vonzwiespalt 07.12.2021

Zwiespalt der Ordnungen

Von kleinen und großen Herrschaftsverhältnissen, von Zwickmühlen der Realpolitik und den Ambivalenzen ihrer Ordnungsgrundlage.

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Der Justizminister in spe stemmt sich, so gut es für ihn eben geht, gegen Corona-Maßnahmen – ganz im Sinne der FDP des Wahlkampfes und der Vorwahlkampfzeit. Sein stärkstes Argument: Die Verhältnismäßigkeit. Man sei nicht prinzipiell gegen etwas – aber ob etwas geht, müsse eben am Prinzip der Verhältnismäßigkeit gemessen werden; das sei der liberale Anspruch. So hört man ihn dieser Tage.

Und – Unrecht hat Herr Buschmann nicht – ich denke zurück an meinen Verfassungsrechtsprof., der gerade die Verhältnismäßigkeit als große Invention des Verfassungsrechts gelobt hat.

Was bedeutet Verhältnismäßigkeit? Nun, kurz gesagt: Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Freilich – ganz so einfach ist es am Ende doch nicht.

Denn die große Frage ist ja, an was alles wir denken, wenn wir die Dinge ins Verhältnis setzen! Welche Risiken haben wir im Blick? Auf welche Resilienzen in der Gesellschaft nehmen wir Bezug? Wie weit denken wir in die Zukunft? Hier tauchen hunderte von Fragen und hunderte von Abwägungen auf, die man vornehmen, für die man sich entscheiden muss.

Was das schnelle Wort: Verhältnismäßigkeit – als Bündigkeit und Klarheit suggeriert, ist alles andere als das. Die falsche Kunst, ein gewisser Machiavellismus, sind es geradezu, nach außen immer wieder den Spielraum zu verdecken, der einem Schlussstrich vorausgeht.

Hier kann man auch nicht umhin in der Auslegung immer eine politische oder soziale Position zu sehen. Die FDP wird die hunderte von Fragen und Abwägungen durch ihre Brille bestimmter Freiheiten sehen; die CDU wird diese Fragen und Abwägungen eher durch ein Sicherheitsglas betrachten werden. Die Medizin wieder wird aus ihrer kritischen und sehr bestimmten Perspektive ihr Sicherheitsglas gegen die CDU noch verstärken.

Gut, offenbar geht es nicht anders und wir sind immer auf Perspektiven festgelegt. Dann können wir diskutieren, sie feiner machen, sie besser machen – auch wenn man sich nicht ganz der Hoffnung auf Konsens hingeben sollte. Ich denke, dass dafür viele Werte und politische Strategien nicht hinreichend vereinbar sind.

Auf jeden Fall aber keine einfachen, neunmalklugen, technischen Verweise auf die Verhältnismäßigkeit bitte.

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