vonPaul Wrusch 06.12.2010

taz Hausblog

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„Ich will was über die Heimatliebe der Linken schreiben“, sagt der Schriftsteller Feridun Zaimoglu in der großen Konferenz am Montagmorgen. „Das werde ich verhindern“, entgegnet Autor Imran Ayata. Es wird ihm nicht gelingen.

Die Gruppe der 14 GastredakteurInnen für die Sonderausgabe der taz vom Dienstag, den 7. Dezember, ist heterogen zusammengesetzt. Für die freundliche Übernahme haben die taz-RedakteurInnen ihren Platz in der ersten Reihe im Konferenzraum geräumt. Vier Seiten sind bis zum Spätnachmittag zu füllen. Bevor jeder seine Ideen vorstellt, besteht aber Diskussionsbedarf. Für diese Ausgabe hat Henryk M. Broder ein Interview mit Thilo Sarrazin geführt. „Können wir die noch rausschmeißen?“, fragt Linkspartei-Politikerin Sevim Dagdelen. „Ohne Sarrazin säßen wir heute nicht hier, wir müssen ihn zu Wort kommen lassen“, antwortet ZDF-Moderatorin Dunja Hayali.

Am Mittag ist es erstaunlich ruhig in den Redaktionsräumen. Es werden Ideen besprochen und verworfen, Texte gelesen und gekürzt. Die Gäste haben sich in vier Gruppen aufgeteilt. Alle haben ihre Ideen mitgebracht, manche auch schon einen Text – der oft viel zu lang ist.

„Wir wussten schon nach fünf Minuten, wie wir unsere 300 Zeilen füllen“, sagt Autorin Hatice Akyün. „Feriduns Text über die Heimatliebe der Linken wird der Aufmacher, ich werde eine Glosse zur Dankbarkeit von MigrantInnen schreiben.“

Andere Gruppen brauchen länger. Eigentlich wollte Moderatorin Mo Asumang ein Interview, das sie mit dem 2009 verstorbenen Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger für den Film „Roots Germania“ führte, in Schriftform bringen. „Das funktioniert nicht“, sagt Schwerpunktredakteurin Frauke Böger. Asumang schreibt um: Jetzt berichtet sie in einem Fließtext von ihrer Begegnung mit Rieger.

Heftig diskutieren die GastredakteurInnen über die Titelseite. Der Vorschlag der heutigen Chefredaktion, mit der Schlagzeile „Made in Germany“, der Deutschlandflagge und dem Namen aller Beteiligten aufzumachen, stößt bei einigen auf Unverständnis. „Ich will nicht Schwarz-Rot-Gold abfeiern“, sagt Dagdelen. Ayata will die Pässe der Gastredaktion abdrucken unter der Schlagzeile „Wir sind hier“. Zaimoglu verteidigt die schwarz-rot-goldene Idee: „Die Ermächtigung der Flagge durch Migranten ist Provokation für die Nazis.“ Die Diskussion wird in kleinerer Runde fortgesetzt. Am Ende steht ein Kompromiss: Die mit Wachsmalstiften gemalten Deutschlandfarben unter der Überschrift „Ein schöner Land“. Die Unterzeile: „Fragen sich“ – und dann folgt die Liste der Beteiligten.

„Es läuft alles sehr entspannt und professionell“, sagt Klaus Hillenbrand am Nachmittag. Er ist als CvD sonst für die Titelseite zuständig. Heute berät er nur. „Ich bin guter Dinge, dass wir bis 17.00 Uhr alle Seiten fertig haben.“ Er wird recht behalten – und das Ergebnis gibt es am Dienstag in jedem gut sortierten Zeitungskiosk.

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https://blogs.taz.de/hausblog/schwarz-rot-gold_-_muss_das_sein/

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kommentare

  • ist ja alles schön gut, auch etwas provokativ etc….
    aber warum muss es dann eigentlich stets auf so einem niedrigen level bleiben? „rechte lebenslügen“, „linke lebenslügen“, die gute mitte, der rest ist extremismus etc.
    was als progressiv zu beginnen scheint, entpuppt sich schnell in form als ein wasserläufer, der nicht ansatzweise den grund erkennen kann.

  • Ich war gespannt und finde solche Experimente generell erstmal nie verkehrt. Ich bedanke mich also für euren Mut!

    Aber im Detail haben mir so manche Artikel nicht wirklich viel gegeben. Die Subjektivität war natürlich schon im Konzept angelegt, aber für eine Tageszeitung waren es mir dann doch ganz ganz deutlich zu viel Meinung/Beschreibung ohne wirkliche Substanz.
    Als ganz schlimmes Beispiel: „Linke Lebenslügen“ gleich am Anfang…ausschließlich bloße Meinungen/Hypothesen ohne jegliche Erläuterungen/Begründungen. Ich habe mehrere solche Artikel nachher nicht mehr wirklich zuende gelesen, weil sie für mich als Leser einfach keinen Wert besitzen. Ich habe ja ein Informationsmedium und keine Literatur abonniert.

  • @Du
    Broders Blog ist nicht „Politically Incorrect“, sondern die „Achse des Guten“, wobei die beiden Blogs natürlich schon geistesverwandt sind.
    Inhaltlich hast du aber völlig recht: es ist nicht nachzuvollziehen, warum die taz meint, diesen unsäglichen, dank politisch wichtigerer Themen grade endlich wieder ein bisschen zur Ruhe kommenden „Diskurs“ unbedingt jetzt auch noch bedienen zu müssen. Ausser Auflagensteigerung fällt mir nichts ein. Liebe verantwortliche Redakteure: Lest dich bitte mal euern eigenen Artikel zur Heitmeyer-Studie unter
    http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/das-buergertum-verroht/
    und versucht, den mit dieser „Deutschland-Taz“ in Beziehung zu setzen (Hinweis: ist gar nicht schwer!). Findet ihr es danach wirklich immernoch in Ordnung, Hasspredigern (im Sinne dieser Studie) wie Sarrazin, Bolz, Broder (die Liste wäre leider praktisch bleibig forsetzbar, z.B. mit Westerwelle, Köppel, Kelek, Dorn, …) ein Forum zu geben?

  • Allein schon „Ohne Sarrazin säßen wir heute nicht hier“. Da wird nicht nur der Alltagsrassismus in Dtl nicht erkannt. Es wird einem Rassisten auch noch eine Plattform geboten sich zurechtfertigen. Befrgat von einem Rassisten (Broders Blog Politically Incorrect diffarmiert Menschen die als Muslime bezeichnen schlimmer, als Neonazis es in der Öffentlichkeit je tun werden. Damit ergibt sich die taz den rassistischen Strukturen in Deutschland und mischt in dem rassistischen Diskurs mit, ohne ihn zu hinterfragen. Mit ihrer Deutschlandausgabe und ohne jegliche ideologische Prinzipien siedelt sich die taz selbt in der politischen Mitte der Medienlandschaft an. Wie spiegelonline. Na denn

  • „Für diese Ausgabe hat Henryk M. Broder ein Interview mit Thilo Sarrazin geführt“
    Alternative Meinungen in allen Ehren aber sollten man Hasspredigern wirklich eine Plattform liefern?
    Ist die Auflage so wichtig?

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