Von taz-Verlagsgeschäftsführer Karl-Heinz Ruch
Im Februar lud der Bundestagsausschuss für Kultur und Medien Vorstände und Geschäftsführer der großen Zeitungs- und Zeitschriftenkonzerne zu einem Expertengespräch über die Zukunft der Presse ein. Vor dem Hintergrund der ernsten Lage ging es nicht um Pressevielfalt – sonst wäre möglicherweise auch die taz eingeladen worden –, sondern vielmehr darum, den Abgeordneten darzulegen, welche Rückendeckung die Verlage von der Politik erwarten, um angesichts der Digitalisierung neue Geschäftsmodelle, an denen es derzeit noch fehle, entwickeln zu können.
Aktueller Anlass für dieses Fachgespräch waren die Einstellung der Financial Times Deutschland, die Insolvenz der Frankfurter Rundschau und die Abwicklung der Redaktion der Westfälischen Rundschau, einer Zeitung der WAZ-Mediengruppe, deren Vertreter erklärte, dass die WAZ in den letzten zehn Jahren die Hälfte ihres Anzeigenumsatzes verloren habe. Ähnlich im Sinkflug befinden sich die Auflagen anderer Zeitungen und Zeitschriften, vor allem die Einzelverkäufe an den Kiosken. Die Abonnements seien demgegenüber noch relativ stabil, aber das werde sich schnell ändern, wenn ständig neue Daten- und Verbraucherschutzvorschriften die Werbung neuer Leser erschweren würden, warnte der Vertreter der Zeit aus dem Hause Holtzbrinck. Anzeigen schwinden, Auflagen sinken, das Altgeschäft der Zeitungen befindet sich in schwerer Not, und nach wie vor ist kein funktionierendes Modell für digitale Geschäfte in Sicht. Hier konzentriert sich die Forderung der Großverlage unter Führung des Axel-Springer-Verlages auf die Schaffung eines verbindlichen Rechtsrahmens durch ein Leistungsschutzrecht. Für die anwesenden Verlagsmanager eine Schicksalsfrage und existenzielle Voraussetzung für das Überleben im Internet, aus Sicht des sachverständigen Medienwissenschaftlers »pure Kosmetik«.
Das Internet
Das Internet ist ein Turbo für die freie Information. Noch nie konnten Journalisten mit ihrer Botschaft so viele Menschen wie heute erreichen, zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt. Noch nie war es für ZeitungsleserInnen so einfach, internationale Presse zu lesen – ohne dafür bezahlen zu müssen. Geschäftlich ist das Internet bisher aber kein Erfolg für die Verlage. Das Modell gedruckte Zeitung scheint auszulaufen – und kein neues ist absehbar. Die Stimmung ist schlecht. Das äußert sich auch in schrillen Tönen gegenüber vermeintlichen Gewinnern wie Google – von vielen als Krake im Netz gesehen – oder dem öffentlichrechtlichen Rundfunk mit seinen »Zwangsgebühren«. Es gibt Verlagskonzerne, die längst den Weg der traditionellen Finanzierung des Journalismus durch Leser und Anzeigenkunden verlassen haben und nun in alle möglichen neuen digitalen Branchen investieren. Andere wieder, auch große Verlage, hängen noch sehr am klassischen Geschäftsmodell. Das macht es schwer, sich auf Standards zu einigen, etwa darauf, dass Qualitätsjournalismus nicht mehr kostenlos angeboten werden soll. Einig sind sich die Verlage, das Kostenlos-Zeitalter rasch beenden zu wollen, aber »Bezahlschranken« führen sie nur zögerlich ein, solange einen Klick weiter alles frei und offen ist.
Transformation
Noch nie hat die taz so viele Menschen erreicht wie heute, auch wegen der großen Reichweite von taz.de. Aber auch die taz muss – wie andere – die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der digitalen Publizistik beantworten. In den nächsten Wochen werden wir nach zweijähriger Vorbereitung einen überarbeiteten taz.de-Auftritt präsentieren, der im Hinblick auf die Finanzierung von Journalismus im Netz neue Lösungen aufzeigen wird. Es soll weiter möglich sein, taz-Artikel im Internet frei zu lesen. Wir setzen aber darauf, dass sich unsere LeserInnen im Netz dieses Angebot auch etwas kosten lassen und mit wenigen Klicks oder einem regelmäßigen Beitrag den unabhängigen Journalismus der taz sichern. Von dem Erfolg unseres Bezahlmodells »taz-zahl-ich« und den vielen positiven Reaktionen von Nutzern sind wir selbst überrascht. Bereits in diesem Jahr wird dieses Modell bei stark steigender Tendenz ein Drittel des digitalen Anzeigenumsatzes ausmachen und damit einen wichtigen Teil zur Gesamtfinanzierung von taz.de beisteuern. Noch wichtiger als dieser rechenbare Erfolg ist für uns die Erfahrung, dass NutzerInnen von taz.de sehr wohl bereit sind, sich für ihre taz zu engagieren, ebenso wie LeserInnen der gedruckten Ausgabe. Dieses Moment von Teilhabe und Solidarität funktioniert offenbar in der Netzgemeinde genau so wie bei den taz-Abonnenten oder in der taz-Genossenschaft. Für die taz ist das ein hoffnungsvolles und gutes Signal.
Wie alle Zeitungen befindet sich auch die taz in einem Zustand der Transformation. Das veränderte Mediennutzungsverhalten schlägt sich auch auf die taz-Auflagen nieder. Nach drei Jahren mit Gewinnen werden für das Jahr 2012 erstmals wieder Verluste für die taz-Gruppe ausgewiesen. Die Gründe liegen in den Schwächen des Kerngeschäfts, vor allem der Entwicklung der Abonnements der gedruckten täglichen Zeitung. Zudem sind Investitionen in die digitale Zukunft der taz, in neue digitale Produkte und Vertriebswege, notwendig. Nach wie vor trägt das hausintern als »Vollabo« bezeichnete tägliche Abo der gedruckten taz den größten Anteil zur Erlösseite bei. Im Jahresdurchschnitt 2012 wurden täglich 41.778 bezahlte Abonnements ausgeliefert, das sind 5,5 Prozent weniger als im Vorjahr. Erfreulicherweise funktioniert der seit 1993 bestehende taz-Solidarpakt immer noch sehr gut. Den höchsten „Politischen Abopreis“ von derzeit 47,90 Euro zahlen 23 Prozent der AbonnentInnen, sie ermöglichen damit 26 Prozent der LeserInnen, die taz zum ermäßigten Abopreis von derzeit 23,90 Euro zu beziehen. Mehr als die Hälfte der AbonnentInnen zahlen den regulären Preis von 39,90 Euro.
Die »Abokurve« der taz kommt jedoch unter Druck, weil es zunehmend schwieriger wird und im Jahr 2012 auch nicht mehr gelungen ist, ausreichend neue Abonnements zu gewinnen. Nur wenn genügend neue Abonnements, im Jahr ca. 6.000, die auslaufenden ersetzen, bleibt die »Abokurve« stabil. Im letzten Jahr wurde dieses Ziel deutlich verfehlt.
Seit Herbst 2010 wird das Wochenendabo der taz zum Preis von 12,90 Euro monatlich angeboten. Im Jahr 2012 wurden durchschnittlich 7.180 Wochenendabos ausgeliefert, eine Steigerung von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Inzwischen gibt es eine nennenswerte Zahl von LeserInnen, die regelmäßig nur noch am Wochenende zur taz greifen. Wir nehmen diesen Zuspruch zur taz-Wochenendausgabe und zum Wochenendabo zum Anlass, noch einmal am Konzept zu arbeiten, um dann ab Mitte April mit einer neuen Wochenendausgabe bei den LeserInnen zu sein.
Die digitale Ausgabe der gedruckten Zeitung, das taz-E-Paper, ist ein wichtiger Baustein für die digitale Zukunft der taz. Mit Apps und Tablets stehen heute Software und Lesegeräte zur Verfügung, die das digitale Zeitunglesen komfortabel und einfach machen. Noch sind solche Angebote mit hohen Entwicklungskosten verbunden, auf mittlere Sicht bieten sie aber die Chance auf nachhaltige Erträge, weil mit den Druck- und Vertriebskosten ein hoher Anteil klassischer Aufwendungen entfällt. Vom taz-E-Paper wurden im Jahr 2012 durchschnittlich 3.478 Abonnements zum Preis von 11,95 Euro monatlich verkauft, gegenüber dem Vorjahr eine Steigerung von 20 Prozent.
Abos für das digitale E-Paper oder die gedruckte Wochenendausgabe, oder im besten Fall beides zusammen, sind zeitgemäße Angebote für Menschen, die nicht mehr jeden Tag eine gedruckte taz aus ihrem Briefkasten holen wollen. Mit der neuen Wochenendausgabe ab April werden wir Digital- und Printangebote als »Abonnements neuen Typs« ins Zentrum unserer Marketingaktivitäten stellen.
Neue publizistische Angebote
Als 1995 das erste Mal eine Ausgabe der Le Monde diplomatique der taz beigelegt wurde, ahnte niemand, welche Erfolgsgeschichte damit beginnen würde. Noch immer führt LMd, wie die Beilage im Hause abgekürzt wird, zu höheren Kioskverkäufen an ihrem Erscheinungstag. Es gibt inzwischen aber auch über 9.000 Abonnements und über 3.000 Kioskverkäufe der separaten Monatsausgabe. Der von LMd herausgegebene »Atlas der Globalisierung« ist ein Bestseller, und die halbjährlichen Editionen erfreuen sich wachsender Beliebtheit.
Was liegt also näher als die Frage, ob es für die taz ein verallgemeinerbares Prinzip Le Monde diplomatique gibt, auf Basis von redaktionellen Kooperationen interessante neue Publikationen zu schaffen. Auf dieser Idee basieren zwei Projekte, die wir mit initiiert haben. »Kontext: Wochenzeitung« ist ein Internetexperiment engagierter JournalistInnen aus Stuttgart, das aus dem »Demokratie-Labor« Baden-Württemberg berichtet. Die taz verwendet daraus Texte auf vier Seiten ihrer Wochenendausgabe im Süden und inzwischen auch in Berlin und Ostdeutschland. Aus dem weltweiten Fokus von LMd wird hier ein informativer Blick auf eine Region. Dieses Projekt wird von inzwischen mehr als tausend Stuttgarter BürgerInnen, aber auch einigen taz-LeserInnen und -GenossInnen regelmäßig mit monatlichen Zahlungen unterstützt.
Seit einem Jahr erscheint vierteljährlich die Umweltzeitschrift zeo2 unter dem verlegerischen Dach der taz. Die Redaktion um Manfred Kriener, Mitglied der ersten Ökologieredaktion der taz in den 1980er-Jahren, hat sich einem politischen Umweltjournalismus verschrieben. Ökologie gehört ähnlich wie die von LMd kompetent vertieften Themen der Globalisierung und der internationalen Politik zu den Kernkompetenzen der taz. Wir haben uns einen Zeitrahmen von zwei Jahren gegeben, in denen wir zeo2 wirtschaftlich tragfähig machen wollen. Dabei setzen wir natürlich auch wieder auf das verschärfte Interesse unserer engagierten LeserInnen und UnterstützerInnen.
Schöner Blog, sehr informativ und stimmig. Schaue bald wieder vorbei.
LG