vonAchmed Khammas 13.07.2007

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Manchmal ist Spiegel Online ja doch noch nützlich. So z.B. mit dem aktuelle Bericht über das jüngst erschienene Werk des US-Sozialhistorikers Mike Davis ‚GESCHICHTE DER AUTOBOMBE – Tod auf Rädern’.

Denn nun erfahren die ach-so-lernfähigen Extremisten überall auch endlich die Namen und Motive ihrer sprengenden Lehrmeister aus Paris, New York und …Haifa!

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Ich möchte die interessantesten Passagen einmal zitieren:

Es war am Heiligen Abend des Jahres 1800, als das Verderben zum ersten Mal auf Rädern des Weges kam. Ein Pferdekarren, beladen mit Schießpulver und Eisenschrott, abgestellt in einer dunklen Pariser Straße, der Rue Saint Nicaise. Das war die neuartige Waffe, derer sich die royalistischen Rebellen bedienen wollten.

Ihr Ziel, der Erste Konsul Frankreichs, Napoleon Bonaparte, holperte langsam und nichts ahnend in einer Kutsche der Uraufführung des Haydn-Oratoriums “Die Schöpfung” entgegen. Der mächtige Mann schlief, als plötzlich mit einem gewaltigen Knall die erste Bombe auf Rädern in der Menschheitsgeschichte detonierte. Sie riss vier Menschen in den Tod und verletzte 60 weitere. Napoleon blieb unverletzt.

(…)

Der Siegeszug der Bombe auf Rädern in den vergangenen Jahrzehnten geht (dann) zurück auf einen Anschlag in den USA. Offenbar von dem frühen Attentat auf Napoleon inspiriert, wagte der italienische Anarchist Mario Buda im September 1920 eine Attacke auf das Zentrum des US-Wirtschaftssystems, auf die Wall Street. Buda wollte die Inhaftierung seiner “besten Freunde” Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti rächen. Er belud einen Pferdekarren mit Eisenschrott und vermutlich auch mit gestohlener Sprenggelatine. Er parkte das tödliche Vehikel vor dem Bankhaus J. P. Morgan und machte sich mit dem Mittagsläuten der Dreifaltigkeitskirche aus dem Staub.

Noch ehe die Glocken verklungen waren, detonierte die Kutsche in einem riesigen Feuerball. Passanten wurden von umherfliegenden Metallteilen niedergemäht, Fenster zerbarsten, Markisen und Autos fingen Feuer. 40 Tote und mehr als 200 Verletzte zählten die Behörden schließlich. Der Vater des späteren Präsidenten John F. Kennedy, Joseph P. Kennedy, der gerade über die Straße ging, erlitt einen Schock. Der Bankier Jack Morgan jedoch, gegen dessen Institut sich der Angriff richtete, blieb unverletzt. Er weilte in Schottland, als die Bombe explodierte.

Doch erst Jahre später, am 12. Januar 1947 nämlich, sei die Autobombe zu einer “expliziten Waffe städtischer Kriegführung” geworden. Damals parkte die rechtszionistische “Stern-Bande einen Lastwagen voller Sprengstoff vor einer britischen Polizeistation im palästinensischen Haifa und zündete die mobile Bombe. Vier Menschen starben, 142 wurden verletzt. “Die Stadt bebte, im ganzen Viertel waren die Straßen mit Glas und Splittern übersät”, notierte ein US-Korrespondent.

(…)

Im August 1970 hätten dann einige radikale Studenten der Universität von Wisconsin die “Pforten zur Hölle” aufgestoßen:

In einer Broschüre der Jagd- und Fischereibehörde (Titel: “Grubensprengungen für wildlebende Tiere”) hatten Vietnamkriegs-Gegner eine Bombenbau-Anleitung entdeckt. Diese war eigentlich für Landwirte gedacht und erklärte, wie sich mit Hilfe einer kraftvollen Sprengstoffmischung aus Kunstdünger und Diesel Ententeiche in den Boden bomben lassen.

Doch die Aktivisten der Gruppe “Studenten für eine demokratische Gesellschaft” wollten kein künstliches Gewässer für frei lebendes Federvieh anlegen. Am 23. August 1970 mischten sie 800 Kilogramm Ammoniumnitrat, das sie für 48 Dollar in einem Genossenschaftsladen gekauft hatten, mit 80 Litern Diesel. Sie luden das Ammonium Nitrate Fuel Oil (ANFO) in einen Ford-Lieferwagen vom Typ Ecoline – und zündeten das Gebräu mit der Sprengkraft von 3400 Stangen Dynamit vor dem mathematischen Forschungszentrum der US-Armee in Madison.

Die gewaltige Detonation erschütterte den gesamten Campus, riss eine Außenwand des Hauptgebäudes weg und beschädigte umliegende Häuser. Ein junger Physiker wurde getötet, mehrere Studenten erlitten Verletzungen.

(…)

Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,493412,00.html (Der link wurde von mir eingebaut)

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