vonClaudia Mussotter 05.04.2007

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Ein alter spanischer Brauch war, die bacalao.jpgFastenzeit, „cuaresma“, als eine alte Frau mit sieben Füßen darzustellen, die die sieben Wochen symbolisieren sollten, die die Fastenzeit dauert. In der Rechten hielt sie einen Pilgerstab oder auch eine Pfanne, in der linken Hand schwang sie einen Stockfisch. An den Sonntagen rissen die Kinder des Hauses der Puppe ein Bein aus, ein Ritual zwischen Spiel und Ernst, das darin gipfelte, dass dieser Fuß anschließend unter großem Getöse der Beteiligten verbrannt wurde. Am Ostersonntag dann warf man die ganze Alte mit ihrem einzig verbliebenen Fuß ins Feuer und pflegte das erste sukkulente Mahl einzunehmen, das, wenn es die wirtschaftliche Lage erlaubte, aus einem Lamm und Würsten bestand. Die berühmte Alte wurde während der Fastenzeit mahnend in den Auslagen von Geschäften präsentiert, die Stockfisch verkauften. Das war allerdings zu Zeiten, als der liturgische Kalender noch allergrößten Einfluss auf die Essgewohnheiten hatte.

Die Idee, Fisch durch Trocknen und Salzen zu konservieren, ist uralt und hat auf der Iberischen Halbinsel eine lange Tradition. Wie sonst wäre es möglich gewesen, große Mengen gefangenen Fischs aufzubewahren, unter sengender Sonne in Gegenden zu bringen, die nicht mit Forellenbächen oder Lachsgewässern gesegnet waren, Schiffsmannschaften in der Entdeckerzeit über Wasser zu halten, Soldatenheere zu versorgen und vor allem die Zeiten der Abstinenz, in denen Fleisch zu essen verboten war, zu überbrücken.
Wikinger, Portugiesen, Franzosen und Basken gingen in den kalten Nordmeeren auf Kabeljaufang. Angeblich stießen die Basken bis Neufundland vor, noch bevor Kolumbus die Neue Welt erreichte. Sie schufen Gerichte wie „Bacalao al pil-pil“ oder „a la vizcaína“, die weit über Euskadi hinaus Ansehen erlangten und heute als Klassiker gelten. Dazu muss gesagt werden, dass baskische Köche in dem Ruf stehen, sogar aus einem ausgelatschten Pantoffel noch eine Delikatesse zu machen. Ihre Erfahrungen teilten sie mit den Katalanen, die ebenfalls mit einer Reihe traditioneller Gerichte aufwarten wie „Bacalao a la llauna“ oder Kabeljau mit Pinienkernen und Rosinen.
Was für eine wichtige Rolle der Bacalao in Spanien spielte, zeigt sich auch in den Formen seiner Zubereitung. „Bacalao a la Comunista“ datiert von 1936 und wurde wohl von der „Brandade“ aus der Provençe inspiriert. Wie ein Kuchen wurden Lagen aus Fisch und Kartoffeln übereinander geschichtet und dann mit Käse überbacken.
Zehn Jahre später wurde „Bacalao bandera española“ erfunden. Der Klippfisch wurde gekocht und mit Knoblauchmayonnaise serviert. Um die spanische Flagge darzustellen, wurde der Fisch mit Streifen von roter Paprikaschote dekoriert – wobei sie nur halb so breit sein durften wie die der Mayonnaise.

Galt Bacalao früher als Arme-Leute-Essen, hat er mittlerweile Einzug in die gehobene Gastronomie gehalten, wo man die althergebrachten Rezepte von Portugiesen, Katalanen und Basken mit neuen Kreationen pflegt. Bacalao wird geschmort, in Sauce gedünstet oder frittiert – das ergibt eine breite Palette an Gerichten, wobei jedes mit einem ganz bestimmten Stück des konservierten Fischs zubereitet wird. Nur hat das inzwischen knapp gewordene Luxusgut heute einen gesalzenen Preis. Wichtige Speisefische wie Kabeljau und auch Merluza sind überfischt und vom Aussterben bedroht.  Ein Schutzprogramm ist immer noch nicht in Kraft. Umweltschutzorganisationen plädieren gleich für ein rigoroses Fangverbot. Ob der Kabeljau eine Zukunft hat, wird das Angebot an Bacalao und Fischstäbchen in absehbarer Zeit zeigen. 

Was wir gemeinhin als Bacalao kaufen, ist nicht wie im Sprachgebrauch üblich Stockfisch, sondern Klippfisch. Wird Kabeljau oder auch ein Verwandter aus der Familie der dorschartigen Fische auf  Holzgestellen an der Luft getrocknet, bis er hart wie ein Holzscheit ist, nennt er sich „pejepalo“ oder Stockfisch. Eine andere Methode – vermutlich am Golf von Biskaya erfunden – ist, ihn mit Salz zu entwässern und dann auf  Felsen zu trocknen. Daher der Name Klippfisch. Auf Spanisch nennt man ihn „bacalao seco“, trockenen Kabeljau. Wobei die Konservierung auf der Halbinsel heute unterschiedlich ist. In Portugal bevorzugt man Bacalao dehydrierter, er reift in feinem Salz, was ihn gelblich macht, während Spanier ihn „verde“ mögen, nur mit grobem Meersalz eingerieben; diese Fischstücke sind weiß und flexibel und nicht so eingeschrumpelt.

Vor seiner Zubereitung muss ein Klippfisch gewässert werden, bis die Fleischfasern gut gequollen sind. Das passiert im Kühlschrank, und das Verhältnis von Wasser zu Fisch sollte in etwa drei zu eins betragen. Wie lange gewässert werden muss, kommt auf die Größe an. Man sagt, etwa 24 Stunden, dabei dreimal das Wasser wechseln. Handelt es sich aber um ein dickes Stück Filet, wird man es 36 Stunden entsalzen müssen. Doch zu lange sollte es auch nicht sein, man kann den Bacalao auch so lange im Wasser lassen, bis er nach gar nichts mehr schmeckt!
Die Qualität des Wassers spielt ebenfalls eine Rolle und natürlich die Verwendung des Stücks, denn manchmal will man es eben salziger. Generell heißt es, im mineralreichen Wasser in der Stadt dauere das Entsalzen länger als auf dem Land. Auch braucht ein Klippfisch aus Kanada oder Norwegen mehr Zeit als der isländische, der in Spanien vornehmlich im Handel ist.
Beim Wässern soll der Fisch mit der Hautseite nach oben im Wasser liegen, so kann das Salz nach unten abfließen. Beim Wechseln des Wassers nimmt man vorher den Fisch heraus und kippt dann erst das Salzwasser weg – keine Frage, dass auch das Behältnis vor dem nächsten „Waschgang“ ausgespült wird.

Wundersame Verwandlung
Zahlreiche Autoren befassten sich mit dem Phänomen Bacalao, der – für viele unheimlich – immer ohne Kopf erscheint. Miguel Cervantes erwähnt ihn im „Don Quijote“, und auch neuere Autoren wie Manuel Vázquez Montalbán beschäftigten sich mit der „Mumie“, einem „wieder auferstandenen Fisch“, der in seinem „zweiten Leben“ wie kein anderer in Spanien traditionell die Fastenzeit prägt. Gemeint ist das Wunder, das sich vollzieht, wenn sich dieses unansehnliche, gelbliche, zusammengeschrumpfte trockene Stück Fisch nach einer Zeit des Wässerns wieder prall und weiß, mit neuem Charakter präsentiert.
Der „bacalao seco“ hat Montalbán auch zum Schreiben einer Novelle bewogen: „Robinsons Überlegungen angesichts einer Kiste Stockfisch“ (Wagenbach 2006, ca. 8,90 €, ISBN-10: 3803125367) handelt von einem schiffbrüchigen Weihbischof, der auf seiner verlassenen Insel von Gott mit einer Kiste Stockfisch bedacht wird. Anzumerken ist, dass Manuel Vázquez Montalbán als Koch und Gourmet nahezu gleichermaßen berühmt war wie als Autor…
(Das Buch von Mark Kurlansky: „Kabeljau. Der Fisch, der die Welt veränderte“, List Verlag 2001, ISBN 3-548-60115-4, ist leider vergriffen und nur noch gebraucht zu erstehen.)

Bacalao al pil-pil
Für 4 Pers.: 600 g Klippfisch von ausgezeichneter Qualität, vom unteren Teil, der mehr Haut hat, 6 Knoblauchzehen, 1 rote Pfefferschote, Olivenöl, Petersilie
Klippfisch in gleichmäßige viereckige Stücke schneiden. 36 Stunden mit der Haut nach oben in Wasser legen, das Wasser alle acht Stunden wechseln.
Danach abtropfen lassen und die Gräten entfernen.
Die Pfefferschote ebenfalls einweichen, damit sie sich besser schneiden lässt.
Öl in einer tiefen Pfanne mit zwei Henkeln erhitzen und drei der zuvor abgezogenen Knoblauchzehen braten. Herausnehmen und mit einem Esslöffel gehackter Petersilie im Mörser zerstoßen. Die restlichen Knoblauchzehen schälen, in Scheiben schneiden und mit der in Ringe geschnittenen Pfefferschote in demselben Öl braten. Bevor sie zu viel Farbe nehmen, Herd abschalten und das Öl etwas abkühlen lassen, sodass es lauwarm ist. Fischstücke mit der Haut nach oben einlegen – sie sollen fast vom Öl bedeckt sein – und auf kleinem Feuer etwa 15 Minuten hin- und herbewegen (ungefähr so, als würde man in einem Sieb Gold waschen), bis das Eiweiß der Haut anfängt zu gerinnen und eine weiße Creme entsteht. Den Mörserinhalt zufügen, rütteln, damit er sich verteilt, und den Bacalao al pil-pil mit gehackter Petersilie bestreut servieren.

Bon profit!

 

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