vonHelmut Höge 14.02.2010

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Auch der Seifenblasenmann kommt nicht ohne Poller aus, schreibt Peter Grosse zu diesem Photo.

Man konnte sie schon bald nicht mehr sehen, all die Unterwasserfilme von Haien, einer gefährlicher als der andere, zu schweigen von „haiwelt.de“ dann auch noch.2005 gipfelte dies Bemühen in einen Haifilm auf 3D:

Bei der Europremiere des 45 Minuten langen Unterwasserfilms „Sharks 3D“ im Imax am Potsdamer Platz wurden die Zuschauerreihen mit verlosten Karten aufgefüllt. Der anschließende Applaus fiel dennoch mäßig aus: „Zu wenig action!“, wurde bemängelt. Da ist der Kinobesitzer „Discovery Channel“ selbst schuld, denn sein Programm ist ansonsten voll mit blutrünstigen Haifilmen, in denen die Kameramänner ständig neue Haischutzvorrichtungen testen. „Sharks 3D“ wurde dagegen ohne Taucherkäfige gedreht; er will „das schlechte Image dieser Tiger der Meere korrigieren“, wie die Filmemacher Jean-Jacques Mantello und Jean-Michel Cousteau vorab erklärten. Mit dem 3D-Verfahren präsentierten sie uns diese Fische nun erstmalig zum Greifen nahe. Die Haie wurden in ruhigen Einstellungen und von ihrer besten Seite gezeigt, denn die Regisseure gingen davon aus: „Es gehört zu unserer Natur, nur das zu schützen, was wir mögen.“ Der Mitproduzent aus der UN-Umweltschutzbehörde erklärte: „They are not man-eaters. Sharks are there to do their job: cleaning up the ocean!“

Zu den Unterwasser-Filmpionieren zählte Hans Hass, der seine Ausrüstung noch speziell anfertigen lassen musste, heute kann sich jeder Taucher damit in seinem Unterwasser-Shop eindecken. Das haben wir vor allem dem „Calypso“-Team von Jacques-Yves Cousteau zu verdanken. Sein Sohn Jean-Michel Cousteau präsentierte nun als Präsident der „Ocean Futures Society“ den Film „Sharks 3D“. In Berlin lief parallel dazu eine Hai-Komödie über seinen Vater: „Die Tiefseetaucher“ von Wes Anderson. Inhaltlich geht es um das ständige Filmen und Gefilmtwerden, damit man weiter im Geschäft bleibt – und weiter mit der hier „Belafonte“ genannten „Calypso“ über die Meere schippern kann, wobei man auch schon mal die Konkurrenz piratisiert und selbst böse piratisiert wird; zu allem Überfluss meutern irgendwann auch noch die Praktikanten an Deck. Über und unter Wasser nichts als Haie, wobei sich egoistische Leidenschaften gegen alle ökologische Moral stemmen: Auf die Frage, welchem „wissenschaftlichen Zweck“ denn seine „Jagd auf den Jaguarhai“, der seinen besten Freund tötete, diene, antwortet Captain Ahab/Nemo/Bligh/Cousteau/Zissou (gespielt von Bill Murray): „Rache!“

Noch reiner um die ökonomische Verwertung von Raubfischen kreiste dann „Darwins Albtraum“ von Hubert Sauper und Nick Flynn. Darin geht es um den Nilbarsch im Victoriasee, dessen Filetstücke in die EU exportiert werden, während den Einheimischen nur Kopf und Schwanz bleiben. „Bevor der Barsch im Victoriasee ausgesetzt wurde, gab es hier viele Fischarten. Er fraß sie alle auf. Aber ökonomisch ist das gut“, so beurteilt ein Fischexporteur diese postkoloniale und ökologische Katastrophe.  Wer nach diesem Film noch näher an den Victoriabarsch ranwollte, dem wurde  die Lebensmittelabteilung des KaDeWe und das „Nordsee“-Restaurant in Mitte empfohlen. Lebende Haie gibt es schräg gegenüber im Sea Life Center des Aqua-Doms zu sehen, halb lebende im „Shark-Club“ an der Friedrichstraße.

Die kleinen Clownfische aus dem Animationsfilm „Findet Nemo“ schwimmen im Seewasseraquarium der Kantine des Arbeitsgerichts am Lützowplatz sowie auch in mehreren Aquarien der beiden Zoos. Dort leben auch etliche Seeschildkröten. Die von innen leuchtenden Meerestiere aus „Die Tiefseetaucher“ kann man real in einigen Neuköllner Tierhandlungen erwerben: Es sind Zebrafischchen aus dem Labor der taiwanesischen Firma Taikong Corp., denen man das Gen einer Qualle, die fluoreszierendes Protein synthetisiert, auf das Genom pfropfte. Ihre Einfuhr in die EU-Länder ist noch verboten, weswegen es dieses erste transgene Haustier vorerst nur als (teure) Bückware gibt. Sagt man, kann aber auch bloß böses Neuköllngerede sein.

Zurück zu den Haien und ihrer Erforschung:

2008 meldete Focus:

„Acht Jahre lang hatte das Schwarzspitzenhai-Weibchen Tibdit kein Männchen mehr zu Gesicht bekommen. Bereits kurz nach ihrer Geburt wurde sie ins Aquarium im US-Bundesstaat Virginia gebracht. Dann starb Tibdit plötzlich. Als die Zoologen das tote Weibchen untersuchten, entdeckten sie zu ihrer Überraschung, dass der Fisch trächtig war.

Sie fanden aber keinerlei Erbgut eines potenziellen Vaters, schreiben sie im Fachmagazin „Journal of Fish Biology“. Der Erstautor Demian Chapman von der Universität in Stony Brook gehörte zu einer Gruppe von Wissenschaftlern, die im Mai vergangenen Jahres zum ersten Mal überhaupt bei einem Hai eine Jungferngeburt nachwiesen. “

An der University of Belfast haben Forscher jetzt auch bei  Hammerhaien festgestellt, dass die Weibchen sich „zur Not“ ohne Männchen fortpflanzen können. Dazu wird erklärt:

„Die eingeschlechtliche Vermehrung wird auch als Jungfernzeugung oder Parthenogenese bezeichnet. Bisher konnte sie nur bei manchen Vogelarten, Reptilien und Amphibien nachgewiesen werden. Nach den neuesten Erkenntnissen sind somit Säugetiere die einzige Wirbeltier-Gruppe, in der die Jungfernzeugung nicht festgestellt wurde.“

Das ist nicht ganz unwitzig, weil der Mensch wiederum das einzige Säugetier ist, für den ausgerechnet die Jungfernzeugung (namentlich die von Maria mit Hilfe ihrer Mutter Anna – im Jahre Null) so besonders wichtig ist. Der „Spiegel“ erklärte zu der englischen Hammerhai-Entdeckung:

„Bei einer Parthenogenese wird der unbefruchteten Eizelle durch bestimmte Hormone eine Befruchtung vorgespielt, woraufhin diese sich zu teilen beginnt und zu einem Lebewesen heranwächst. Hierbei findet keine Durchmischung des genetischen Materials wie bei einer Befruchtung statt.

Wissenschaftler befürchten daher, dass darunter die genetische Vielfalt leidet und sich genetische Defekte stärker ausbreiten könnten. Mit zweigeschlechtlicher Fortpflanzung kann die Jungfernzeugung also nicht mithalten.“

So weit so flott der Spiegel, danach hob auch das Science-Magazin des  ORF noch einmal die Wichtigkeit der „Durchmischung“ bei dieser ganzen Angelegenheit hervor – nicht nur bei den Belfaster Hammerhaien, sondern auch bei Karlsruher Bambushaien:

„Die Parthenogenese hat vor allem den Nachteil, dass es keine genetische Durchmischung gibt, es ist eine extreme Form von Inzucht. Im Falle der Bambushaie könnte es allerdings eine geeignete Strategie sein, falls ein Weibchen an einem kleinen, isolierten Riff lebt. Durch die Jungfernzeugung könnten die Tiere eine Zeitlang überleben, bis dann doch einmal ein Männchen vorbeikommt und die normale Fortpflanzung stattfinden kann.

Da klingt noch die Konrad Lorenzsche Mißbilligung sexueller Abirrungen durch – beim österreichischen Staatssender. Das Magazin Focus befragte zum Bambushai  den Leiter des Karlsruher Vivariums – Professor Kirchhauser. Der betonte  jedoch ironischerweise, dass auch und gerade bei der Jungfernzeugung eine ordentliche „Durchmischung“ (der Erbanlagen) stattfinde. Also was denn nun?!

Auch bei der Parthogenese des  Karlsruher Bambushais hatte man erst einmal alle intervenierenden (männlichen) Variablen ausgeschaltet: „Das Ergebnis ist eindeutig. Die DNS stimmt so stark überein, dass die Beteiligung eines Männchens ausgeschlossen werden kann.“ Völlig identisch war das Genmaterial von Mutter und Kind aber nicht: „Bei der Jungfernzeugung entstehen keine Klone wie bei dem berühmten Schaf Dolly, sondern sogenannte Halbklone“, erläutert der Vivariumsleiter: „Zwar stammt das gesamte Genmaterial des Nachwuchses von der Mutter, aber es wird durchmischt.“

Und heraus kamen mehr oder weniger gesunde Baumbushaie. Bei näherer Untersuchung der Nachkommenschaft geschah jedoch Folgendes:

„Eins der Tiere verblüfft die Wissenschaftler: ‚Es hatte männliche Begattungsorgane, sogenannte Klasper‘, erzählt Kirchhauser. ‚Das gilt bei einem durch Jungfernzeugung entstandenen Tier als unmöglich – laut Lehrmeinung dürften dabei nur Weibchen zustande kommen.‘

Das Tier mit den männlichen Begattungsorganen wurde bereits 2001 geboren. Es starb zwei Wochen nach dem Schlüpfen. ‚Wir haben es dann in Formol eingelegt, um das Tier möglichst gut zu erhalten. Unglücklicherweise zerstört Formol die DNS‘, so Kirchhauser. ‚Wir werden es dennoch untersuchen lassen.‘ Vielleicht finden die Forscher noch intaktes Erbgut, und vielleicht verblüffen Mariechen und ihr Nachwuchs die Wissenschaftler dann erneut.“

Bei Mariechen handelt es sich um den Namen der Bambushaimutter, die in Karlsruhe „seit acht Jahren regelmäßig Eier ablegt, 50 bis 80 im Jahr.“

Ein durch Parthogenese entstandenes Männchen – wir nähern uns der völligen wissenschaftlichen Durchdringung unseres Allerheiligsten… Und das so kurz nach Weihnachten.

Dem Science-Beitrag des ORF über den weißgesprenkelten Bambushai in Karlsruhe folgte später noch ein Leserbrief – von „Artemia“:

Die Gene im Polkörperchen sind nicht „fast ident“ zu denen im Eizellkern, sondern im Gegenteil komplementär. Wenn sich die beiden getrennten Chromosomensätze wieder vereinigen, entsteht wieder genau das gleiche Genmuster. Parthenogenese ist daher keine „extreme Form der Inzucht“, wie sich das offenbar irgendein Redakteur vorstellt, sondern schlichtes Kopieren. Kein „Halb-Klon“ – sowas gibt es nicht -, sondern ein ganz normaler Klon. Das können übrigens auch Menschen.

Auf diesen Kommentar folgte ein weiterer von „Mantispa“:

„ich habe noch ein ungutes gefühl bei der erklärung durch artemia. jemand, der sich wirklich gut auskennt, sollte hier noch sein placet geben. bei wikip. wird man auch nicht klug.“

Der „Stern“ titelte am 12.Februar 2010 aber schon mal: „Sensation im Haifischbecken“

Peter Grosse konterte mit einem „Stör-Poller“:

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