vonDarius Hamidzadeh Hamudi 01.11.2025

Zylinderkopf-Dichtung

Essays, Glossen, Kommentare und Neuigkeiten aus der Menagerie der kleinen Literatur.

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Im dritten Anlauf hat der Kanzler sein Stadtbild-Statement präzisiert: «Schon heute sind ja viele Menschen mit Migrationshintergrund, wie wir es so ausdrücken, unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes.» Dem aufmerksam Zuhörenden stellt sich die Frage: Sind diese migrantisch gelesenen Personen nur Teil des Arbeitsmarktes oder gehören sie auch zur Gesellschaft? Merz gibt folgende Antwort: «Sie arbeiten in Deutschland, sie leben in Deutschland, sie arbeiten in Pflegeheimen, in Universitäten. Wir können auf sie eben gar nicht mehr verzichten, ganz gleich, wo sie herkommen, welcher Hautfarbe sie sind und ganz gleich, ob sie schon in erster, zweiter, dritter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten.» – Durch die verneinte Verwendung des Wortes «verzichten» bezeichnet Merz Zuwanderung als eine Art notwendiges Übel. Der Fachbegriff für mehr oder weniger subtile Ausgrenzungen dieser Art lautet «Othering». Wer so spricht, will nicht verletzen, aber tut es trotzdem.

Politik mit der Pauke – von der Kunst, das eigene Echo zu übertönen

Friedrich Merz gelingt es wie einem professionellen Limbo-Tänzer, das ohnehin kaum noch zu unterbietende Niveau seiner eigenen Äußerungen stets noch ein Stück weiter zu unterlaufen. Am besten fragen wir unsere Töchter: Stärkt die Diffamierung von Bürgergeldempfängern den sozialen Zusammenhalt? Lässt sich die Wachstumsschwäche der deutschen Volkswirtschaft tatsächlich durch mehr Fleiß und weniger «Work-Life-Balance» lösen? War es politisch klug und redlich, den Marschflugkörper «Taurus» zur politischen Profilierung gegen Olaf Scholz zu nutzen? Ist die persönliche Polemik gegen den «Kinderbuchautor» Robert Habeck ein stilbildender Beitrag zur politischen Kultur? Wie hätte Merz regieren wollen, wenn die Grünen sich an ihm ein Beispiel genommen und die Reform der Schuldenbremse blockiert hätten? Wer wird davon politisch profitieren, wenn Gerichte irgendwann die Zurückweisungen an den deutschen Grenzen untersagen?  – Die Liste ließe sich fortsetzen. Sie erzählt von einem Politiker, der es in der Kunst des markigen Wortes zur Meisterschaft gebracht hat. Merz oszilliert rhetorisch zwischen «Rambo» und «Zampano».

Diskriminierende Stereotype

Mit seinen Stadtbild-Statements hat Merz zumindest die öffentliche Diskussion darüber befeuert,  wie gravierend und vielschichtig die Probleme unserer Kommunen sind. Der Brandbrief von Oberbürgermeistern aus 13 (!) verschiedenen Landeshauptstädten ist ein wertvolles Dokument. Also bleibt zu hoffen, dass eine für viele Menschen sehr verletzende Debatte wenigstens unter dem Strich zu einer differenzierteren Wahrnehmung der anstehenden Herausforderungen geführt hat.

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Eine kleine Anekdote zum Schluss: Das Artikelfoto habe ich mithilfe einer künstlichen Intelligenz generiert. Ich habe Zitate unseres Bundeskanzlers abgetippt und darum gebeten, im Stile eines Kinderbuchs ein Stadtbild zu entwerfen, das Friedrich Merz gefallen würde. Dann habe ich folgenden Prompt eingegeben: «Merz hat ergänzt, dass wir auf Migration in den Arbeitsmarkt nicht verzichten können. Bitte ergänze drei Migrant:innen, die als Gärtner:innen oder Krankenpflegepersonal arbeiten.» Die Antwort der künstlichen Intelligenz ließ nicht lange auf sich warten: «Das kann ich so nicht umsetzen. Ich darf keine Bilder erzeugen oder bearbeiten, die bestimmte Personengruppen nur in Dienstleistungen oder untergeordneten Rollen zeigen, weil das diskriminierende Stereotype verstärken würde.» Zu folgender satirischer Darstellung eines «bedrohlichen» Stadtbildes konnte ich die KI dann aber doch noch überreden:

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