Von Sebastian Heiser
Wenn eine Behörde auf die Frage eines Journalisten nicht antworten kann, weil sie die Antwort nicht kennt, dann muss sie das dem Journalisten mitteilen. Das hat das Verwaltungsgericht Cottbus auf meine Klage gegen die Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg entschieden.
Die Vorgeschichte: Ich hatte bei der Senatskanzlei Berlin einen Antrag auf Akteneinsicht nach Informationsfreiheitsgesetz gestellt und war so an ein Dokument aus dem Dezember 2004 über den Großflughafen BER gekommen, das ich heute veröffentlicht habe. Das Dokument wurde rund zwei Jahre vor dem ersten Spatenstich erstellt und darin heißt es: „Es wird befürchtet, dass die veranschlagte Investitionssumme […] nicht ausreichend sein wird […] und die verbleibenden Gesellschafter erheblich nachschießen müssen.“ An anderer Stelle wird davor gewarnt, durch die „opulente Ausbauplanung“ drohe der Bau zu einer „Investitionsruine“ zu werden.
Regierungssprecher Richard Meng teilte mir mit, der Verfasser des Dokuments sei nicht bekannt. Die Senatskanzlei habe das Dokument im Mai 2005 per Fax von der Flughafengesellschaft erhalten, wie anhand der Fax-Absenderkennung nachvollziehbar sei.
Also fragte ich bei der Flughafengesellschaft nach, wer das Dokument geschrieben hat und welche Schlussfolgerungen damals daraus gezogen wurden. Pressesprecher Ralf Kunkel antwortete mir: „Vielen Dank für ihre Mail. Das Papier bezieht sich auf einen Zeitraum, der in den Handlungszeitraum einer früheren Geschäftsführung fällt und gegenwärtig Gegenstand der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses BER des Berliner Abgeordnetenhauses ist. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass wir Ihre Anfrage nicht beantworten können.“
In meiner Antwort erläuterte ich der Flughafengesellschaft ausführlich über drei Seiten, warum sie gemäß Landespressegesetz aber verpflichtet ist, meine Fragen zu beantworten. Ich setze dafür eine Frist von vier Wochen.
Die Flughafengesellschaft brauchte nur zwei Wochen: „danke für die in Ihrer Mail beigefügten Erläuterungen, wir kennen das Landespressegesetz. Es bleibt bei unserer Antwort.“
Über meinen Anwalt habe ich dann Klage gegen die Flughafengesellschaft eingereicht und Auskunft auf meine Fragen verlangt.
In der Klageerwiederung ging die Flughafengesellschaft zum ersten Mal näher auf das Dokument ein. Es könne heute nicht mehr nachvollzogen werden, wer das Papier geschrieben habe und welche Schlussfolgerungen daraus gezogen wurden, heißt es dort: „Weder das Schriftstück noch weitere Aufzeichnungen hierzu sind dem Bereich Marketing nach heutiger Aussage bekannt. Das Schriftstück befindet sich nicht in der Archivierung.“ Erst durch meine Klage habe man das Dokument jetzt wieder erhalten. Es gebe darin „erhebliche gutachterliche Mängel„, es sei eine „bloße Aneinanderreihung von Meinungen, welche weder durch Fundstellenangaben oder Statistiken belegt, noch durch Verwendung oder Darstellung wissenschaftlich anerkannter Vorgehensweisen fundiert begründet werden“.
Sprich: Im Jahr 2005 hielt die Flughafengesellschaft das Dokument für so relevant, dass sie es an die Senatskanzlei des Regierenden Bürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit faxte. Heute hält die Flughafengesellschaft das Dokument für so irrelevant, dass man ihm keine Beachtung schenken sollte und das man daher auch nicht aufbewahrt habe.
In dem Gerichtsverfahren hatte sich dadurch mein Antrag erledigt, die Flughafengesellschaft zur Auskunft zu verpflichten. Denn wenn die Flughafengesellschaft schlicht und ergreifend heute nicht mehr weiß, wer der Verfasser des Gutachtens ist und welche Konsequenzen man daraus gezogen hat, dann kann sie mir das unmöglich mitteilen. Natürlich muss eine Behörde mal im Archiv nachschauen gehen, aber sie kann nicht verpflichtet werden, erst umfangreiche weitere Ermittlungen vorzunehmen und zum Beispiel ehemalige Mitarbeiter zu befragen.
Offen war in dem Gerichtsverfahren jetzt aber noch, wer die Kosten für das Gericht und meinen Anwalt zahlen muss: Ich oder die Flughafengesellschaft? Dazu musste das Gericht entscheiden, ob meine Klage berechtigt war und die Flughafengesellschaft verpflichtet gewesen wäre, mir schon auf meine erste Anfrage mitzuteilen, dass sie die Antwort nicht weiß. Der Pressesprecher hatte in seiner Mail den Eindruck erweckt, als ob er die Antwort kennt, sie mir aber aus den von ihm genannten Gründen nicht sagt. Hier nochmal der Wortlaut: „Das Papier bezieht sich auf einen Zeitraum, der in den Handlungszeitraum einer früheren Geschäftsführung fällt und gegenwärtig Gegenstand der Tätigkeit des Untersuchungsausschusses BER des Berliner Abgeordnetenhauses ist. Bitte haben Sie daher Verständnis, dass wir Ihre Anfrage nicht beantworten können.“
Die Flughafengesellschaft argumentierte vor Gericht: Sie sei nicht verpflichtet gewesen, mir zu sagen, dass sie die Antwort auf meine Frage nicht kennt: „Nach § 5 BbgPG hat der Kläger lediglich Anspruch auf Erteilung einer Auskunft zu den gestellten Fragen. Der Auskunftsanspruch von Vertretern der Presse im Sinne des § 5 BbgPG umfasst jedoch nicht Negativauskünfte“.
Das Gericht entschied anders: Die Flughafengesellschaft habe mich „durch die Art ihrer Auskunftserteilung schuldhaft veranlasst, erfolglos Klage zu erheben“. Nach Landespressegesetz habe ein Anspruch auf Auskunft bestanden. Weiter heißt es: „Die Klage vom 19. Mai 2014 wäre demgegenüber vermieden worden, wenn dem Kläger entsprechend der Klageerwiederung (…) mitgeteilt worden wäre, dass das erbetene Dokument bei der Beklagten [Flughafengesellschaft] nicht vorhanden ist“. Daher muss die Flughafengesellschaft die Gerichtskosten und das Honorar für meinen Anwalt zu 100 Prozent zahlen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Ich finde das eine gute und richtige Entscheidung, erstens natürlich für meinen Geldbeutel, darüber hinaus aber auch für die Pressefreiheit. Für die Öffentlichkeit ist ja nicht nur wichtig zu wissen, was Behörden wissen. Oftmals ist nicht weniger interessant, was Behörden eigentlich alles nicht wissen.
Die Geschichte rund um das Dokument steht drüben auf taz.de.
Und hier mein Reader: Auskunftsrechte kennen und nutzen – so kommt man an Aktenschätze (PDF)
> Im Winter entspricht das Treppenhaus dem Zuluftkanal,
> der Frischluft von unten in die verschiedenen Geschosse fördert.
Da habe ich Zweifel, daß Zuluft aus dem Straßenbereich ausreichend sauber ist. Nach meiner bisherigen Erkenntnis sollte man bis zum 1.Stock kein Fenster öffen wenn sich der Verkehr auf der Straße staut. Hoffen wir, daß sich eine gute Lösung finden wird.