vonJakob Werlitz 05.09.2017

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Keine Wahlkampf-Rhetorik, sondern ein Stopp von Wirtschaftshilfen und Rüstungsexporten. Das fordert der #FreeDeniz-Autokorso am 10. September 2017.

Es war einer der wenigen Momente des TV-Duells, in denen Schulz es vermochte, die sonst gewohnt stoisch und souverän agierende Kanzlerin auf dem falschen Fuß zu erwischen – die Türkei-Frage. Seitens der SPD ein wohl überlegter Schachzug: Gegenüber dem ewig abwägenden Politikstil Merkes will der Herausforderer mit Bestimmtheit bei den Wähler*innen punkten. Und es gelang: Nach einigem Zögern schwenkte Merkel noch während des Duells auf die aggressive Linie der Sozialdemokraten ein und versprach, sich für ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einzusetzen.

Eine kleiner Punktsieg der SPD. Allerdings einer mit Folgen: und zwar für zahlreiche zu Unrecht und aus politischen Gründen in der Türkei inhaftierte Deutsche. Unter Ihnen die Journalist*innen Meşale Tolu und Deniz Yücel und der Menschrechtsaktivist Peter Steudtner. Für sie wäre ein so symbolträchtiger politischer Bruch mit der Türkei alles andere als wünschenswert. Vielmehr würde er Erdogan innenpolitisch stärken und eine Freilassung eher unwahrscheinlicher machen.

Flyer zur Kundgebung am 10.09.2017
So argumentiert auch der Freundeskreis #FreeDeniz. Das Bündnis hat anlässlich des 44. Geburtstags von Deniz Yücel am kommenden Sonntag, den 10. September 2017, zum Autokorso aufgerufen, um für die Freilassung des Weltreporters und aller anderen politischen Gefangenen in der Türkei zu protestieren. Mit dabei: Hüseyin Tolu, Bruder von Meşale Tolu, Ilkay Yücel, Schwester von Deniz Yücel, Pfarrer Christian Zeiske von der Berliner Gethsemanekirche und Schriftsteller Dogan Akhanli.

 

Im Aufruf heißt es zu den politischen Forderungen:

„Es ist Zeit, dass die Bundesregierung den Inhaftierten und Verfolgten in der Türkei, rechtzeitig zum bevorstehenden Geburtstag von Deniz Yücel, ein paar Geschenke macht:

• Verbot für deutsche Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, Geschäfte in der Türkei zu machen.
• Keine Exportbürgschaften mehr für Investitionen deutscher Unternehmen wie Siemens oder Bosch in der Türkei.
• Zudem darf Merkels Ankündigung eines Vetos der Bundesregierung gegen Aufnahme bzw. Fortführung von Verhandlungen über die Erweiterung der EU-Zollunion mit der Türkei keine Wahlkampf-Rhetorik bleiben.

Und um es noch einmal ausdrücklich zu sagen: Ein Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei würde die politischen Geiseln in der Türkei nicht glücklich machen. Im Gegenteil. Dies wäre nur ein Geschenk für den Präsidenten Erdogan, das ihn und nicht die demokratischen Kräfte in der Türkei stärken würde.“

Natürlich ist es mehr als begrüßenswert, dass der Fall der politischen Gefangenen Erdogan derzeit aus den Wahlkampfdiskussionen nicht wegzudenken und so wieder im Zentrum des politischen Diskurses angekommen ist. Doch den Lippenbekenntnissen mangelt es an politischer Durchschlagskraft. Eine Durchschlagskraft, welche die Bundesregierung zuletzt unter Beweis stellte: Als Erdogan deutsche Unternehmen unter Terrorverdacht stellte, drohte sie mit schmerzlichen wirtschaftlichen Konsequenzen und erwirkte so Erdogan Einbrechen.

Das Bündnis fordert nichts weniger, als dass sich Merkels Regierung nun mit der gleichen Vehemenz auch für ihre Bürger*innen in Gefangenschaft einsetzt:

„Vor dem Kanzleramt wollen wir die amtierende Bundesregierung daran erinnern, dass sie nur noch wenige Tage Zeit hat, als eine Bundesregierung in die Geschichte einzugehen, die sich genauso vehement für die Sicherheit deutscher Staatsbürger eingesetzt hat wie für die Sicherheit deutscher Unternehmen.“

Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer den Eckdaten des Protestkorsos:

  • 12:30 Uhr: Auto- und Fahrrad-Korso zum Bundeskanzleramt, Treffpunkt vor dem Kino International, Karl-Marx-Allee 33, 10178 Berlin
  • 14:00 Uhr: Kundgebung vor dem Bundeskanzleramt in Berlin-Mitte

Kommt zahlreich!!

Bild: dpa

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