vonMartin Kaul 13.04.2017

taz Hausblog

Wie tickt die taz? Das Blog aus der und über die taz mit Innenansichten, Kontroversen und aktuellen Entwicklungen.

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Am Dienstag, den 11. April 2017, berichteten wir an dieser Stelle über eine Email von Google AdSense, die den Inhalt eines taz-Textes bemängelte und uns aufforderte, den Content zu verändern, wenn auf der Seite weiter Werbung ausgespielt werden sollte.

Zwei Fragen beschäftigten uns dabei besonders: In welchem Ausmaß nimmt Google über sein Werbeprogramm AdSense Einfluss auf Verlagsinhalte? Und, unabhängig davon: Nutzt Google seine technische und ökonomische Vormachtstellung, um Links zu unliebsamen, aber legalen Unternehmen aus dem Netz zu tilgen?

Zu beiden Fragen bietet die Mail Anlass. Weil es uns über mehrere Tage nicht gelang, darauf inhaltliche Antworten von Google zu erhalten, veröffentlichten wir in dem Hausblogeintrag schließlich unsere Fragen.

Daraufhin erhielten wir sehr schnell folgende, recht allgemein gehaltene Antwort aus der Google-Pressestelle:

„Google Anzeigen dürfen nicht auf Seiten eingebunden werden, die illegale Inhalte beinhalten, die illegale Aktivitäten bewerben oder gegen die Rechte Dritter verstoßen. Der betreffende Artikel hat einen automatischen Richtlinien-Verstoß ausgelöst, der sich nach einer Überprüfung jedoch als unzutreffend herausgestellt hat. Der erfolgte Warnhinweis ist demnach gegenstandslos, die Monetarisierung der betreffenden Seite ist auch weiter ohne jegliche Änderung möglich.“

Das bedeutet für die taz nur Gutes: Es gibt kein Problem. Die Monetarisierung von taz.de ist auch weiter ohne jegliche Änderung möglich. Das freut uns.

Oder etwa nicht?

Unabhängig davon passierte, zeitnah, folgendes: Bei der Yieldlove GmbH in Hamburg, das ist ein Unternehmen, das im Auftrag der taz und in Zusammenarbeit mit Google AdSense Online-Werbeplätze auf taz.de vermarktet, ging nur wenige Stunden vorher eine neuerliche Mail von Google AdSense ein. Die Yieldlove GmbH hatte zuvor einige Tage lang versucht, auf dem Dienstweg in Erfahrung zu bringen, welchen Inhalt die taz überhaupt – und aus welchen Gründen – verändern sollte.

In dieser Mail, ebenfalls vom 11. April, konkretisierte das Google-Team von AdSense nun, ganz im Gegensatz zu Googles Pressestelle, die Beschwerde gegenüber der taz – während die Google-Pressestelle uns und anderen JournalistInnen mitteilte, es gebe kein Problem.

Jene Email von Google an die Yieldlove GmbH brachte eine neue Klarheit und zwei neue Unklarheiten.

Erstens bestätigte Google darin, was wir bereits vermutet hatten: Stein des Anstoßes war für Google ein taz-Text über einen Streit zwischen Google und einem anderen Unternehmen gewesen, das Google ein Dorn im Auge ist. Problematisch war für den Google-Algorithmus (den wohl mal irgendwann jemand bestimmt haben musste) ein Link, den die taz gesetzt hatte. Nun hieß es in dieser Mail also:

„The site taz.de received a warning for: Linking to a site that allows users to download MP3 versions of youtube videos. This is against our policies.“

Wer die Geschichte verfolgt hat, versteht, was das meint: Dieser Satz bestätigt, dass Google AdSense es bis zu diesem Zeitpunkt offenbar als Verstoß gegen die eigenen, übrigens lesenswerten, Programmrichtlinien begriffen hat, wenn Redaktionen, Blogger oder andere Partner auf die Seite youtube-mp3.org verlinkt haben. Das ist, freundlich gesagt, eine recht großzügige Interpretation der eigenen Programmrichtlinien. Zur Erinnerung: Es handelt sich bei jener Webseite bis heute nicht um ein illegales Webangebot, sondern um ein Unternehmen, mit dem Google unterschiedliche Rechtsauffassungen pflegt.

Geht Google mit unlauteren Mitteln gegen unliebsame Konkurrenten vor? Nun: Mit dem Statement der Google-Pressestelle, siehe oben, sollte dieses Problem, zumindest theoretisch, aus der Welt geschafft sein. Ein Google-Sprecher sagte der taz am Mittwoch: „Mir ist nicht bekannt, dass wir gegen youtube-mp3.org vorgehen würden. Wenn wir dagegen vorgehen würden, dann niemals über Google AdSense, sondern nur in rechtstechnischer Hinsicht. Auch davon ist mir allerdings nichts bekannt.“

Google bedauerte auch, dass der Warnhinweis an die taz „fälschlicherweise“ ausgesprochen wurde. Warum er allerdings überhaupt ausgesprochen wurde und was daran falsch war, ließ sich auch nach mehreren Anläufen nicht klären.

An dieser Stelle ließe sich nun ein Schlussstrich ziehen: Alles nur ein Versehen, scheiß Algorithmus, fertig.

Allerdings ist die – zugegeben: komplizierte – Geschichte damit (leider) noch nicht vorbei. Was uns nämlich überraschte: Während die Google-Pressestelle uns und anderen Journalisten Entwarnung signalisierte, kritisierte das Google AdSense-Team in jener Mail vom 11. April an die Yieldlove GmbH zwei weitere Texte der taz, von denen zuvor noch nicht die Rede gewesen war. Plötzlich wurde das Problem zwar offiziell kleiner – aber auf Arbeitsebene unterdessen größer.

In dieser Mail bemängelte Google nun auch diesen taz-Text, bei dem es sich um eine Romanbesprechung und unter anderem um die Künstlerin Vanessa Beecroft handelt, die bekannt ist für „skandalumwitterte Performances, in denen nackte weibliche Schönheiten wie Schaufensterpuppen stundenlang als Gruppentableau in Ausstellungshallen herumstehen.“ Der Text ist bebildert mit der Szene aus einer Performance von Beecroft. Manche nennen das: Kunst. Google AdSense nennt das: „Nudity Content.“

Daneben kritisiert das AdSense-Team in der entsprechenden Mail auch diesen Text. Darin geht es um den spektakulären Raub der Leiche des mexikanischen Drogenbosses Heriberto Lazcano. Der Text ist bebildert mit der Leiche, die geraubt wurde. Das genutzte Fotomaterial stammt von dpa. Google sagt: „This is against our sensitive content policies.“

Und nun? Sollte die taz ihre Bildauswahl den Werberichtlinien von Google hier anpassen? Sollte sie auf Werbeeinnahmen verzichten? Oder sollte sie vielleicht zunächst klären, was Google eigentlich will?

Denn ein Hinweis aus Googles Innenleben lautet:

„The publisher can fix all of these issues by either removing the content from their site or remove Google ads from those pages.“

Und der andere Hinweis, aus Googles Pressestelle, lautet ja bekanntlich:

„Der erfolgte Warnhinweis ist demnach gegenstandslos, die Monetarisierung der betreffenden Seite ist auch weiter ohne jegliche Änderung möglich.“

Was nun stimmt, will Google bald für uns klären.

Nachtrag: Inzwischen hat Google erneut klargestellt, dass die Kritik am Link auf youtube-mp3.org ein Fehler gewesen sei. Im Hinblick auf die anderen beiden oben genannten Fälle bleibt Google bei seiner Warnung. Diese verstoßen laut eines Sprechers gegen die Google-Richtlinien. Demnach müsse der Inhalt geändert oder die Werbung entfernt werden. Die taz hat daher die Werbung auf diesen zwei Artikelseiten entfernt.

(c) Titelbild: dpa

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kommentare

  • Lieber Martin Kaul – über Bande mir zugeflattert – Danke für Ihre Schreibe – herzhaft gelacht über das Aufgedrösel & als jur. nicht ganz Unbeleckter – Chapeau dazu – dennoch eine stiff Oberlippe zu behalten.
    Wünsche weiter furchtloses Gelingen.

  • Vielleicht überlegt ihr mal Google den Stinkefinger zu zeigen und einfach selber Werbung zu schalten. Spart noch Geld für den Vermittler und ihr bekommt auch weniger tendentiöse Werbung, wenn ihr direkt Geschäfte macht.

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