vonzwiespalt 24.12.2023

Zwiespalt der Ordnungen

Von kleinen und großen Herrschaftsverhältnissen, von Zwickmühlen der Realpolitik und den Ambivalenzen ihrer Ordnungsgrundlage.

Mehr über diesen Blog

Dass Energien freiheitliche Energien sein können, hat die Politik seit einiger Zeit festgestellt. Unter anderen Einsichten hat der Konflikt um Russland auch diese Einsicht zutage gefördert. Traten Energien bis dato vor allem in physikalischen Kategorien auf, verändert sich das gerade. Bereits die Debatte zur Klimakrise hat zu einer normativen Differenzierung der Rede über Energien geführt. Sogenannte >grüne Energien< waren das Ergebnis. Nun kommen Energien als politische Unabhängigkeitsenergie oder Freiheitsenergien in den Blick. Energien also, die sich nicht von schlechten Staaten in den Dienst nehmen lassen, die diese Staaten weder finanzieren noch durch sie als außenpolitische Strategiemaßnahmen missbraucht werden können. Zugleich bedeuten Freiheitsenergien dann, Energien zu sein, die einer demokratisch-freiheitlichen Selbstverwaltung dienen. Die also nicht Teil einer restriktiven Politik von OBEN sind, sondern autonome Lebensformen von UNTEN bestärken.

abo

Zeiten wie diese brauchen Seiten wie diese. 10 Ausgaben wochentaz für 10 Euro im Probeabo. Jetzt die linke Wochenzeitung testen!

Freilich wird, wenn man die Freiheitsenergien so beschreibt, deutlich, dass auch im europäischen oder deutschen Kontext die Ansprüche oder Möglichkeiten, die in ihnen stecken, nicht eingelöst werden. Freiheitsenergien bedeuten heute vor allem, nicht an Russland gebunden zu sein. Und, im Kontext der grünen Energien bedeuten sie, Teil einer nationalstaatlichen Autonomiebestrebung zu werden. Hier aber kommt die Freiheit nur als eine liberalkapitalistische Freiheit durch. Zurzeit richtet der freie Markt, so kann man sagen, mit staatlichen Subventionen und vielen Infrastrukturprojekten im Rücken seine grünen Energie-Kapazitäten ein. Damit bleibt die Energie, bei aller Klimaneutralität und Freiheit, eine Ressource der Wirtschaft und ihrer Interessen.

Hier wurde also etwas verpasst. Die grünen und freiheitlichen Energien, die etabliert werden, hätten auch soziale und basisdemokratische Energien sein können. Sie hätten die Autonomie der Menschen, nicht zuerst der Wirtschaft, adressieren sollen. Das bedeutet, sie hätten so auf den Weg gebracht werden können, dass sie in die Hände des Volkes gelegt werden, und nicht die Menschen an der energetischen Leine der Wirtschaft hängen bleiben (darauf wird es vermutlich hinauslaufen). Es wäre darauf zu achten gewesen, die energetische Revolution >richtig< demokratisch zu machen.

Insofern ist der Freiheitsbegriff, der im Spiel ist, dramatisch verkürzt. Autonomie bleibt eine Autonomie der Konzerne und Großkonzerne, die den Markt unter sich aufteilen. Nachdem sich grüne Marktoptionen als lukrative Optionen am Horizont monetärer Heilsversprechen angerissen haben, wird die Politik von der Ökonomie genauso (oder mehr noch) ins Werk gesetzt als die Ökonomie durch die Politik. Fortfolgend werden selbsttragende Energie-Strukturen auf den Weg gebracht, für die im Grunde nunmehr nur Nachtwächterdienste anstünden, um sie zu erhalten, die aber von ökonomischen Akteuren (so zeichnet es sich ab) kostspielig und dauerhaft okkupiert werden. Autonome Energien sind eben kein gutes Geschäft, wenn sie hinreichend autonom sind. So sich westliche Staaten im letzten Jahrhundert erfolgreich aller großen >Volks/Staatsunternehmen< zugunsten der Wirtschaft entledigt haben, geht der Trend im 21 Jh. weiter.

Leider gab es hierzu weder eine effektive öffentliche Debatte noch ein öffentliches Aufbegehren. Die zivile, politische Aufmerksamkeit ist in der Welt verteilt oder arbeitet sich an der Frage ab, welche Klimaziele wann erreicht werden. Wie aber die vielen Veränderungen, die stattfinden, demokratisch eingehegt werden können, wird im Einzelnen viel weniger berührt. Dabei hätten Energien doch zu einer historisch einmaligen Autonomie der Bürger führen können, die sich selbst versorgen, für sich produzieren, ihre Energien teilen, nur sich selbst genügen.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/zwiespalt/demokratische-energien-energie-klima-freiheit-demokratie-autonomie-gerechtigkeit-volk-staat-politik-wirtschaft-russland-oekonomie-markt-krise/

aktuell auf taz.de

kommentare