Die taz will zum ersten Mal eine Gemeinwohl-Bilanz ihrer Arbeit erstellen. Anne Berg ist eine der Personen, die uns dabei helfen.
Anne, bist Du so etwas wie eine TÜV-Prüferin für Moral?
Nein, der TÜV-Prüfer misst ganz klar, ob bestimmte Grenzwerte eingehalten sind. Ich berate Unternehmen, die eine Gemeinwohl-Bilanz aufstellen wollen. Dabei geht es um die Werte Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, demokratische Mitbestimmung und Transparenz, die mit einer Gemeinwohl-Bilanz zwar nicht genau messbar, aber beschreibbar und bewertbar gemacht werden.
Warum ausgerechnet diese Werte? Wer hat das festgelegt?
Diese Grundwerte beruhen auf den am häufigsten genannten Werten in Verfassungen demokratischer Staaten weltweit. Die Verfassungen sind sich da relativ einig, dass sie diese Werte und Ziele fördern wollen, auch im Wirtschaftsleben.
Warum sollen Unternehmen eine Gemeinwohl-Bilanz machen?
Es geht darum, dass der Erfolg von Unternehmen nicht nur an ihrer Finanzbilanz gemessen wird – also der Frage, wie viel Geld sie in einem Geschäftsjahr verdient haben. Stattdessen wird geschaut, welchen Beitrag die Unternehmen für das Gemeinwohl leisten, also auch für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und die gesamte Gesellschaft.
In dem Handbuch mit vielen Fragen und Kriterien wird es zum Beispiel positiv bewertet, wenn ein Unternehmen seine Produkte nicht an unethische Kunden liefert. Das Kriterium ist für uns nicht geeignet, denn gerade für unethische Kunden wäre die taz-Lektüre besonders notwendig und gemeinwohlfördernd …
Das ist ein Punkt, der immer wieder aufkommt, nicht nur bei Medienunternehmen. Die Kriterien sind noch in der Entwicklung, wir sind derzeit bei Version fünf. Wenn es dazu genug Feedback gibt, wird der Punkt geändert, denke ich. Und wenn die taz jetzt ihre Gemeinwohl-Bilanz aufstellt, ist sie nicht an diese Vorgabe gebunden und kann begründen, warum das bei ihr anders ist, dann wird das auch nicht negativ bewertet. Diese ganzen Indikatoren sind zwar schon ziemlich gut, aber sie sind kein starres Gerüst.
Der größte Beitrag der taz für das Gemeinwohl ist, was sie durch ihre Berichterstattung in dieser Welt verändert. Fließt so etwas in die Bilanz ein und wie soll das gemessen werden?
Das fließt in der Bewertungs-Matrix bei den Berührungsgruppen „Kunden“ und „Gesellschaftliches Umfeld“ ein. Man merkt, dass diese gesellschaftliche Entwicklung auch ein Bildungsauftrag oder politische Auftrag der taz ist.
Wenn die Gemeinwohl-Bilanz der taz fertig ist, ist das dann ein Zertifikat von jemand anderem? Oder ist es eine Aussage der taz über sich selbst?
Im ersten Schritt macht die taz das als Aussage über sich selbst. Mein Kollege Gerd Hofielen und ich unterstützen diesen Prozess. Dann prüfen erfahrene Auditoren die Vollständigkeit und Richtigkeit der Aussagen, fragen nach Belegen und prüfen fehlende Punkte.
Es gibt zum Beispiel Punktabzug für „Umgehung der Steuerpflicht“. Aber ihr prüft ja nicht die Buchhaltung vollständig und könnt sagen, wo jemand seine Steuerpflicht umgeht.
Je nachdem, wo das Audit gerade hinschaut… Die Auditoren können natürlich nicht alles aufdecken, was ein Unternehmen verschweigen will. Aber die sind da schon gut geschult, Fragen zu stellen.
Die Arbeit an der Gemeinwohl-Bilanz beginnt gerade, ihr führt viele Gespräche mit einzelnen Mitarbeiter-Gruppen. Wie lange dauert es eigentlich, bis es fertig ist?
Das hängt davon ab, wie die taz ihre Ressourcen bereitstellen kann. Wie gesagt, wir schreiben ja nicht den Bericht über euch, sondern ihr schreibt den über euch selber.
Die taz ist ja kein gewöhnliches Unternehmen. Wie sind eigentlich die ersten Eindrucke für eine Externe?
Sehr spannend. Gerade wie die unterschiedlichen Perspektiven und Spannungsfelder im Verhältnis von Selbstbestimmung und Mitbestimmung sichtbar werden, teilweise auch nur im Untergrund bemerkbar werden. Ich glaube, da werde ich in dem Prozess noch viel mit euch gemeinsam lernen.
Anne Berg ist Betriebswirtin und Wirtschaftspädagogin. Seit 2012 engagiert sie sich bei der Gemeinwohlökonomie und begleitet nun die taz zusammen mit Gerd Hofielen bei der Erstellung der Gemeinwohl-Bilanz.
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