vonWolfgang Koch 21.03.2009

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Nach dem Lexikon der Unberufe (Bettenschänder, Holzbischof,…) von Herbst Rosendorfer und einem neuen niederösterreichischen Mundartlexikon nun also: das Lexikon der Sabotage. Was hat man sich darunter vorzustellen? Ein Manual des Schweizerischen Milizverbandes? Die Lebenerinnerungen eines Security-Unternehmers? Ganz im Gegenteil.

Das Wiener Autorenduo – ein freier Autor und Künstler, ein Antiquar, Kunsthändler und Radguide – hat sich in seiner lange zurückliegenden Jugend gemeinsam vor Schulabschlüssen gedrückt. In den darauffolgenden Jahrzehnten hatten die beiden dann reichlich Gelegenheit, Erfahrungen mit prekären Arbeitsverhältnissen zu machen. Das brachte sie irgendwann auf die Idee, Anekdoten von schlechtbezahlten KollegInnen zu sammeln und auf diese Weise den Widerstand gegen Ausbeutung und Langeweile in der Erwerbswelt zu dokumentieren.

Herausgekommen ist dabei eine schwer überschaubare Sammlung von Racheakten und Schabernack am Arbeitsplatz, mit wohl kaum alltäglichen Fällen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. Die Personen, Firmen und Orte sind streng anonymisiert. Da gibt es die Taxilenkerin, die ihre Kollegen betrügt, um überleben zu können. Den Nachtportier, der Hotelgäste ohne Anmeldung einquartiert und den reduzierten Zimmerpreis mit der Putzfrau teilt. Aber auch den Sterbegleiter, der sich weigert Sterbenden Nahrungen gegen deren Willen einzuflössen.

Wir erfahren in diesem Buch viel Niederschmetterndes über die psycho-soziale Befindlichkeit von Arbeitnehmern, Studenten und freien Mitarbeitern. Wir wissen nach der Lektüre wie Buchhändler, Flugbegleiter und Schlafwagenschaffner ihre Chefs bescheissen, wir lernen wie man als Medikamententester bei bester Gesundheit bleibt und warum LagerarbeiterInnen von Modeketten in ihrer Freizeit immer tiptop eingekleidet sind.

Es ist ein Kompendium der kleinen Gaunereien und des cleveren Austricksens. Die Dokumentation liefert reichlich soziologisches Material für die These, dass die Unterklassen in den Zeiten neoliberalen Wirtschaftens geradezu zu Selbstaneignung und subversiven Arbeitsverweigerung greifen müssen, um morgens noch in den Spiegel schauen zu können. Es finden sich aber auch Fälle pathologischer Kleptomanie in diesem Buch, oder durchgeknallte Idealisten, wie jenen Mann, der einen schwunghaften Handel mit ausrangierten Labormäusen aufgezogen hat.

Das alles ist höchst erstaunlich und amüsant – schliesslich sind wir in unseren Städten ja dicht umgeben von pfuschenden Fahrradmechanikern, dilletierenden Journalisten und entrechteten Sexarbeiterinnen. Formal allerdings bestehen einige Einwände gegen das Werk. Die Autoren geben nämlich ihre Quellen nicht einfach im O-Ton wieder, sondern haben die meist dialektal gefärbte Erzählung sprachlich begradigt. Das soll wohl einerseits das Lesevergnügen erhöhen, anderseits die Authentizität beglaubigen.

Ein solcher Mittelweg hat Nachteile. Wir hätten den Autoren den Mut gewünscht, ihr furioses Material sowohl sprachlich als auch erzähltechnisch aufzufrisieren und die wahren Geschichten konsequent zu fiktionalisieren. Was für eine literarische Figur hätte aus der frustrierten Versandhausmitarbeiterin werden können, die der verschickten Ware kleine persönliche Beipackzettel mit Warnungen an den Kunden hinzufügt! Zu welchen Höheflügen hätten Prosaautoren die Gestalt eines Polizisten genutzt, der mit hochgestelltem Kragen nach Dienstschluss zur Privatinspektion im Bordell erscheinen!

Bernhard Halmer und Peter A. Krobath: Lexikon der Sabotage. Betrug, Verweigerung, Racheakte und Schabernack am Arbeitsplatz. 182 Seite, Wien: Sonderzahl Verlag, 18,- EUR

© Wolfgang Koch 2009
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