenn der Mann den Wortüberschuss scheinbar interessiert absorbiert. Wenn Sie dann noch sagen: «Mein kleiner Edelstein, deine Haut funkelt so verführerisch!», dann werden Sie den besten Sex Ihres Lebens haben.

Die derzeitige Entglobalisierung der Wirtschaft und Entökonomisierung der Gesellschaft kann dazu führen, dass solch funkelnde Verwendung von Wortüberschüssen wieder vom Wortmarkt verschwinden und einer negativen Grundtendenz Platz machen, wie in einem zeitgenössischen Kommentar bei Stefan Niggemeier:

Ich habe kein Problem, Sie machen nur mich zu dem Ihren mit einem deutlichen Wortüberschuss den ich gar nicht wirklich wahrnehme oder gar darauf eingehe.

Aber vielleicht gibt es auch gar keine solchen wortistischen Tendenzen, und es werden hier nur Einzelfälle unzulässig verallgemeinert. Dann wäre wohl dieser gesamte Beitrag ein – Wortüberschuss.

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