vontazlab 14.04.2012

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Von Verena Wilkening

Der Titel der Diskussion ist irreführend, denn wer hier eine Analyse der bestehenden Verhältnisse und Normen erwartet, wird enttäuscht. Es geht laut Programm um serielle Monogamie und emotionale Sicherheit in Zeiten der Langlebigkeit. Tatsächlich aber geht es um (monogame) Beziehungen eher am Rande und vor allem ums Wohnen. Nicht um irgendein Wohnen, sondern um selbstverwaltetes Wohnen und gemeinsames Leben. Im Alter, bei Krankheit, aus Einsamkeit, aus Überzeugung oder überhaupt. Auch gut. Und diskutierenswert angesichts zunehmender Singlehaushalte und gesellschaftlicher Vereinzelungstendenzen. Es scheint eine Sehnsucht zu geben nach Sicherheit – seit jeher ein deutsches Lieblingsthema und Handlungsmotor der Gesellschaft. Ein Zurückkehrenwollen zu familiären Strukturen, die aufgrund von erhöhten Mobilitätsanforderungen immer schwieriger zu realisieren sind und immer häufiger zerfallen.

Runterschalten, sich einlassen und verlassen auf andere und selber gebraucht werden, nicht nur im Alter, das bewegt auch Astrid Osterland, 66 und Überzeugungstäterin, das spürt mensch und hört es von ihr selbst. Sie ist resolut, weiß, wovon sie spricht, denn sie blickt auf ein Leben in verschiedenen Wohngemeinschaften zurück und ist nun seit kurzem im Berliner Frauenwohnprojekt Beginenhof Kreuzberg Zuhause. Sie ist Supervisorin für andere Projekte, vemittelt also bei Konflikten und hilft, Kommunikation zu verbessern. Ihr Aufruf, das Sterben im Leben zu erlernen, ist nur einer ihrer vielen klugen Beiträge. Im Gegensatz dazu wirkt Janosch Schobin lebensfern und bemüht, wenn er als junger Soziologe mit rein theoriewissenschaftlichem Faktenwissen argumentiert. Und wenn er auf eine Publikumsfrage nach freundschaftlich aufgezogenen Kindern in Projekten vermutet, dass man dieses Phänomen allenfalls von homosexuellen Paaren kenne, kann mensch nicht umhin, das einseitig zu finden.

Es ist eine lebhafte Diskussion, in der sowohl wissenschaftliche Fakten Platz haben als auch ideologisch geprägte Beiträge sowohl vom Podium, als auch aus dem Publikum. Es geht um wenige enge Freunde, die intime sexuelle Beziehungen ablösen, um eine nie enden wollende Puertät, die den modernen Menschen daran hindert, erwachsen werden zu wollen und um Kommunikation mit all ihren Tücken und menschliche Schwächen. Haben wir es verlernt, Konflikte auszutragen? Kontruktiv zu diskutieren, ohne gleich in alle jene altlinken Kerben zu schlagen und ein Klischee nach dem anderen zu reproduzieren und dogmatisch zu werden wie die, gegen die mensch eigentlich rebellierte? Wenn Astrid Osterland am Ende als Einzige der Diskutant_Innen ein Fazit zieht und nahelegt, dass sich der Versuch des gemeinsamen Lebens lohnt, möchte mensch ihr glauben. Sie sieht zufrieden aus. Was am Ende daraus wird, muss jede_r für sich entscheiden. Ein Vorbild ist sie allemal.

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