vonDarius Hamidzadeh Hamudi 25.03.2025

Zylinderkopf-Dichtung

Essays, Glossen, Kommentare und Neuigkeiten aus der Menagerie der kleinen Literatur.

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Markus Lanz verdanken wir den Hinweis, dass es sich bei Trumps Rohstoff-Deal mit der Ukraine in Wahrheit um blanke Erpressung handelt. Wenn man es etwas freundlicher beschreibt, stellt sich die internationale Politik für den berüchtigten Deal-Maker im Weißen Haus als eine Art Pokertisch dar. Mitspielen darf, wer genügend Geld mitbringt, um sich einzukaufen, weshalb Europa schon mal nicht mit von der Partie ist. Mit Selenskyj kam es kürzlich im Oval Office zum Showdown. Der Ukrainer spiele nur den harten Kerl (»tough guy«), bluffe gewissermaßen und – surprise, surprise – habe in Wahrheit schlechte Karten. Inzwischen scheint der selbsternannte Friedensengel aus Washington in Pokerface Putin seinen Meister gefunden zu haben. Obwohl Trump im vorauseilenden Gehorsam bereits die wichtigsten Forderungen Moskaus erfüllt hat (keine NATO-Mitgliedschaft, aber Gebietsverluste für die Ukraine), willigt Putin noch nicht einmal in einen Waffenstillstand ein, der seinen Namen verdienen würde. – Putin ist natürlich nicht entgangen, wie sehr der US-Präsident unter Druck steht. Schließlich ist Trump im Wahlkampf landauf, landab durch die Vereinigten Staaten gezogen und hat seinen Fans Frieden in 24 Stunden versprochen, bei gleichzeitiger Kürzung des eigenen Engagements. Aber der ehemalige KGB-Agent ist ein zu guter Pokerspieler, um Trump dessen eigene Worte entgegenzuhalten: »Sie sind in keiner guten Position, sie haben keine guten Karten!«¹ Stattdessen betont der Kriegsherr im Kreml, wie friedliebend er doch sei, um direkt danach Bedingungen zu stellen , pardon, »Nuancen« aufzulisten, die einer Beendigung der »militärischen Spezialoperation« leider noch im Weg stehen …

All in

Festspiele des politischen Pokers finden dieser Tage hierzulande auch abseits der Koalitionsverhandlungen statt. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl ist Friedrich Merz all-in gegangen. Um sein »Zustrombegrenzungsgesetz« durch den Bundestag zu bringen, wollte er auch die Stimmen der AfD in Kauf nehmen. Mit diesem waghalsigen Manöver hat er nicht nur die AfD gestärkt, sondern auch ein sicher geglaubtes Wahlergebnis oberhalb der 30 Prozent verspielt. – Felix Banaszak hat dem CDU-Chef vorgeworfen, sich an »die Macht gelogen« zu haben. Wie uncharmant sich diese Grünen doch aufführen! Es stimmt: Vor der Wahl hatte Merz in Sachen Schuldenbremse noch den starken Max markiert, um kurz danach eine Billionenverschuldung ins Grundgesetz zu schreiben. – Doch handelt es sich dabei nicht in Wahrheit um einen genialen Bluff?

Liberale Poker-Profis

Eigentlich ist auch Sahra Wagenknecht all-in gegangen, indem sie ihre eigene politische Zukunft an den Sprung über die 5-Prozenthürde geknüpft hat. Jetzt macht sie trotzdem weiter, was soll‘s? – Unterdessen legten die Großmeister des politischen Hasardspiels kurz vor dem Ausscheiden aus dem Bundestag eine halsbrecherische Pirouette aufs Parkett: Noch im November hatten die Liberalen auf Haushaltsdisziplin gepocht. Anstatt ein paar lumpige Ukraine-Milliarden auf Pump zu finanzieren, ließen sie lieber mit Hurra die Regierung platzen. Das hohle Pathos, mit dem Lindner anschließend im Wahlkampf die schwarze Null zu einer Gewissensfrage hochstilisierte, ist unvergessen: »Die FDP und ich haften mit unserer politischen Existenz für unsere Grundüberzeugung « Wenige Monate und eine Wahlniederlage später ist davon keine Rede mehr. Stattdessen bot der neue starke Mann Dürr der Union beim (vorerst?) letzten Auftritt im Bundestag schlankerhand eine Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens um sage und schreibe 200 Milliarden an! Und so bringt die D-Day-FDP das Kunststück fertig, ihre ohnehin schon nicht mehr messbare politische Glaubwürdigkeit restlos zu verzocken. – Chapeau!

 

Fußnote

¹ Im Gespräch mit Selenskyj polterte Trump: »You’re not in a good position. You don’t have the cards right now.«

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Bildnachweis

Markus Spiske: Pokerchips auf Unsplash.

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