Wir stecken mitten in einer Ära der Verunmenschlichungen fest; nein, wir stecken nicht nur fest, wir vertiefen ihre Gehalte in Wort und Tat täglich. Ich möchte diese These mit Blick auf derzeitige Politiken von Krieg und Gewalt ausführen und sie am Anspruch der Menschenrechte – als normativer Leitplanke der Politik entfalten. Sollte doch vor allem mit der Kategorie der Menschenrechte eine historische Aufwertung des Menschseins zuwege gebracht werden – und es wurden mit ihr auch tatsächlich historische Inklusions- und Anerkennungsprozesse losgetreten.
Dennoch waren diese Menschenrechtsbezüge seit jeher Teil einer Spannung um Einschluss und Ausschluss, der Frage also, wer Teil dieser Rechtsbezüge ist und wer nicht (wer nicht hinreichend Mensch ist). Diese Spannung zeigt sich zurzeit mit Blick auf außenpolitische Verhältnisse, d.h. mit Blick auf eine Kartierung des Bösen entlang einer Achse des Bösen (prominent seit Bush Jr), sowie die Militarisierung unserer Gesellschaften sehr deutlich (natürlich nicht nur dort, aber das soll nun Gegenstand sein).
Mit dieser Achse des Bösen wurde eine Zuschreibung wieder aufgenommen, die eigentlich überwunden war: es geht um eine theologische Figur unberechenbarer Weltbedrohung durch Diabolisches, die zumindest der Idee nach das frühneuzeitliche Aufklärungsdenken hinter sich gelassen hatte (und hinter der heute wie damals auch, viel handgreifliches, materielles Interesse steckt(e)). Mit ihr wird ein politisches Mittel strategisch-gewalthaften Umgangs etabliert: Das Militär und die Militarisierung der Gesellschaft scheint als manifeste Antwort die richtige Antwort auf das Böse in der Welt und seine (potentielle) Gewalt zu sein.
Das bedeutet ferner: Spätestens seit der Ankündigung des (neuen) Kampfes gegen die Achse(n) des Bösen wird in unseren Gesellschaften wieder eine Klasse von Menschen (die Klasse des Militärs und des Soldatischen) im großen Maßstab für Kampf und Sieg gezüchtet.
Offenbar konform dazu werden Gesellschaften mit dem Anspruch der Wertschätzung und Anerkennung von Militär und Soldatentum traktiert (vor allem in Deutschland beklagt man, dass es immer wieder eine tragische Verkennung des Militärs gibt, was sich doch bitte ändern solle). Wir sollen verstehen, dass der Kampf gegen das Böse (wieder) geboten ist, und wir sollen diejenigen wertschätzen und anerkennen, die den Kampf für uns (und an unserer statt) ausfechten (an allen Ecken der Gesellschaft begegnen uns heute solche Anerkennungs-gebote).
Dieses aber – diese Militarisierung und das Feiern der Militarisierung – sind ein Problem. Das Militär, d.h. die Menschen, deren Leben hier auf Tod und Leben als Kampf ums Leben geeicht werden, werden durch den Zweck, in den sie gestellt sind, durch die Wertschätzung und Anerkennung, die sie erfahren sollen, gerade dessen beraubt, was Wertschätzung und Anerkennung auf fundamentaler Ebene leisten sollen, d.h. sie werden dessen beraubt, was Wertschätzung und Anerkennung im Zeichen der Menschenrechte (als großem Prozess des politischen Einbezuges ins Menschsein) leisten sollen.
Es wird hier (zumindest prospektiv) menschliches Leben als Ware verheizt und auf eine Weise verwendet, die es gerade nicht möglich macht, Wertschätzung und Anerkennung positiv zu wenden. Es geht um eine Wertschätzung und Anerkennung zum Tod, nicht zum Leben, um eine, die aus dem Diskurs und Schutzbereich der Menschenrechte herausführt und Menschen als Mittel (insofern also: Verunmenschlichung) im Kampf in den Status von Sklaven oder Leibeigenen versetzt (auch wenn das Soldatische heute eine Freiwilligkeit besitzt, auf sein Recht zu verzichten, ist die Möglichkeit eines solchen Verzichts absurd. Man kann, so wird es doch oft gesagt, auf sein Menschenrecht genauso wenig verzichten, wie auf seine Menschlichkeit – man kann nur jeweils ihr zuwiderhandeln). So läuft die Logik des Kampfes um Erhaltung für die Freiheit anderer auf eine Instrumentalisierung der Akteure dieses Kampfes und auf ihr Sachverhältnis gegenüber der Gesamtgesellschaft hinaus.
Statt politischen Problemlagen, Demokratie- und Gerechtigkeitsdefiziten in der Welt so zu entgegnen, dass der historische Inklusionsprozess in den Schutzbereich der Rechte vorangetrieben und dessen Spannungen reduziert werden, wird Demokratie- und Gerechtigkeit (erneut) auf Wegen des Ausschlusses aus der Menschenrechtskategorie gerettet oder gesteigert und dieser Ausschluss unter dem Deckmantel eines anerkennungswürdigen Kampfes um Freiheit verschleiert.
Dass es der Politik so leicht fällt von Freiheit zu reden in diesen Kämpfen, kann nur dadurch erklärt werden, dass die Freiheit, die diese Freiheit kostet, unbesehen wird und ungesagtes bleibt. Dass es der Politik so leicht fällt von Rechten zu reden in diesen Kämpfen, kann nur dadurch erklärt werden, dass die Rechte derer, die für die Rechte anderer Kämpfen, unbesehen und unbesprochen bleiben.