vonDarius Hamidzadeh Hamudi 28.06.2024

Zylinderkopf-Dichtung

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Vor fast fünf Jahren brach Höcke ein Interview ab. Das ZDF hatte ihn zu seinem Sprachgebrauch befragt. Zum Einstieg wurde er mit einem Einspieler konfrontiert. Einige AfD-Abgeordnete sollten sich zu zwei Zitaten äußern, eines lautete: »Die Sehnsucht der Deutschen nach einer geschichtlichen Figur, welche einst die Wunden im Volk wieder heilt, die Zerrissenheit überwindet und die Dinge in Ordnung bringt, ist tief in unserer Seele verankert.« Die Mandatsträger sollten die Frage beantworten, ob es sich um Zitate von Höcke oder Hitler handele.

Die Befragten wichen mehr oder weniger geschickt aus, waren aber nur auf einem kleinen Split-Screen oben rechts im Bild zu sehen. Höcke wurde in Großaufnahme gezeigt und seine Reaktion ist durchaus bemerkenswert: Die Nähe zu Adolf Hitler schien ihn keineswegs zu bekümmern. Ganz im Gegenteil quittierte er die Fragestellung »Höcke oder Hitler« sogar mit einem Schmunzeln und verfolgte im Weiteren belustigt das Gestammel seiner Parteifreunde. Das Einzige, was Höcke bedauerte, war, dass offenbar niemand sein Buch gelesen hatte.

Höckes krudes Verständnis der Bedeutung seiner Person

Nach dem Abbruch des Interviews entspann sich ein kurzer Wortwechsel zwischen Höcke, dessen Pressesprecher und dem ZDF-Journalisten. Als letzterer sich endgültig weigerte, das Interview nochmals von vorne zu beginnen, setzte Höcke den Schlusspunkt: »Passen Sie auf. Wir beenden das Interview. Nur dann ist klar. Wir wissen nicht, was kommt. Dann ist klar, dass es mit mir kein Interview mehr für Sie geben wird.« »Ist das ‘ne Drohung?« »Nein, das ist nur ‘ne Aussage, weil ich auch nur ein Mensch bin.« (…) »Was könnte kommen?«  (…) »Vielleicht werd’ ich mal ne interessante politische Person in diesem Land, könnte doch sein?« – Fast fünf Jahre später äußert Höcke sich im Mai 2024 in Hamm wieder zur Frage, welche Bedeutung seiner Person zukommt. Er erwähnt große Männer der Geschichte, die für ihr Handeln teuer bezahlt haben, und stellt sich in eine Reihe mit Sokrates, Jesus und Julian Assange.

AfD: Täter-Opfer-Umkehr als politisches Programm

Dass die AfD staatstragende Akteure und Institutionen verächtlich zu machen versucht (»Systemmedien«, »Altparteien«) und eine »Diktatur der politischen Korrektheit« beklagt, ist nichts Neues. Ein weiterer fester Bestandteil dieser »Programmatik« ist ein ausgeprägtes Freund-Feind-Schema. Die fragliche SA-Parole markiert den Schnittpunkt der aufgezeigten Linien. In dieser braun-weißen Logik gilt: Wer nicht für Deutschland ist, muss dagegen sein. Mit seinen Strafprozessen gibt Björn Höcke der Täter-Opfer-Umkehr im politischen Raum also einen neuen Spin. Diesmal geht es darum, die Justiz in Frontstellung zu vermeintlich deutschen Interessen zu inszenieren. Höcke ist redlich bemüht, in der Opferrolle des unbeugsamen Patrioten, des falsch Verstandenen, des Unwissenden zu seiner persönlichen Höchstform aufzulaufen.

Braune Poesie

»Ein paar Korrekturen und Reförmchen werden nicht ausreichen, aber die deutsche Unbedingtheit wird der Garant dafür sein, dass wir die Sache gründlich und grundsätzlich anpacken werden. Wenn einmal die Wendezeit gekommen ist, dann machen wir Deutschen keine halben Sachen. Dann werden die Schutthalden der Moderne beseitigt.«

Dies ist das zweite Zitat aus Höckes Buch, das die befragten AfD-Abgeordneten nicht zweifelsfrei Höcke oder Hitler zurechnen konnten. Beim Vergleich von Höcke und Hitler ist eine weitere erschreckende Parallele unübersehbar: Höcke schreibt, nur ein »alleiniger Inhaber der Staatsmacht« könne die »im letzten Degenerationsstadium« befindliche Demokratie ablösen. Die Wikipedia zitiert noch eine weitere Aussage: Die AfD sei »die letzte revolutionäre, […] die letzte friedliche Chance für unser Vaterland«; manchmal müsse man »das Recht in die eigenen Hände nehmen«. Es bleibt festzuhalten: Ein umfassendes Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes sähe anders aus.

Ein ausgepägter Personenkult war essenziell für den Aufstieg Hitlers an die Spitze des Deutschen Reichs. Wesentliches Element dieser Selbstmystifizierung war die zweibändige Schrift »Mein Kampf«. Hitler zeichnet darin ein stark stilisiertes Bild seines eigenen Werdegangs mit der Absicht, als politischer Führer vorneweg zu marschieren und Gefolgsleute hinter sich zu scharen. Hitler verfasste sein schwülstiges Pamphlet, während er eine Haftstrafe verbüßte, zu der er wegen des gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsches verurteilt worden war. Die Umstände der Entstehung unterstrichen die Unbedingtheit und Entschiedenheit von Hitlers Machtanspruch.

Peilt Höcke eine Freiheitsstrafe an?

Höcke bekennt im mehrfach zitierten ZDF-Interview, dass seine Sprache »manchmal vielleicht etwas zu sehr ins Poetische« gehe. Das verrät zwar wenig über den tatsächlichen Sprachstil, aber einiges über das Selbstverständnis und etwaige Vorbilder Höckes. Nach zwei Strafprozessen vor dem Landgericht Halle steht dem AfDler schon bald ein weiteres Verfahren ins Haus, diesmal wegen Volksverhetzung.

Höcke gibt vor Gericht den Unwissenden und empfiehlt sich mit seiner SA-Parole der Szene als hartgesottener Rechtsextremer. Gleichzeitig tritt er im TV-Duell mit Mario Voigt halbwegs konziliant und pseudo-staatsmännisch auf. Dieser Eiertanz ist keineswegs überzeugend und führt zu nichts. – Strebt Höcke die Rolle des verurteilten Straftäters an, dem das passive Wahlrecht entzogen wurde? Dann hätte er Zeit für ein weiteres ungelesenes Buch und die AfD endgültig ihren Zenit überschritten.

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