Von Sebastian Heiser
Bei den meisten Unternehmen gilt: Der Erfolg misst sich an der Höhe des Gewinns. Bei der taz ist anders: Man müsste uns für verrückt erklären, wenn wir regelmäßig einen hohen Gewinn machen. Denn ein selbstverwaltetes Unternehmen wie die taz kann damit nichts sinnvolles anfangen.
Im Prinzip ist es genau wie bei Menschen. Nehmen wir an, es würde heute noch Leibeigene und Sklavenhalter geben. Ein Sklavenhalter hat ein Interesse daran, dass sein Leibeigener möglichst hohe Einnahmen hat und möglichst geringe Ausgaben. Wenn der Leibeigene zum Beispiel arbeiten geht und damit 1.500 Euro im Monat verdient, dann würde der Sklavenhalter verlangen, dass der Leibeigene nur 1.300 Euro für seine eigenen Bedürfnisse ausgibt. Vielleicht schafft er sogar 1.000 Euro und noch besser ist natürlich, er lebt auf Hartz-IV-Niveau. Denn alles, was am Ende des Monats übrig bleibt, geht an den Sklavenhalter. Je mehr Geld der Leibeigene einnimmt und je stärker er seine eigenen Ausgaben zurückfährt, desto größer ist der Gewinn und damit der finanzielle Erfolg – aber doch wohl nur aus Sicht des Sklavenhalters, nicht aus Sicht des Leibeigenen.
Nehmen wir an, es käme nun zur Abschaffung der Sklaverei. Der Leibeigene kann die 1.500 Euro plötzlich für seine eigenen Bedürfnisse ausgeben. Wenn am Ende des Monats noch Geld übrig bleibt, dann gibt es niemanden mehr, der es ihm abnimmt. Das Geld bleibt stattdessen auf dem Konto und häuft sich da an. Das ist sinnvoll in gewissem Umfang zur Vorsorge für schlechte Zeiten oder um auf eine größere Ausgabe hinzusparen. Aber es gibt keinen Grund, über viele Jahre regelmäßig einen hohen Gewinn zu machen. Es ist zweckfrei, Geld anzuhäufen, das niemals jemand ausgibt. Es ist widersinnig, deshalb an seinen aktuellen und dringlichen Bedürfnissen zu sparen.
Nehmen wir an, der ehemalige Leibeigene würde nun einen Mäzen finden, der von ihm begeistert ist und ihm aus Dank für seine Existenz monatlich 100 Euro überweist. Er kann daher nun 1.600 Euro ausgeben. Da die eigenen Einnahmen bei 1.500 Euro bleiben, ergibt das betriebswirtschaftlich gesehen einen monatlichen Verlust von 100 Euro.
Aber wer ist finanziell erfolgreicher: Eine Person, die im Monat zwar 1.500 Euro verdient, aber 500 an jemand anders abdrücken muss und nur 1.000 für die eigenen Bedürfnisse ausgeben kann? Oder jemand, der 1.500 Euro im Monat verdient und dank der Zuschüsse eines Mäzens sogar 1.600 Euro ausgeben kann?
Die taz muss nicht die Interessen ihrer Eigentümer bedienen, indem sie ihnen einen Gewinn ausschüttet. Die taz ist Selbstzweck. Oberster Souverän ist die Versammlung der Mitarbeitenden. Die derzeit 13.778 Mitglieder der taz-Genossenschaft sind unsere Mäzene, die unsere Arbeit mit ihrem Geld unterstützen. Daher können wir für unsere Zwecke sogar regelmäßig mehr Geld ausgeben, als wir selbst einnehmen.
Ein tatsächlich sinnvolles Kriterium für den Erfolg der taz ist zum Beispiel die Entwicklung der Einnahmen. Bei anderen Verlagen gingen die in den letzten Jahrzehnten zurück – durch das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000, durch die Verlagerung von Werbung aus den gedruckten Zeitungen ins Internet oder durch die Banken- und Finanzkrise seit 2007. Andere Verlage waren daher gezwungen, viele Mitarbeiter zu entlassen, Redaktionen verschiedener Zeitungen zusammenzulegen oder sie gleich ganz zu schließen. Bei der taz sind wir dagegen in der erfreulichen Lage, dass unsere Einnahmen kontinuierlich wachsen: In den letzten 20 Jahren um 110 Prozent (und damit deutlich überhalb des inflationsbedingten Preisanstiegs von 42 Prozent in diesem Zeitraum). Derzeit nehmen wir rund 26 Millionen Euro pro Jahr ein.
Ein anderes Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg der taz ist, wie viel wir für Löhne und Gehälter zahlen. Seit 1992 konnten wir diese Ausgaben um 123 Prozent steigern. Das heißt aber nicht, dass die Gehälter der einzelnen Mitarbeiter so stark gestiegen sind. Wir hätten das so entscheiden können und würden dann heute alle über Tarif verdienen. Wir haben uns stattdessen entschieden, dass wir uns lieber die Arbeit erleichtern wollen, indem wir sie auf mehr Schultern verteilen. Und so haben wir ständig neue Stellen geschaffen und noch mehr Leute eingestellt. Dadurch wurde es über die Jahre immer enger im taz-Gebäude. Inzwischen sitzt ein Drittel der Belegschaft in angemieteten Flächen außerhalb des Haupthauses. Deshalb wollen wir uns jetzt für 20 Millionen Euro einen neuen Verlagssitz bauen. Das hat folgende Vorteile:
– Wir passen endlich alle wieder unter ein Dach und müssen nicht mehr bei Wind und Wetter 30 Meter über die Straße gehen, um uns zu treffen.
– Wir können die ganzen Rücklagen, die derzeit bei der Bank liegen und nur mickrigste Zinsen abwerfen, sinnvoll investieren.
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Sebastian Heiser arbeitet in der Berlin-Redaktion der taz
[…] Ausgaben: Da die taz einer Genossenschaft von 14.000 Lesern gehört, die keine finanzielle Rendite erwarten, muss die taz keinen Gewinn machen, sondern kann alle Einnahmen für ihre eigenen Zwecke […]