Von Margarete Stokowski
„Seid solidarisch“, ruft Lothar König, „und raucht mit mir.“ Es ist Samstagabend, und die taz verleiht im Deutschen Theater in Berlin den 9. Panter Preis für Zivilcourage. Für den antifaschistisch bewegten Jenaer Stadtjugendpfarrer Lothar König wird ein Aschenbecher aufs Pult gestellt. „Wenn, dann rauchen wir gemeinsam“, fordert König. „Damit das hier mal weitergeht“, steckt sich schließlich auch Komoderatorin Luzia Braun („aspekte“) eine Zigarette an.
Das von der Bühne Rauchwolken ins Scheinwerferlicht geblasen werden, hat es beim taz Panter Preis noch nicht gegeben. Und auch sonst ist einiges neu: In diesem Jahr konnten für den Preis erstmals nicht nur Einzelpersonen vorgeschlagen werden, sondern auch Gruppen. Der Preis soll stärker für politischen Wandel stehen. Rund 300 Vorschläge und Bewerbungen gingen ein – doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Knapp 9.000 Menschen beteiligten sich an der Abstimmung, etwa 4.000 mehr als im Vorjahr.
Dass die Nominierten politische AktivistInnen sind, die sich nicht nur in ihrer Freizeit für karitative Zwecke einsetzen, sondern um Menschen, die zum Teil für das nackte Überleben kämpfen – ihr eigenes oder das anderer -, wird spätestens deutlich, als die Flüchtlinge vom Kreuzberger Oranienplatz auf die Bühne kommen: Menschen, die nach Deutschland geflohen sind und mitten in Berlin ein Protestcamp aufgebaut haben, um gegen die entwürdigende Asylgesetzgebung zu kämpfen. Drei von ihnen stehen jetzt auf der Bühne. Bevor die ModeratorInnen, taz-Redakteur Gereon Asmuth und Braun etwas fragen können, nimmt der aus Westafrika stammende Bashir Zakariyar das Mikrofon in die Hand. „Wenn diese Veranstaltung zu Ende ist, werden alle, die hier im Publikum sitzen, nach Hause gehen. Wir nicht. Wir können nur zurück auf die Straße.“ Zakariyars Wut wird spürbar. Für seinen Nebenmann, Patras Bwansi aus Uganda, ist die Situation besonders dramatisch: Einen Ausweisungsbescheid hat er schon bekommen. Am Dienstag muss er zur Ausländerbehörde – es könnte der Tag seiner Abschiebung werden.
„Nichts ist schwieriger, und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!“, zitiert Braun Kurt Tucholsky, der unter dem Pseudonym „Peter Panter“ schrieb.
Ein solches vernehmliches Nein gesagt haben alle Nominierten: die SeniorInnen aus Berlin-Pankow, die das Seniorenzentrum in der Stillen Straße besetzten, als dieses aus Kostengründen geschlossen werden sollte: Nein zu einer Sparpolitik, die ältere Menschen vereinsamen lässt – und Ja zum gemeinsamen Kampf. Nein sagt auch der Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“: Nein zum Verkauf dessen, was allen gehört – und Ja zur demokratischen Kontrolle öffentlicher Güter wie Wasser, Bildung, Verkehr und Energie. Und Nein sagt Pfarrer Lothar König, der gegen Neonazis kämpft und der nach einer Anti-Nazi-Demo in Dresden angeklagt wurde, weil er zu Gewalt gegen Polizisten aufgerufen haben soll: Nein zu Nazis, Ja zum Widerstand.
Die Auszeichnung erhalten schließlich Menschen, die anderen in Extremsituationen zur Seite stehen: Den Publikumspreis bekommt Inge Hannemann, die im Jobcenter in Hamburg gearbeitet hat – bis sie von ihrer Arbeit suspendiert wurde, weil sie das Hartz-IV-System kritisierte und die Bundesagentur für Arbeit aufforderte, die entwürdigende Sanktionspraxis von Hartz IV zu beenden. Seitdem hält sie mehrere Vorträge wöchentlich, noch am Nachmittag vor der Preisverleihung sprach sie auf der Berliner Demonstration zum Grundeinkommen. „Ich bin mit diesem Kampf vollbeschäftigt“, sagt Hannemann mit heiserer Stimme.
Den Preis der Jury bekommt das Infomobil des antirassistischen Netzwerks Welcome2Europe (W2EU): Menschen, die in einem Ford Transit durch Griechenland fahren und papierlosen Flüchtlingen helfen. Aktivistin Salinia Stroux wird telefonisch aus Lesbos zugeschaltet. „Und das Infomobil fährt mit dem Strom der Flüchtlinge?“, fragt die Moderatorin. „Das ist kein Strom“, unterbricht sie die Aktivistin Sara Pfau, „das sind Menschen.“ Die Dankesrede der Vertreterinnen von W2EU fällt sehr kurz aus: „Spendet Geld für die Menschen vom Oranienplatz und für die anderen Projekte!“ Luzia Braun lässt sich nicht lange bitten: Ihr Honorar fürs Moderieren spendet sie dem Flüchtlingscamp.
Fotos: Anja Weber
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