vondorothea hahn 29.01.2010

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Heute habe ich meinen ersten Hamburger made in the USA gegessen. Der Kellner hatte mir „medium“ empfohlen: dann wäre das Fleisch besonders saftig. Ich bin seinem Rat gefolgt. Mit Fritten, Ketchup und Senf. Dazu habe ich ein Glas Glas Coca-Cola bestellt. Kaum hatte ich es leer getrunken, war es schon wieder gefüllt. Ungefragt.

Getreu einer Regel, die ich in Kindertagen gelernt habe, esse ich grundsätzlich meinen Teller leer und trinke auch mein Glas aus. In Frankreich, wo die Restaurants dazu neigen, ihre Teller nur punktuell mit Essen zu garnieren, bin ich trotzdem nicht immer satt geworden.  Aber in den USA verhält es sich umgekehrt. Da ist Aufessen ein Fehler. Wer ihn häufig begeht, muß seine Kleidung irgend wann dort einkaufen, wo die Blue-Jeans wie Zelte aussehen. In den Abteilungen für Übergewichtige haben die Kaufhäuser ein besonders großes Sortiment. Und besonders viel Kundschaft: Ein Drittel der US-Amerikaner benötigt Übergrößen.

Die Übergröße beginnt hierzulande schon beim Essenseinkauf. Alles in den Supermärkten ist übertrieben: Die Milch kommt in Plastikflaschen daher, die wie Benzinkanister aussehen. Der Käse in Pfundpackungen, die für Schulkantinen ausreichen würden. Die tiefgefrorenen Pizzen sehen aus wie Bistro-Tische in Paris. Und die Äpfel glänzen, als wären sie einzeln poliert.

Daß die hübschen Äpfel beinahe geschmacksneutral sind, fällt dem kaufschwächeren Teil der Kundschaft gar nicht auf. Denn Äpfel – frisches Obst und Gemüse überhaupt – sind zwar reichlich im Angebot, aber sündhaft teuer.

Erschwinglich sind  hingegen die Großpackungen von Fertiggerichten für den Mikrowellenofen, von Chips und von Erfrischungsgetränken. Da mögen an den öffentlichen Wänden in Washington noch so viele gut gemeinte Aufforderungen zur gesunden Ernährung hängen: Der Preisunterschied ist ein unschlagbares Argument.

In den Cafeterias gibt es die warmen und kalten Getränke in mehreren Größen. Selbst die kleinste Tasse ist dabei so groß, daß problemlos der Inhalt von vier Pariser Expressos hereinpassen würde. Die größten Tassengrößen haben die Dimension kleiner Eimer. Dasselbe gilt für die Behältnisse, in denen im Kino Popcorn verkauft wird.

Die direkte Konfrontation mit der us-amerikanischen Gastronomie hatte ich bewußt hinausgezögert. Am Anfang testete ich Einwanderungsküchen: Thailändische Curries, mexikanische Quesadillas, vietnamesischen Pho und Hühnchen auf äthiopische Art. Oft hatte ich das Gefühl, etwas Originelles gefunden zu haben. Aber bei Tisch fiel mir immer wieder auf, dass ich wieder in einem Kettenrestaurant gelandet war.

Zur hiesigen Gastronomie gehören nicht nur große Portionen, schwere süße Soßen und eine Prise Salz zu viel, sondern auch die unwiderstehliche Tendenz zur Kettenbildung. Kaum ist eine neue Küche in den USA angekommen, wird schon eine Kette daraus. Dabei erinnern die Namen, die Dekoration und Speisekarten noch an die Herkunftsgegend. Aber die Gerichte sind bereits am US-amerikanischen Gaumen angekommen.

Nachdem ich diese Regel verstanden hatte, war ich reif für den Hamburger. Ich aß ihn, wie es sich gehört: in einem Lokal, das an jeder Wand einen Flachbildschirm und in sämtlichen Räumen einen Lärmpegel hat, der leise Gespräche ausschließt. Der Nachgeschmack hat die Investition gelohnt. Einen halben Tag später spüre ich den Hamburger immer noch im Gaumen.

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