vonAchmed Khammas 07.02.2011

Der Datenscheich

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Es ist mir etwas peinlich zugeben zu müssen, daß ich für die erste Hälfte dieses Buches mehrere Jahre gebraucht habe. Dafür hat die zweite Hälfte dann nur noch wenige Tage gedauert.

Eines sollte klar sein, Fesselndes Arabisch von Robert Marzari, das im Verlag meines Freundes Hans Schiler erschienen ist, erfordert ein umfangreiches Verständnis des Arabischen, denn es geht darin um ‚Strukturelle Schwierigkeiten und künstliche Barrieren in der arabischen Sprache’ – so der Untertitel. Was eindeutig ein Understatement ist!

Doch gerade in dieser, am südlichen und östlichen Rand des Mittelmeers so umstürzlerischen Zeit ist eine dermaßen fesselnde Analyse der Hinter- und Gründe für das durch Sprache, Grammatik und Schrift dominierte Denken und Selbstverständnis der Menschen in den Arabisch sprechenden Ländern eigentlich unbezahlbar.

Obwohl ich selbst in Damaskus zur Schule gegangen bin und ein arabisches Abitur im wissenschaftlichen Zweig mein Eigen nenne, habe ich erst nach der Lektüre von Marzanis Fleißarbeit verstanden, warum ich nie Lust hatte (und habe), Bücher in Arabisch zu lesen. Und warum bestimmte soziale, wissenschaftliche, technische und möglicherweise auch politische Entwicklungen dermaßen stark von Sprache und Schrift abhängen, daß es schon fast erschreckend ist.

Grund dafür ist der Mechanismus der Sprache, der das Denken wie eine Kompaßnadel ausrichtet … gen Zukunft und Fortschritt, an dem man auch selbst lernend, wissend, planend und umsetzend Anteil hat (!) – oder gen Vergangenheit, wo man für immer feststeckt, weil bei Bau des linguistischen Gebäudes einfach die Tür ins Morgen vergessen wurde – oder wurde sie etwa zugemauert?

Wer sich mit der arabischen Sprache und Kultur beschäftigt, darf auf keinem Fall an diesem Buch vorbeigehen – und ich selbst habe mir vorgenommen, es mindestens noch einmal zu lesen. Aber diesmal etwas schneller, denn sonst „wird es gefährlich für denjenigen, der nicht auf das Leben reagiert“ – wie die korrekte Übersetzung des berühmten Gorbi-Zitats mit dem Zu-spät-kommen lautet (S. 80 f.).

Und für alle, die bis hier noch immer nichts verstanden haben, sollte ein Absatz des hier ebenfalls zitierten ungarisch-jüdischen Orientalisten Raphael Patai aus seinem 1983 erschienenen Werk The Arab Mind erleuchtend wirken:

„Die verbale Äußerung – sei es nun eine Drohung oder eine Absichtserklärung – erhält [bei den Arabern] eine solche Bedeutung, daß es gar nicht mehr wichtig ist, ob sie auch ausgeführt wird. Doch dies ist keine ‚Verwechselung’ von Wort und Handlung, sondern eher eine psychologisch veranlagte Ersetzung der Handlung durch Worte.“

Ich denke, nun wird so einiges klar, was in der arabischen Welt – nicht – passiert.
Oder noch nicht, um optimistisch zu bleiben…

😉

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