vonhausblog 08.03.2011

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Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Einblicken, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Ines Pohl
Ines Pohl

Im Medienmagazin von RadioEins hat Moderator Jörg Wagner mit taz-Chefredakteurin Ines Pohl über die jüngste BILD-Anzeige in der taz gesprochen. Wir dokumentieren hier den entsprechenden Auszug aus dem längeren Interview (Download als mp3), in dem es zuvor um Zynismus in Medien ging:

Jörg Wagner: … Und als hätte man noch ein Beispiel gebraucht, hat die BILD-Zeitung in der taz eine Anzeige geschaltet mit einem geklauten Text von Judith Holofernes von „Wir sind Helden“. Ist das nicht auch zynisch, dass man zum Streikbrecher wird als taz?

Ines Pohl: Streikbrecher verstehe ich nicht, warum Streikbrecher?

Jörg Wagner: Na ja, in diesem Text wird ja eindeutig klar, dass Judith Holofernes eine Werbekampagne ausschließt für die BILD-Zeitung. Dieser Text wurde als Werbeanzeige geschaltet und ihre eigene Haltung wird damit paralysiert. Das ist wie wenn man streikt und dann gehen doch Arbeiter ins Werktor. Die Botschaft ist: Du kannst sagen, was Du willst, Du wirst – unabhängig von Deinem Willen – eingespannt für eine Werbekampagne. Und da hat die taz mitgeholfen.

Ines Pohl: Nein, ich sehe das ganz anders. Zum einen vorweggeschickt: In der taz ist wie in jedem anderen ordentlichen Zeitungshaus eine strikte Trennung zwischen Redaktion und Anzeigen. Die Redaktion verfügt gar nicht über die Hoheit, zu entscheiden, ob eine Anzeige erscheint oder nicht, wenn die Anzeige – das ist im Redaktionsstatut der taz festgeschrieben – nicht rassistisch, sexistisch oder kriegsverherrlichend ist. Diese Kritierien treffen bei der Anzeige nicht zu. Deshalb liegt die Verantwortung für das Schalten dieser Anzeige wirklich in der Verantwortung des Verlages. Zum Inhalt der Anzeige muss man sagen: Der Brief von Holofernes war ja in der Öffentlichkeit. Es ist nicht so, dass da urheberrechtliche Grenzen meiner Meinung nach überschritten wurden. Sie hat den selber ins Internet gestellt, er wurde zehntausenfach geklickt, es ist ein Supertext. Ich kann natürlich auch sagen, sie hat dadurch noch eine ganz andere Aufmerksamkeit gekriegt, dass die BILD-Zeitung dafür gezahlt hat, dass der ganze Text auf einer ganzen Seite abgedruckt wird. Ich verstehe es schon, dass man es kritisieren mag, dass es der BILD-Zeitung darüber gelingt, über diese Finte, dass sie sagt: Danke, dass Sie sogar unbezahlt Werbung machen – dass man das kritisiert. Aber nochmal: Das liegt in der Verantwortung des Verlages und so belassen wir das auch. Und was wir auch gemacht haben, und das haben die aufmerksamen taz-LeserInnen gesehen: Wir haben auf einer ganzen Seite ein Interview mit ihr abgedruckt, wo sie nochmal diesen Brief erklärt, aber auch konkret Stellungt beziehen kann und auch die Anzeigenschaltung kritisiert. Da sind wir transparent. Das (die BILD-Anzeige, d. Red.) ist auch durchaus im Haus umstritten: Es ist nicht so, dass alle Kolleginnen und Kollegen das richtig finden. Aber wenn wir immer nach der Meinung des Hauses gehen – das darf ich hier auch sagen, so transparent sind wir – hätten wir gar keine Anzeigen. Und ich persönlich bin froh, dass Anzeigen ein bisschen Geld in den Säckel spülen, weil wir sind immer knapp bei Kasse. wir werden von dieser BILD-Anzeige ungefähr 10.000 Euro übrig behalten, davon kann ich vier, fünf, sechs wichtige Recherchen finanzieren und insofern geht die Rechnung für uns auf.

Jörg Wagner: Also ist das tatsächlich eine Bestätigung des alten Spruchs: Jeder hat seinen Preis? Auch die taz?

Ines Pohl: Richtig ist, dass der Platz in der taz – im Printprodukt wie auf der Online-Seite – seinen Preis hat. Ja, den kann man kaufen, um Anzeigen zu schalten.

Jörg Wagner: Auch wenn er – und das wäre jetzt mein Vorwurf – persönlichkeitsrechtsverletzend ist, weil offenbar – und das kam ja in dem taz-Interview mit Judith Holofernes raus – sie sich wundert, dass die taz da mitmacht. Das ist noch etwas anderes als eine Vervielfältigung des Textes. Hier wird geworben, ausdrücklich geworben, mit einem Text, in dem sie sagt: Sie möchte nicht, dass mit ihr geworben wird.

Ines Pohl: Das ist diese Brechung, das hat schon fast etwas Masochistisches, richtig. Das muss sie klären, im Zweifelsfall kann sie gegen den Springer-Verlag klagen. Sie hat begründet, warum sie das nicht macht. Aber nochmal: Das ist Entscheidung des Verlages und nicht der Redaktion, da müssten Sie mit unserem Verlagsleiter sprechen. Und ich mache mir da nicht nur einen schlanken Fuß: Ich finde es richtig. Ich finde es auch ganz wichtig, dass Redaktion und Anzeigen getrennt sind. Wir fordern das immer ein, wir bekritteln in ganz vielen anderen Verlagen, dass das nicht der Fall ist. Dass jemand sagen kann: Ein Atomkonzern schaltet in Ihrer Zeitung für eine Million über das Jahr verteilt Anzeigen, wenn Ihre Redaktion entsprechend berichtet. Das läuft in der taz so nicht. Herr Ruch, unser Geschäftsführer, hat uns null in Inhalte reinzuregieren und genausowenig habe ich als Chefredakteurin bei seiner Entscheidung, was das Schalten von Anzeigen angeht, mitzusprechen. Und das mag im Einzelfall schmerzvoll sein, aber das ist gut so und dazu stehe ich hundertprozentig. Weil nur diese klare Trennung garantiert langfristig unsere journalistische Unabhängigkeit.

Siehe auch

– Was der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer AG zu der Anzeige sagt

– Judith Holofernes spricht im „Kölner Treff“ des WDR mit Bettina Böttinger über die BILD-Zeitung

– Judith Holofernes spricht in den Interviews mit der taz und der österreichischen Presse über die BILD-Anzeige.

– Das komplette RadioEins Medienmagazin von Samstag u.a. mit Hajo Schumacher und Dieter Wonka.

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https://blogs.taz.de/hausblog/strikte-trennung-zwischen-redaktion-und-anzeigen/

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kommentare

  • „[..], weil wir sind immer knapp bei Kasse.“
    Aua, weil es ist einfach nicht richtig; Egal, wie viele Leute in der U-Bahn so sprechen, Frau Pohl! Und BILD so: Fi** Deine Zeitung, weil die is voll die Hur*. Und ich so voll Anzeige von BILD gemacht und die scheiß Opfer so: Näääää. Scheiße!

  • Für nicht mal 13.000 EUR die Leserschaft der taz in Aufregung versetzen und scih daran ergötzen:
    Der Springer Konzern c/o Diekmann meint dazu:
    Soviel Spass für wenig Geld!

  • muss jetzt hier darüber diskutiert werden, ob ein „offener Brief“ einen Unterschied zu einem redaktionellen Inhalt macht?

  • So schön kann Verkomplizieren sein.
    Wenn ein Anzeigenkunde urheberrechtlich geschütztes Material ohne Einverständnis des Urhebers verwendet, kann man ihn belangen.
    Wenn ein Verlag Anlass zu der Vermutung hat, der Anzeigenkunde verfüge nicht über das Veröffentlichungsrecht an einem Teil der Anzeige (Fotos, Text, Grafik), muss er das prüfen. Ob ein Text, ein Fotos oder sonstwas frei im Internet verfügbar gemacht wurde, ist dabei vollkommen unerheblich. Das Recht des Urhebers erlischt dadurch nicht.
    Vielleicht sollte man endlich mal wieder begreifen, das es eben nicht jedem Urheber gleichgültig ist, in welchem Kontext sein Werk erscheint.
    Eine ganz andere Frage ist, ob die Spitzfindigkeit, hierin die Verhöhnung durch den Zahlungskräftigen zu sehen, wirklich in eines jeden Lesers Hirn stattfindet.
    Die meisten lesen den Text und registrieren, das Holofernes eben nichts von der Bildzeitung hält. Fertig.

  • “ Der Brief von Holofernes war ja in der Öffentlichkeit. Es ist nicht so, dass da urheberrechtliche Grenzen meiner Meinung nach überschritten wurden. Sie hat den selber ins Internet gestellt, er wurde zehntausenfach geklickt, es ist ein Supertext.“

    Das heißt, dass alle Texte, die super sind, Aufmerksamkeit hatten und im Netz stehen von jedem zu jedem Zweck benutzt werden dürfen?

    Oder wie ist das zu verstehen?

  • Sehr geehrte Frau Pohl,

    vielen Dank für die Freigabe, künftig sämtliche Inhalte von Taz.de in meinem Medienblog verwenden zu dürfen. Das ist eine gute Nachricht für alle Medienblogs der Republik.

    Mit freundlichen Grüßen

    Thomas Knüwer

  • Das habe ich gesehn. Ich mein aber eher den Unterschied zwischen Verlag und Redaktion. Darüber wird nicht geschrieben.
    Durch dieses Interview wird vielen das warum deutlicher und ja, auch verständlicher. Zumindest in meinem Fall.

  • Auch interessant, dass Sie sich erst wegen eines externen Interviews dazu äußern??
    Gab es vorher keinen Anlass dazu, Ihre Leser/innnen aufzuklären. Bsp. Verlag vs. Redaktion etc. ?
    Wer wusste dies denn überhaupt? Man hätte solch ein Interview bzw. ein solches Statement viel eher abgeben müssen.

  • Bitte hört auf mit diesen Angriffen auf die taz! Judith meint dazu in einem Interview (http://diepresse.com/home/kultur/popco/639582/Judith-Holofernes_Mit-Humor-Herz-Arsch-und-Zaehnen): „Diese Anzeige in der taz zu schalten, war ganz offensichtliches Dominanzgebahren, wenn auch mit einer deutlichen Erektionsschwäche. Und natürlich wollten sie damit nicht nur mich demütigen, sondern auch die taz. Die Redaktion hat das offensichtlich nicht gesehen oder nicht richtig eingeschätzt, und ich hoffe sehr, dass ihnen das keinen Schaden zufügt. Denn sosehr mich ihre Bereitwilligkeit in dieser Sache im ersten Moment getroffen hat, sowenig möchte ich, dass ausgerechnet die taz aus dieser Geschichte als größter Verlierer hervorgeht.“ Also respektiert bitte den Willen von Judith und lasst die taz in Ruhe!

  • rrho hat völlig recht. Das ist doch keine Legitimation!
    Persönlichkeitsrechte und Urheberrechte werden dadurch doch nicht geachtet, sondern lediglich entkräftet.

    Warum sagt Sie dann in einem Interview folgendes:

    „Ich sehe erstmal keinen Sinn in einer Klage, obwohl es da sicher Chancen gäbe.“

    http://diepresse.com/home/kultur/popco/639582/Judith-Holofernes_Mit-Humor-Herz-Arsch-und-Zaehnen?_vl_backlink=/home/kultur/popco/index.do

    Ich glaube nicht, dass Sie sich nicht informiert hätte.
    Liebe taz das sind doch alles „miese“ Rechtfertigungen, mal im Ernst.

    Und zum Thema BILD-Kohle: Alter Schuh aber, Brandstifter -bzw. Blutgeld sollte man NIEMALS annehmen (dürfen). Diese Klausel sollte man mal in die Verlagsklauseln hämmern, oder wohin auch immer….

  • Meine Güte nochmal, man kann’s auch übertreiben. Das ist inzwischen eine derart hochgejazzte Debatte – man tut der TAZ gewiss Unrecht, wenn man ihr eine unkritische Haltung zu ihren Anzeigen vorwirft. Allein die Kontroverse in diesem Blog zeigt, dass die vielfach geäußerten Bedenken zur Kenntnis genommen wurden; was mehr ist, als man von jedem anderen Medienhaus erwarten würde. Is‘ auch gut jetzt, mal :-)

  • Man kann aus dieser Geschichte lernen, daß man Äußerungen gegen Wirtschaftsmonster unter eine Lizenz stellen sollte, die dafür geschaffen wurde, Gedanken zu veröffentlichen, kopieren und verbreiten zu lassen, ohne unter die Räder der kapitalgesteuerten Plünderung zu geraten. Passend hierfür wäre die »Creative Commons License« (http://de.wikipedia.org/wiki/Creative_Commons) in der Variante »by-nc-nd«: Weitergabe mit Namensnennung, nicht kommerziell und ohne Bearbeitung. Unter Umständen hätte die Rechtsabteilung der BLÖD doch empfohlen, diese Anzeige als offenen Rechtsverstoß zu unterlassen. Auch die TAZ hätte die Anzeige ablehnen müssen, da sie die Originalquelle ja kannte und den Lizenzhinweis hätte wahrnehmen müssen…

  • Ui, wenn es um Geld geht darf mein Hirn und Gewissen ausschalten?
    Da möchte Frau Holofernes eben nicht für die Bild Werbung machen und Bild umgeht das, indem man die Reaktion einfach in der Kampagne einbaut. So weit so schlecht.

    Und dann erscheint die Bild Anzeige in der TAZ.
    Jetzt hackt es erst richtig.

    Auf das Geld hätte man verzichten können und sollen. Und dieses Blabla, von wegen Trennung von Anzeigen und Redaktion ist doch nur eine Schutzbehauptung.

    Da hat die TAZ als Ganzes gepennt, oder hatte nur noch Euros in den Augen.

  • Ich finde eine Zeitung sollte sich deutlich positionieren. Sie kann nicht einerseits kritische Texte über die BILD-Zeitung schreiben, andererseits eine Anzeige von ihr schalten. Das macht sie unglaubwürdig und das sollte auch der Verlag, der die Anzeigen organisiert, wissen. Ungeachtet von dem Geld was dabei rumkommt. So kauft sich die BILD doch mal eben die Glaubwürdigkeit der taz.

  • Liebe Frau Pohl,
    das meinen Sie doch hoffentlich nicht ernst. Schon Ihre Wortwahl zeigt, dass Sie sich sehr wohl bewusst sind, dass sich die TAZ mit der Veröffentlichung der Anzeige einer besonders perfiden Mittäterschaft bei der Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Frau Holofernes durch die Bild Zeitung schuldig gemacht hat. Mit dem Verweis darauf, dass die Redaktionsstatuten gerade dies nicht auschließen würden, begeben Sie sich auf das bewährte Niveau der Bildzeitungsredaktion, dass schließlich alles erlaubt sein müsse, was nicht ausdrücklich verboten ist. Bis sie also ihr Redaktionsstatut nochmal überdacht haben, werde ich meine Entscheidung über ein Abo der taz nochmal aufschieben, denn Anzeigenblätter, die für Geld alles drucken, bekomme ich schon genug umsonst in den Briefkasten gesteckt.

  • Finde ich gut und richtig, was Frau Pohl zu der Sache sagt. Vor allem die Erklärung der strikt geteilten Verantwortungsbereiche „Redaktion“ und „Verlag“ in Sachen Anzeigenschaltung. Ich glaube nicht, dass das vielen Lesern klar ist.

  • Dann darf ich ab jetzt jeden Text von der taz, der online erschienen ist, für meine Zwecke, z.B. Anzeigen, verwenden? Mit der Begründung: „Sie hat den selber ins Internet gestellt, er wurde zehntausenfach geklickt, es ist ein Supertext.“ Ich glaub, es hackt.

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