vonGerhard Dilger 10.10.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Aus: Forum Umwelt und EntwicklungRundbrief 3/2011 (pdf)

von Jürgen Maier

Es ist ein knappes Jahr her, als im japanischen Nagoya die Vertragsstaatenkonferenz der Biodiversitätskonvention erfolgreich über die Bühne ging. Erfolgreiche UN-Konferenzen haben mittlerweile fast schon Seltenheitswert. Die Frage, wie erfolgreich Nagoya war, lässt sich aber noch nicht wirklich sagen, denn manche Einigung muss erst noch umgesetzt werden. Eine der bis zum Schluss umstrittenen Fragen waren die um die Schutzgebiete. Tagelang rangen die Delegierten der EU mit den widerstrebenden Entwicklungsländern darum, wie viel Schutzgebiete ausgewiesen werden sollten. Am Ende wurde ein Kompromiss gefunden: 17 Prozent der Fläche sollen unter Schutz gestellt werden. Die EU hatte 20 Prozent gefordert.

Alles steht natürlich, wie immer, unter Finanzierungsvorbehalt. Und wenn am Ende die geforderten Schutzgebiete nicht finanziert werden können, wird es sie wohl auch nicht geben – der Löwenmut der EU-Verhandler in Nagoya gegenüber den widerstrebenden Entwicklungsländern könnte sich dann im Nachhinein als ziemlich papiertigerhaft erweisen.

Vor diesem Hintergrund mutet es nachgerade absurd an, welches Schauspiel sich die europäischen Regierungen, allen voran die deutsche, derzeit bei dem ecuadorianischen Yasuní-Nationalpark leisten.

Ecuador ist ein Ölförderland, gleichzeitig aber auch eines der biodiversitätsreichsten Länder der Welt. Der Yasuní-Nationalpark gehört zu den zehn Top-Hotspots der weltweiten Biodiversität. Auf einem einzigen Hektar findet man dort 655 Baum- und Buscharten – mehr als alle Baum- und Buscharten ganz Nordamerikas, ferner 593 Vogelarten, 150 Amphibien- und 121 Reptilienarten. Nirgendwo auf der Welt ist die Artenvielfalt größer. Sollte man nicht meinen, nach den feierlichen Beschlüssen von Nagoya müsste die Weltgemeinschaft diesen Ort unbedingt schützen?

Im Gegenteil: Yasuní ist akut bedroht. Leider wurde unter dem Nationalpark Erdöl gefunden, allein im sogenannten Yasuní-ITT-Feld geschätzte 850 Millionen Barrel Öl im Wert von 7.2 Milliarden Dollar. Eigentlich Peanuts: Soviel Öl verbraucht die Welt in zehn Tagen. Für Ecuador aber viel Geld. Dennoch bot Präsident Correa bereits 2007 vor der UN-Vollversammlung an, auf die Ölförderung im Yasuní-ITT-Gebiet zu verzichten, wenn die Weltgemeinschaft die Hälfte der entgangenen Öleinnahmen in einem Zeitraum von 13 Jahren in einen UN-Treuhandfonds einzahlt.

Für den Fall, dass Ecuador seine Zusagen später brechen sollte, das Öl nicht zu fördern, werden die Einzahlungen des Treuhandfonds zurückgezahlt. Mit den Geldern des Treuhandfonds sollen alternative Energien und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung Ecuadors, insbesondere der Region um den Nationalpark vorangetrieben werden, mit dem Ziel, vom Erdölexport unabhängig zu werden. Endlich einmal ein Entwicklungsland, das nicht erst von der EU öffentlichkeitswirksam zum Schutz seiner Natur gedrängt werden muss, sondern von alleine auf die Idee kommt, sollte man meinen.

Niebel setzt sich über Bundestagsbeschluss hinweg

Der Bundestag sah es auch so und hat am 26. Juni 2008 mit den Stimmen der damals regierenden CDU/CSU und SPD sowie der Grünen beschlossen, Ecuadors Yasuní-Initiative finanziell zu unterstützen. Im BMZ war von 50 Millionen Euro jährlich bis 2020 die Rede. Für Ecuador ein tolles Signal – wenn die Deutschen mitmachen, hat das Projekt eine Chance. Als es ernst wurde, hatte die CDU/ CSU aber inzwischen den Koalitionspartner gewechselt, und der neue FDP-Entwicklungshilfeminister Niebel lehnt es hartnäckig ab, den Parlamentsbeschluss umzusetzen.

Er wolle keine „Präzedenzfälle“ schaffen, sonst könnte ja morgen Saudi-Arabien auch noch Geld für nicht gefördertes Erdöl fordern. Allerdings stehen in Saudi- Arabien keine Regenwälder mit extremer Artenvielfalt über den Ölquellen, sondern extrem artenarme Sandwüsten, und deshalb ist der Vergleich sehr weit hergeholt. Er verweist auf das REDD-Programm der Klimaverhandlungen, aus denen Ecuador ja Geld für Yasuní bekommen könne, übersieht aber, dass die Klimaverhandlungen derart festgefahren sind, dass ernstzunehmende Summen daraus auf absehbare Zeit nicht fließen werden (nachzulesen in Bundestagsdrucksache 17- 6543-pdf).

Alle Versuche Ecuadors, mit Regierungsdelegationen Minister Niebel umzustimmen, schlugen fehl – er hatte leider nie Zeit für die Delegationen. Ecuadors Präsident hat die Frist mehrfach verlängert, bis zu der das Angebot des Landes gilt. Jetzt ist es der 31. Dezember 2011. Es ist nachvollziehbar, dass er seinem Volk irgendwann Ergebnisse präsentieren will, und wenn er feststellen muss, dass Yasuní den Regierungen der reichen Länder leider nicht viel bedeutet, dann kommt früher oder später die Öllobby zum Zug.

Wenn schon den Deutschen der Braunkohleabbau, Flughafenerweiterungen, Autobahnbauten wichtiger sind als der Naturschutz, wenn sich der hessische FDP-Verkehrsminister über Molche und Hamster ereifert, die dem Straßenbau im Weg stehen – warum soll ein Entwicklungsland dann dem Naturschutz einen höheren Stellenwert einräumen? Correa muss bald entscheiden, ob er die Frist ein weiteres Mal verlängern kann, etwa bis zum Rio-Gipfel. Bisher ist kaum Geld eingegangen – die bedeutendsten Beiträge sind 20 Millionen Euro aus italienischen Schuldenumwandlungen und eine Million von verschiedenen französischen Regionen.

Wenn sich die Öllobby durchsetzt, ist Yasuní kaum zu retten

Die Zeit beschrieb es so: „Wer von der Hauptstadt Quito aus nach Osten Richtung Yasuní reist, der sieht die Spur der Verwüstung, die das Öl in das Land geschlagen hat. Ecuador verliert in jedem Jahr rund 150.000 Hektar Wald, eine Fläche, doppelt so groß wie Hamburg. Entlang der Flüsse zischen Gasflammen aus dem Dschungel, die Pipelines fressen tiefe Schneisen in die Wildnis. Aus dem größten dieser Rohre, das Öl über die Anden zu den Häfen am Pazifik bringt, leckte in den letzten Jahren fast doppelt so viel Öl wie aus dem havarierten Tanker Exxon Valdez.

Das Öl verseucht die Flüsse, tötet Tiere, sickert ins Trinkwasser. Jeder Dritte, der in den Ölgebieten lebt, erkrankt an Krebs. Zehntausende wurden vertrieben, die Indiostämme der Cofanes, der Secoyas und Sionas, von anderen blieb nur ihr Name: Tetete, Sansahuari – nach ihnen heißen heute Ölfelder.“

Als 2008 die UN-Biodiversitätskonferenz in Bonn stattfand, erntete Merkel (damals noch Kanzlerin einer Großen Koalition) viel Beifall für ihre Zusage, dass Deutschland bis 2012 500 Millionen und ab 2013 jährlich 500 Millionen für den Schutz von Wäldern und anderen Ökosystemen bereitstellen werde, also 4,5 Milliarden bis 2020.

4,5 Milliarden sind 4.500 Millionen. Soll davon wirklich nichts für eines der artenreichsten Gebiete der Welt übrig sein, verbunden mit wirtschaftlichen Impulsen für die dortige Bevölkerung, wie sie bei kaum einem anderen Schutzgebiet zu erwarten wären? Die halsstarrige Haltung des Entwicklungsministers kann nicht das letzte Wort Deutschlands gewesen sein.

Der Bundestag und das CDU-geführte Umweltministerium sind jetzt in der Pflicht, sich über den Entwicklungsminister hinwegzusetzen und die Gelder aus dem BMU-Etat zu holen. Es gab schon wesentlich irrelevantere Dinge als dieses Regenwald-Juwel, wegen denen die Koalitionsräson zurückstehen musste. Nächstes Jahr steht in Rio der Rio+20-Gipfel an. Helmut Kohl hat 1992 in Rio im Alleingang Gelder für den Tropenwaldschutz und eine 25-prozentige Treibhausgasreduktion zugesagt. Will Angela Merkel mit leeren Händen nach Rio fahren?

Der Autor ist Geschäftsführer des Forums Umwelt und Entwicklung.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/yasuni-_ein_weiteres_opfer_der_oelbohrer/

aktuell auf taz.de

kommentare