vonDarius Hamidzadeh Hamudi 22.05.2025

Zylinderkopf-Dichtung

Essays, Glossen, Kommentare und Neuigkeiten aus der Menagerie der kleinen Literatur.

Mehr über diesen Blog

Ein US-Präsident wird seit Jahrzehnten vom russischen Geheimdienst »kultiviert« und gesteuert. Gleichzeitig ziehen einflussreiche Tech-Giganten in der US-Administration die Strippen und arbeiten daran, die Demokratie abzuschaffen. Der besonders umtriebige reichste Mann der Welt, ein Raumfahrtunternehmer, spielt ein doppeltes Spiel und pflegt heimlich ebenfalls Kontakte nach Russland … – Wenn ich 2015 eine solche Geschichte gehört hätte, kurz vor dem Ende von Barack Obamas zweiter Amtszeit, hätte ich auf einen monumentalen Agententhriller der Marke 007 getippt. Wäre »Satellit aus Moskau« ein passender Titel? Hätte die Story besser zu Pierce Brosnan als zu Daniel Craig gepasst? – Zehn Jahre später präsentiert das ZDF eine investigative Recherche, die alles in allem davon berichtet, dass dieses abstruse Szenario Wirklichkeit geworden ist. An einzelne Elemente der ZDF-Recherche »Putins Helfer« hat man sich inzwischen vielleicht schon gewöhnt. Aber die Behauptung eines gefeuerten FBI-Agenten, es gäbe Kontakte zwischen Putin und Musk, ist dennoch monströs. – Handelt es sich um Verschwörungstheorien? Oder hat das ZDF in seiner Mediathek zwischen all den mehr oder minder gelungenen Filmen, Dokus, Serien und Talkshows eine epochale Investigativrecherche versteckt? – Ein Essay über eine TV-Dokumentation, die es wirklich in sich hat.

»Die Welt ist nicht genug«

Der ZDF-Journalist Johannes Hano berichtet von einer einflussreichen Clique schwerreicher Tech-Unternehmer aus dem Silicon Valley, die die Demokratie für überkommen hält. Reaktionärer »Vordenker« dieser antidemokratischen Bestrebungen sei Curtis Jarvin. Dieser träumte bereits vor Jahren von einer Monarchie und einem Programm namens R.A.G.E.: Retire all goverment’s employees, mit dem alle Regierungsbeamten in Rente geschickt werden sollten. Staaten sollten wie Unternehmen geführt und auf Effizienz getrimmt werden. In Form von Elon Musks Department of Govermental Efficiency (D.O.G.E.) ist dieser Albtraum inzwischen Wirklichkeit geworden. Hano bezeichnet Jarvin als »Peter Thiels Hausphilosoph«. Die Rede ist von demselben Peter Thiel, der mit Elon Musk einst einen erfolgreichen Online-Bezahldienst gründete und ordentlich Geld in die politische Karriere eines gewissen James David Vance butterte, der vom »Never-Trumper« zum beflissenen Vizepräsidenten upgedatet wurde. Auch eine Schwächung des US Dollars werde, wie Hano in der Talkshow Lanz ausführt, von diesen »Tech-Bros« nicht nur in Kauf genommen, sondern bewusst vorangetrieben, um die Bedeutung von Krypto-Währungen zu stärken. Ein weiterer Baustein zur Zerstörung der Demokratie sei die Übernahme von Twitter durch Elon Musk, die kurz nach dessen Putin-Kontakten erfolgt sei. Der Kurznachrichtendienst mit dem sympatischen Vögelchen habe in Sachen Faktenchecks gemäß Hano den »Goldstandard« gesetzt, wohingegen »X« vor den Augen der Welt in Desinformation versinkt.

»Liebesgrüße aus Moskau«

Auch Putin sind die westlichen Demokratien ein Dorn im Auge. Hanos Recherche zufolge hätten russische Agent:innen bei hohen US-Regierungsvertretern keine Spionageabwehr zu befürchten. Frappierend ist auch Hanos Blick in die jüngere Geschichte: Bereits in den 1980er-Jahren köderte der russische Geheimdienst Trump mit dem bizarren Angebot, auf dem Roten Platz einen Trump-Tower zu errichten. Danach hätten die russischen Dienste Trump über Jahre hinweg »kultiviert«. Hano erläutert gegenüber dem österreichischen Standard im Podcast, was das bedeutet. Natürlich habe Trump keine Kooperationsvereinbarung unterschrieben. Vielmehr hätten die Russen in Trumps Umfeld dienstbare Geister platziert, die immer dann zur Stelle waren, wenn Not am Mann war. Beispielsweise habe Trump während der Finanzkrise ein Grundstück zu einem überhöhten Preis an einen russischen Oligarchen und Putin-Vertrauten verkaufen können. Man kann sich gut vorstellen, wie der New Yorker Unternehmer diesen erfolgreichen Deal auf seinen Geschäftssinn zurückführte. Über zwanzig Jahre hinweg habe Trump aus Russland auf die eine oder andere Art Geld erhalten, erläutert David Frum in Hanos Recherche, besonders als Trump finanziell klamm war. Lebte Trump jahrzehntelang in einer Art Scheinrealität, in einer von Russland simulierten Wirklichkeit, in einer Matrix, in der alles zu Gold wurde, was Trump berührte?  Johannes Hano erhärtet diese Idee, indem er Donald Trump junior zitiert: »Was unsere High-End-Produkte angeht, machen Russen einen überproportionalen Anteil aus … Wir sehen viel Geld aus Russland hereinkommen« (2008). Hanno empfiehlt die Lektüre des Buches »Active Measures: The Secret History of Disinformation and Political Warfare« von Thomas Rid, um genauer nachvollziehen zu können, wie ein Geheimdienst manipulierbare Zielpersonen durch eine Mischung von Einflussnahme, Schmeichelei und Geschäften im eigenen Sinne manipuliert und steuert. Selbst bei den US-amerikanischen Geheimdiensten stelle gemäß Hano niemand infrage, ob Trump ein russischer Agent sei. Strittig sei lediglich die Frage, ob Trump selbst davon wisse (Podcast des Standard).

»Warum gibt es diese besondere Beziehung zwischen Trump und Putin? Das ist die große Frage. Dass es sie gibt, ist offensichtlich. Trump scheint niemandem zu vertrauen, außer Vladimir Putin. Er mag niemanden, außer Vladimir Putin. Er hört auf niemanden, außer Vladimir Putin. Und er tut Dinge, die nicht einmal in seinem eigenen Interesse sind, um Vladimir Putin zu helfen.« David Frum in der ZDF-Doku: »Putins Helfer« (ZDF)

»Moonraker – Streng geheim«

Dass Donald Trump eine spezielle Connection nach Russland hat, ist eigentlich nichts Neues, aber das Ausmaß dieser Connection ist schockierend. Dass radikal-libertäre Tech-Bros und Putin die Demokratie verachten, kann man sich auch gut vorstellen. Bemerkenswert ist jedoch, dass auch zwischen Musk und Putin offenbar ein direkter Draht existiert. Ein ehemaliger FBI-Agent, der kürzlich von der Trump-Regierung gefeuert wurde, tritt in der ZDF-Recherche vor die Kamera und bestätigt solche Kontakte. Auch das Wallstreet Journal berichtete im Oktober 2024 von regelmäßigen Kontakten zwischen Musk und Putin, berief sich dabei allerdings auf russische Quellen. Da der Raumfahrtunternehmer Elon Musk bereits unter Biden Zugang zu klassifizierten Informationen hatte, lösten seine mutmaßlichen Putin-Kontakte im Oktober 2024 Sorgen in Bezug auf die US-amerikanische nationale Sicherheit aus. Donald Trump teilt solche Bedenken nicht. Seit er im Amt ist, wurden gemäß den Aussagen des besagten FBI-Mannes reihenweise Geheimdienst-Agent:innen gefeuert, die mit russsischer Spionageabwehr befasst waren. Der FBI-Mann spricht im ZDF vom »größten Versagen in der Geschichte der amerikanischen Spionageabwehr«. – Doch ist das seriös? Johannes Hano bestätigt mit einem US-Informanden die Geschichte des Wallstreet-Journal, welches sich auf russische Quellen gestützt hatte.

»Leben und Sterben lassen«

Hubert Wetzel kommentiert in der Süddeutschen Zeitung: »Selenskij und Putin kämpfen um das Hirn von Donald Trump«. Das Artikelfoto zeigt die eindrückliche Aufnahme des Tête-à-Têtes von Trump und Selenskyj im Petersdom und suggeriert eine gewisse Waffengleichheit bei diesem Kampf »um das Hirn von Donald Trump«. Auch die starken Bilder der europäischen Regierungschefs in Kiew in Kombination mit markigen Sanktionsdrohungen nährten die Hoffnung, Trump würde langsam die Geduld mit Putin verlieren und Russland unter Druck zu setzen beginnen. – Vor dem Hintergrund der Investigativrecherche »Putins Helfer« überrascht es jedoch nicht, dass Trump nach dem Telefonat mit dem russischen Präsidenten am 19. Mai 2025 von einem »hervorragenden Gespräch« schwärmt, Sanktionen gegen Russland ausschließt und somit seine alten Verbündeten düpiert. 

»Ein Quantum Trost«

Bei seinen Recherchen haben alle US-amerikanischen Gesprächspartner Hano gewarnt: Putins Russland und US-amerikanische Tech-Bros würden gemeinsam daran arbeiten, die deutsche Demokratie zu destabilisieren und unterminieren. Deutschland stehe im Fadenkreuz, weil mit dem Scheitern der liberalen Demokratie in der Bundesrepublik Europa in Nationalstaaten zerfallen und als geopolitischer Machtfaktor von der Bildfläche verschwinden würde. Johannes Hano bringt es bei Lanz auf die Formel »Wenn Deutschland fällt, fällt die Europäische Union«. Dann hätten Putin und die Tech-Bros freie Bahn. – Wiederum die Frage: Ist das seriös? Das Engagement von Elon Musk im deutschen Wahlkampf spricht ebenso für sich wie russische Desinformationskampagnen. – Doch worin besteht »ein Quantum Trost«? Die warnende Stimme des professionellen Investigativreporters Johannes Hano steht gut vernehmbar in der ZDF-Mediathek. Um diesen entsetzlichen Artikel hoffnungsfroh und humorvoll zu beenden, erlaube ich mir, uns allen und besonders unserem frisch gebackenen Kanzler alles Gute für die großen Aufgaben zu wünschen, die vor uns liegen. Sein Name ist Merz. Friedrich Merz.

 

Interessante Links

 

Bildnachweis

Eigene Collage unter Verwendung von:

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/zylinderkopf/demokratie-im-fadenkreuz/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert