vonAchmed Khammas 24.01.2013

Der Datenscheich

Erneuerbare Energie, Science Fiction, Technikarchäologie und Naher Osten – verifiziert, subversiv, authentisch.

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Ich gebe zu, ich bin überrascht, daß ein deutscher Autor eine derartig gewaltige Space Opera schreiben kann: Pulsarnacht von Dietmar Dath. WOW! Ein schier unglaubliches Feuerwerk an Ideen, Alienrassen, Abgründen und hintersinnigen Wendungen. Das Buch läßt sich jedoch nicht auf wenige Zeilen reduzieren – sodaß ich hier nur die Empfehlung aussprechen will: Kaufen! Lesen!!

Von Paul McEuen habe ich den SF-Thriller Spirale gelesen (2010), bei dem es um einen Pilz geht, der tausendfach gefährlicher als jedes Virus ist; von Patrick Lee Das Labyrinth der Zeit (2012), in dem Zeitreisen nur zurück in den eigenen Körper – als Kind beispielsweise – möglich und nötig sind, um die Welt zu retten; von Gareth Powell den Roman Sternentor (), eine knallige Space-Action; sowie von Hugo-Award-Gewinner Will McIntosh Wie die Welt endet (2011), eine überaus detaillierte Dystopie, in welcher die Überlebenden als Nomadenstämme umherziehen und Energie gegen Lebensmittel zu tauschen versuchen, während sie von den Resten der Verwaltung drangsaliert werden (und die Handys noch immer funktionieren!).

Und natürlich habe ich auch noch einen Haufen älterer SFs gelesen – die teilweise schon seit vielen Jahren in den Regalen Staub ansetzen, nachdem ich sie damals das erste Mal verschlungen hatte. Besonders köstlich sind beispielsweise die drei Zeitnomaden Romane von Michael Moorcock ‚(1971 – 1981), in denen mit britischem Understatement die Abenteuer von Captain Oswald Bastables erzählt werden, wobei jede Menge Luftschiffe … aber auch Personen der Geschichte wie ‚Graf’ Dutschke, Ghandi, Kennedy sowie ein cholerischer Pfadfinderführer namens Reagen vorkommen. Etwas weniger detailreich ist Terraplane von Jack Womack (1988), in dem es ebenfalls um eine Zeitmaschine geht, wobei diesmal Tesla als einer der Protagonisten herhalten muß. In diesem Roman tauchen der Großmufti von Jerusalem, Hitler und der Zeppelin Hindenburg auf – doch das Gewebe wirkt etwas dünn. Sehr zu empfehen – weil unglaublich schräg – ist der Roman Die Fliegen der Erinnerung von Ian Watson (1990), in dem eine ausgesprochen seltsame außerirdische Invasion erfolgt, bei der sich die Besucher eher wie Touristen verhalten. Zwar wird die Münchner Innenstadt auf den Mars versetzt (3 Überlebende!) und motiviert die Menschheit dadurch, endlich aus ihrem irdischen Kokon zu schlüpfen, doch genau verstehen, was die Außerirdischen eigentlich wollen, schafft niemand. Ein Buch, das neben seinem Lesespaß auch zum Nachdenken anregt. Der Konflikt zwischen einer brutalen, herrschenden Machtclique und dem Rest der Menschheit (äh… das ist doch gar nicht SF…!) ist Inhalt des Romans Das Exil von Michael P Kube McDowell (1992). Neben der Beschreibung einer Platzbesetzung, die fatal an den Tahrir-Platz in Kairo ‚erinnert’, schwingt eine gewisse Traurigkeit und Machtlosigkeit in dem Roman mit, der wirklich nichts für schlichte Gemüter ist. Ein ganz anderes Kaliber ist dann schon Nemesis von Issac Asimov (1989), obwohl dieser nie und nimmer das Niveau eines A. C. Clarke – oder in neuerer Zeit eines D. Brin – erreicht. Eine nettes Weltraum-Epos, in dem sich ein Stern direkt auf die Erde zu bewegt und diese bald vernichten wird. Eine Empfehlung verdient der Roman Wolfs Garn von Phillip Mann (1990), in welchem der autoSchreiber Wolf die tragische Geschichte von Kapitän Jon Wilberfoss beschreibt, der im Auftrag des Ordens des hl. Franziskus-Dionysos eines der gewaltigen Raumschiffe befehligte, mit denen der Orden Aliens rettet. Besonders interessant ist das eigentlich nicht-religiöse, oder wenn schon, dann eher pagane Spannungsfeld, in dem sich die ganze Geschichte aufrollt und für viele Denkanregungen sorgt. Charakteristisch ist dafür das folgende Zitat, das – leider, leider – nur allzu zutreffend ist: „Die christliche Religion und ähnlich ausgerichtete Religionen haben die seelische Entwicklung der Menschheit für mehr als zweitausend Jahre behindert, sie haben die Geschlechter durch Mißtrauen und Argwohn entzweit und dem Menschen die Furcht vor irdischen und fleischlichen Genüssen eingeimpft.“

Sehr fremde Fremde findet man in dem Roman Die Waffe der Begeisterung von Jeffrey A. Carver (1987), in dem ein  Krieg zwischen der Menschheit und den Ell beschrieben wird, der letztlich von einer rebellierenden KI und einer Gruppe höchst eigenwilliger Individualisten friedlich beendet wird… im allerletzten Moment. Ein Lesegenuß ist Die Föderation von James White (1997), bei dem ist um Erstkontakt-Spezialisten geht – und eine schier unglaubliche Vielzahl unterschiedlicher Lebensformen und Intelligenzen, mit denen diese zu tun bekommen … sowie Das Computer-Komplott von John McLaren (1997), in dem ein Software-Entwickler seinen eigenen Tod digital überlebt – und sich aus dem Netz heraus an all seinen ehemaligen Widersachern rächt. Herrlich! Ebenso begeistert hat mich Der kurze Schlaf von Jonathan Lethem (2004), in welchem uns der überaus beliebte Archetyp des abgehalfterten, zynischen und drogensüchtigen Privatermittlers wieder begegnet, dessen Schwächen ach so nachvollziehbar – und dessen kleine Siege um so erfreulicher sind. Einige der Einfälle in diesem Buch sind dermaßen seltsam, daß ich sie hier nicht aufdecken werde … sondern nur die Lust anregen möchte, sie selbst herauszufinden.

Ganz besonders berührt hat mich Armageddon Rock von George R.R. Martin (1983), in dem eine Band mit ihrer Musik die Apokalypse entfesselt – bis die Toten wieder auferstehen. Ein Buch mit viel Liebe zur Rockmusik, nicht gerade weißer Magie und diversen überraschenden Wendungen. Und einmal mußte ich fast weinen, denn genau diese Frage stellt sich mir seit inzwischen über 30 Jahren: „Mit uns! Was ist mit uns passiert!“ „Mit dir und mir, Schatz?“ „ Mir dir und mir“, wiederholte er, „und mit Bambi Lassiter, mit Jared Patterson, mit Gopher John Slozewski, mit Jamie Lynch, mit Froggy uns Slum, mit Jerry Rubin und Angela Davis, mit Dylan und Lennon und Jagger und den Weatherman und den Sieben von Chicago und William Kunstler und Gene McCarthy und dem SDS und … und mit L. Stephen Ellyn, um Himmels willen! Was ist mit uns allen passiert? Mit jedem?

 

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