vonDarius Hamidzadeh Hamudi 30.08.2024

Zylinderkopf-Dichtung

Essays, Glossen, Kommentare und Neuigkeiten aus der Menagerie der kleinen Literatur.

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Aus der bisherigen Arbeit der Ampelregierung lassen sich zwei Erkenntnisse ableiten: Erstens: Die FDP profiliert sich gern, neigt in haushaltspolitischen Fragen zum Fundamentalismus und ist daher nur bedingt regierungsfähig. Das ist nichts Neues. Die zweite, bislang eher unbeachtete Erkenntnis ist, wie reibungslos die Zusammenarbeit zwischen SPD und Grünen im Großen und Ganzen verläuft. Selbstverständlich setzen die beiden Parteien politisch unterschiedliche Akzente und unterscheiden sich aufgrund ihrer Traditionen und zivilgesellschaftlichen Verankerungen. Auch der Habitus der jeweiligen Politiker:innen ist durchaus unterschiedlich. Doch sind die Schröderschen Zeiten (»Koch und Kellner«) zum Glück lange überwunden und man begegnet sich auf Augenhöhe.

Außerdem scheinen die politischen Differenzen innerhalb der SPD (Seeheimer – Netzwerker – Parlamentarische Linke) und bei den Bündnisgrünen (von Roth/Hofreiter bis Baerbock/Özdemir) größer zu sein als zwischen den beiden Parteien. Vor allem sind Zweifel angebracht, ob eine gleichermaßen sozial und klimagerecht ausgestaltete Modernisierung der deutschen Gesellschaft gelingen kann, wenn SPD und Bündis90/Die Grünen nicht gemeinsam auf der Regierungsbank sitzen.

Die Idee

Listenvereinigungen sind bei Bundes- und Landtagswahlen nicht zulässig. Eine paritätisch, im Reißverschlussverfahren besetzte grün-rote Liste würde also die Gründung einer neuen Partei erforderlich machen. Dennoch könnte versucht werden, die bisherigen Parteistrukturen weitgehend beizubehalten und die Identität beider Parteien zu erhalten. Über die Spitzenkandidatur könnte basisdemokratisch nach dem Vorbild der US-amerikanischen Vorwahlen entschieden werden. Politische Willens- und Urteilsbildung und mediale Aufmerksamkeit wären garantiert. Auch die Übergabe der Kanzlerschaft in der Mitte der Legislatur wäre denkbar.

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Jedenfalls müssten weder Grüne noch SPD jemals wieder um den Einzug in einen Landtag bangen. Ein grün-rotes Parteienbündnis hätte vor allem die Kraft, im Bund die Union zu überflügeln und einen politischen Führungsanspruch anzumelden. Welche Energien ein aussichtsreiches Spitzenduo freisetzen kann, führen Kamala Harris und Tim Walz gerade eindrucksvoll in den USA vor. Politik lebt auch von Begeisterung und im besten Fall wäre das Grün-Rote-Parteienbündnis zusammen mehr als die Summe seiner Teile. – Die Aussicht hingegen, als grüner oder roter Juniorpartner Friedrich Merz zum Kanzler zu wählen, ist mittelschön und ruft allenfalls ein bisschen Euphorie hervor.

Status Quo

In Hessen flog der staatstragende, kreuzbrave Tarek Al-Wazir nach zehn Jahren Schwarz-Grün aus der Regierung. Boris Rhein (CDU) bootete die Grünen aus, um mit einer gerupften, handzahmen SPD eine »demokratisch-christlich-soziale Koalition« zu schmieden. Inzwischen müssen Lehrer*innen an hessischen Schulen den Genderstern als Fehler anstreichen … Außerdem haben extrem rechte Parteien und Gruppierungen das Grünen-Bashing für sich entdeckt.

In den so genannten »sozialen« Medien wird das grüne Spitzenpersonal in unerträglicher Weise durch Spott, Häme, Polemik und Fehlinformationen verächtlich gemacht. Auch Markus Söder benutzt die Grünen als Sandsack und teilt munter aus, insgeheim hofft der bajuwarische Möchtegern-Kanzler wohl auf die SPD als Juniorpartner.

2025: Vertrauensbildende Maßnahmen an der Basis

Bis zur nächsten Bundestagswahl ist die Zeit für ein grün-rotes Wahlbündnis natürlich viel zu knapp. Ein praktikabler erster Schritt könnte jedoch sein, in roten und grünen Hochburgen jeweils nur eine:n Direktkandidat:in aufzustellen. Legt man die Ergebnisse der letzten Bundestagswahl zugrunde, hätte Rot-Grün durch wechselseitigen Kandidaturverzicht sicherlich eine Reihe von Wahlkreisen mehr holen können. – Mittelfristig wäre ein grün-rotes Bündnis vielleicht das einzig probate Mittel, um im Parteiensystem einen kraftvollen, progressiven Gegenpol zur konservativen Union zu etablieren.

 

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