vonHans Cousto 17.04.2014

Drogerie

Aufklärung über Drogen – die legalen und illegalen Highs & Downs und die Politik, die damit gemacht wird.

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Die Bundesdrogenbeauftragte Marlene Mortler (CSU) und der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, stellten am Donnerstag, 17. April 2014, in Berlin die „Rauschgiftlage 2013“ vor. Dabei wurde den sogenannten „Drogentoten“ viel Aufmerksamkeit geschenkt. Im Jahr 2013 starben in Deutschland 1.002 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Damit stieg die Zahl der „Drogentoten“ in Deutschland erstmals seit 2009 wieder an – aktuell um rund 6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Mehrzahl der Rauschgifttoten war weiterhin männlich (83 Prozent), das Durchschnittsalter lag – wie im Vorjahr – bei rund 38 Jahren.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, erklärt dazu: „Trotz des positiven Trends mit langfristig sinkenden Drogentodeszahlen sterben jedes Jahr nach wie vor zu viele Menschen an den Folgen des Konsums illegaler Drogen. Dass wir im letzten Jahr einen leichten Anstieg zu verzeichnen hatten macht deutlich, dass wir in unseren Bemühungen um die Drogenprävention und in der Suchthilfe nicht nachlassen dürfen. Wenn rechtzeitige Hilfe zur Verfügung steht, können Überdosierungen verhindert werden.

Als positives Zeichen der neuen Erhebungen können wir feststellen, dass bei den unter 30-Jährigen die Todesfälle im Vergleich zum Jahr 2012 deutlich gesunken sind. Erst ab der Altersklasse der über 30-Jährigen stiegen die Drogentodeszahlen an. Prävention muss frühzeitig ansetzen, damit sie wirken kann und langjährigen Drogenabhängigen muss noch zielgerichteter geholfen werden.

Bayern liegt bei Flächenstaaten vorn

In Bayern gab es letztes Jahr 230 „Drogentote“. Das waren 8,0% mehr als im Jahr 2012 und 29,9% mehr als im Jahr 2011. Pro 100.000 Einwohner gab es in Bayern letztes Jahr 1,8 „Drogentote“, ein Drittel mehr als im Bundesdurchschnitt, der bei 1,2 lag. Von den Flächenstaaten lag nur noch Hessen mit 1,5 „Drogentoten“ pro 100.000 Einwohner über dem Bundesdurchschnitt.

Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Flächenstaaten der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013

Abbildung 1 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Flächenstaaten der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2013. Die Flächenstaaten im Osten Deutschlands mussten im Schnitt weit weniger „Drogentote“ registrieren als die im Westen des Landes. Und Bayern lag übrigens nicht nur 2013 über dem Bundesdurchschnitt, sondern schon kontinuierlich seit 2007, wie die folgende Abbildung zeigt.

Häufigkeit von Drogentodesfällen in Bayern und in Deutschland als Zeitreihe von 1994 bis 2013

Abbildung 2 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in Bayern und in Deutschland als Zeitreihe von 1994 bis 2013. Einzig im Jahr 2006 lag Bayern unter dem Bundesdurchschnitt, in den Jahren 1995, 1997, 1999, 2002 und 2005 lag Bayern etwa beim Bundesdurchschnitt und in allen anderen Jahren darüber. Es gibt gemäß dieser Statistik keinen Anlass für die Vermutung, dass die härtere Gangart in der Drogenpolitik (Verbot von Fixerstuben, hohe Kontrolldichte) positive Auswirkungen auf die Schadensminderung hat.

Große Städte stärker betroffen

Heroinkonsumenten ziehen gerne in große Städte, da es dort meistens eine bessere Infrastruktur für die medizinische Versorgung gibt. Dies gilt insbesondere für die Substitution mit Methadon und Buprenorphin sowie in einigen Städten für die Originalstoffvergabe (Diamorphin). Durch die Zuwanderung von Opiatabhängigen ist die Häufigkeit von „Drogentoten“ in großen Städten oftmals deutlich größer als auf dem Land.

Erst nach der Grundsatzentscheidung durch das Bundesgerichtshof am 17. Mai 1991 zur Therapiefreiheit des Arztes und zur Zulässigkeit der Methadonbehandlung wurde vom Gesetzgeber das Betäubungsmittelgesetz am 9. September 1992 dahingehend geändert, dass bei bestimmten Indikationen, auch sozialen, die Substitution zulässig war. Nach der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes im September 1992 wurde auch die Verschreibungsverordnung für Betäubungsmittel 1992 und 1994 den richterlichen Vorgaben angepasst und erweitert, so dass sich die ärztliche Verschreibung von Ersatzdrogen wie Methadon und Levomethadon in den neunziger Jahren als anerkannte Methode zur Behandlung der Heroinabhängigkeit etablieren konnte.

Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Stadtstaaten und ausgewählten Städten im Jahr 2013
Abbildung 3 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Stadtstaaten und ausgewählten Städten im Jahr 2013. Essen, Hannover und Bremen liegen unter dem Bundesdurchschnitt, Mannheim und München übertreffen diesen um mehr als das Doppelte, Berlin knapp, Hamburg, Frankfurt am Main und Köln um mehr als das Dreifache und Nürnberg sogar um mehr als das Fünffache.

Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg als Zeitreihe von 1994 bis 2013
Abbildung 4 zeigt die Häufigkeit von Drogentodesfällen in den Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg als Zeitreihe von 1994 bis 2013. Um die Jahrtausendwende musste Bremen die meisten „Drogentoten“ registrieren, während in Hamburg die Zahl der „Drogentoten“ stetig im Sinken war. Dies lag in der Tatsache begründet, dass Hamburg bereits 1994 die ersten Fixerstuben (Gesundheitsräume, Injektionsräume) in Betrieb nahm, während in Bremen in  der Folge nach der Beschlagnahmung des „Drug-Mobils“ (Fahrbare Fixerstube) des Hamburger Vereins Freiraum e.V. im Sommer 1997 in Bremen das Stadtamt der Bremer Innenbehörde in geradezu zynischer weise mitteilte: „Die Gesundheit der Bevölkerung sowie die körperliche Integrität und das Leben des Einzelnen könnten dadurch [durch Fixerstuben, Anm. d. Red.] Schaden nehmen. Vor diesen Gefahren ist die Allgemeinheit zu schützen.

Frankfurt am Main war die erste Stadt in Deutschland, die Fixerstuben zugelassen hat. In Frankfurt am Main haben Fixerstuben den Segen des Oberstaatsanwaltes Harald Körner, der im Jahr 1993 in einem Rechtsgutachten (Gutachten zur Zulässigkeit von Gesundheitsräumen für den hygienischen und stressfreien Konsum von Opiatabhänigen) die Zulässigkeit von Fixerstuben festgestellt hat. So war es verschiedenen Trägervereinen in der Mainmetropole möglich Fixerstuben, die amtlich ursprünglich Gesundheitsräume, später dann Konsumräume genannt werden, einrichten zu können. Seit der Eröffnung der ersten Fixerstuben in der Bahnhofsgegend im Jahr 1994 sind die Notarzt-Einsätze dort drastisch zurückgegangen wie auch die Zahl der registrierten „Drogentoten“. Die Zahl der sogenannten „Drogentoten“ sank in der Zeit von 1991 bis 1997 um mehr als das Sechsfache, von 147 im Jahr 1991 auf 22 im Jahr 1997. Keine andere Stadt konnte eine so erhebliche Minderung verzeichnen wie Frankfurt am Main.

Heimarbeit für die Drogenbeauftragte Mortler

In Nürnberg gab es pro 100.000 Einwohner im Jahr 2013 etwa 6,1 „Drogentote“, in Kempten im Allgäu sogar 9,3. In keiner andern deutschen Großstadt gab es im gesamten Jahr so viele „Drogentote“ in Relation zur Einwohnerzahl. Dennoch bleiben die Behörden in Bayern absolut lernresistent, setzen nach wie vor primär auf repressive Maßnahmen und verhindern die Etablierung von Maßnahmen zur Schadensminderung wie beispielsweise Fixerstuben.

Wörtlich heißt es zur Situation in Kempten in den Allgäuer Nachrichten: „Ein Grund könnte sein, dass die Vergabe des Substitutionsmittels Methadon für Ärzte rechtlich immer schwieriger wird. Im Allgäu wurden in diesem Jahr sogar Ärzte wegen falscher Vergabe des Mittels verurteilt. Viele schrecken daher vor der Behandlung zurück. Die Folgen haben die betroffenen Patienten zu tragen: sie haben es immer schwerer, Hilfe zu finden.

Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, wuchs im Nürnberger Land in Franken (Nordbayern) auf und war bisher dort auch politisch aktiv. Für Mortler ist jetzt echte „Heimarbeit“ angesagt, um dem Drogenelend in der fränkischen Metropole und dem Bundesland Bayern Einhalt zu gebieten. Deshalb muss sie dafür sorgen, dass auch in Bayern der Schadensminderung eine höhere Priorität eingeräumt wird als der Repression.

Vergleiche hierzu in diesem Blog

07.04.2014: Der Krieg gegen Drogen fördert die Ausbreitung von Infektionskrankheiten
16.12.2013: Wieder mehr Drogentote?
04.12.2013: Die CSU und der Drogentod
30.12.2010: Die Tragödie von Nürnberg

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https://blogs.taz.de/drogerie/2014/04/17/2013-wieder-mehr-drogentote/

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kommentare

  • @ Max Mustermann

    Berlin hatte am 1. Januar 2013 gemäß Bundesamt für Statistik 3.375.222 Einwohner und im Jahr 2013 gemäß Bundeskriminalamt 119 „Drogentote„. Nach Adam Riese sind das 3,53 „Drogentote“ pro 100.000 Einwohner. Die Angabe im Artikel ist somit richtig. Es wurde somit nichts bewusst gefälscht. Ich möchte Sie bitten in Zukunft besser zu recherchieren, bevor Sie jemanden Fehler oder gar eine Fälschung unterstellen.

  • Ihr Artikel ist schon etwas her, ich weiß. Aber trotzdem möchte ich die hier falschen Zahl nicht so einfach stehen lassen. In Berlin gab es laut dem statistischen Bundesamt rund 1,4 % Drogentodesfälle und nicht wie von Ihnen beschriebenen 3,5 %. Ich weiß nicht, ob das der einzige Fehler ist und ob Sie das bewusst gefälscht haben oder Ihnen nur ein Fehler unterlaufen ist. Trotzdem möchte ich Sie bitten in Zukunft besser zu recherchieren. Damit nicht irgendeiner, der diese Zahlen braucht, falsche Notizen sich macht.

    LG

  • Gerade höre ich in den Nachrichten, dass am Cannstatter Wasen traditionell das Drogenfass angestochen wurde. Mehrere zehntausend Todesopfer jedes Jahr! Aber kein Staatsanwalt klagt die (…) Drogenbeauftragte an! Wahnsinn! Aus Verzweiflung folgt einfach: legal … scheißegal.

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