vonHelmut Höge 07.11.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Überall lagen in der tazzwei-Redaktion  noch vom heißen Sommer her leere Flaschen rum. Heute habe ich sie endlich eingesammelt – und wollte sie auch gleich auf dem Hof in den diversen Müllcontainern entsorgen, mußte mir jedoch sagen lassen: So geht das nicht! Es gibt Einwegflaschen aus Plastik, die nimmt Lidl, ferner Mehrwertflaschen, die nimmt Reichelt, außerdem Bionade-Glasflaschen und Afri-Colaflaschen, die im taz-café gesammelt werden. Und die Bierflaschen – wo ich die lassen sollte, das wußte keiner so genau.

Schließlich trug ich zwei gelbe Postbehälter voller Plastikflaschen zu Lidl. Der Supermarkt befindet sich gegenüber vom Arbeitsamt zwischen zwei Firmen, die Umschulungen und Existenzgründerhilfen anbieten. Ich gehe prinzipiell nicht in Supermärkte, weil dort nur Dreck verkauft wird – und sie zudem die Produzenten derart knebeln, dass ihnen nichts anderes übrig bleibt, als Supermarkt-Dreck zu produzieren. Und irgendwas in Flaschen habe ich auch schon seit Jahren nicht mehr gekauft – außer Rotwein. Die leeren  Weinflaschen schmeiß ich bei mir zu Hause in den Müllcontainer. Wir haben in Kreuzberg, jedenfalls da, wo ich wohne, keine Mülltrennung. Die Formel, mit der  Joschka Fischer regierungsfähig wurde – “Die Mehrkomponentenwertstofftonne ist eine völlige Sackgasse!” – ist bei uns noch nicht angekommen.

Bei Lidl nahm mir die blaß, verpickelt und überhaupt krank aussehende Kassiererin nur ein Drittel der Plastikflaschen ab, den Rest, sagte sie, sollte ich entweder zu Reichelt bringen oder draußen in Plastiktüten hinstellen. Dort würde ihn sofort einer der Flaschensammler mitnehmen. Das tat ich dann auch – und es dauerte auch tatsächlich keine fünf Minuten, da waren die drei großen Plastiktüten gefüllt mit Plastikflaschen weg.

Schröder schuf das verarmungswürdige Hartz IV-System und Fischer dazu den anständigen Nebenverdienst Pfandflaschensammeln. Am Montag titelte die BILD-Zeitung “Die Armut steigt. Und immer mehr Menschen in Berlin und Brandenburg bessern sich die Stütze mit Flaschensammeln auf.”  Dazu begleiteten die gutdotierten Schweinejournalisten aus dem Springerkonzern das arme Schwein Peter K. (30), der zusammen mit seinem auf Minimalrente gesetzten Vater zu den rund ein Dutzend Flaschensammlern gehört, die ihr Revier am Olympiastadion haben. Er sammelt in diesem El Dorado der Flaschensammler Dosen, Einweg- und Mehrwegflaschen, die er in seiner “Basis” – einem Einkaufswagen – deponiert und dann in einem Supermarkt direkt am Stadion-Einlaßbereich abgibt. Ein voller Wagen bringt ihm rund 25 Euro ein.

Die BILD-Journalisten gaben sich ordentlich Mühe und listeten “Die besten Reviere” in der Stadt auf, außerdem erklärten sie, “Welche Flasche wieviel einbringt”. Sie wären aber nicht die staatstragenden Schweinejournalisten, die sie sind, wenn sie nicht auch noch hinzugefügt hätten, wie dieses “Einkommen” der Flaschensammler hernach versteuert werden muß: “Für Bezieher des Arbeitslosengeldes I gilt: Flaschensammeln ist ein Nebenverdienst, der bis zu 165 Euro frei ist. Maximal darf dieser Arbeit 15 Stunden nachgegangen werden. Bei Hartz-IV-Empfängern ist die Lage etwas anders: Es ist einer Erwerbstätigkeit gleichzusetzen. Ein Freibetrag von 100 Euro im Monat ist erlaubt. Doch generell muß jeder Verdienst durch Flaschensammeln, egal wie hoch, angegeben werden.”

Is es die Möglichkeit?! Wen soll man zuerst liquidieren: die BILD-Zeitung? die Arbeitsämter? die Finanzämter? die Supermärkte? die Regierung? das ganze Pfandflaschensystem?

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/11/07/flaschenwege/

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kommentare

  • Wenn man die vorstehenden Zeilen gelesen hat, bekommt man nahezu das große kotzen!!
    Da brüsten sich unsere Politiker beim G8-Gipfel die Armut in der “3.Welt” zu bekämpfen und im eigenen Land schauen die zu wie unsere Armen verrecken. Nun wollen die auch noch den Flaschensammlern an den sowieso fast leeren Geldbeutel. Armes Deutschland. Wenn ich nicht schon über 60 Jahre alt wäre und chronisch krank, wüde ich Deutschland für immer verlassen. Trotzdem gibt es eine große Hoffnung!! Unsere Jugend ist besser als ihr Ruf. So können wir aufgrund dieser Tatsach auf eine bessere Zukunft hoffen. Von den Politikern die z.Zt. am Schlatheble der Macht sind kann man nichts erwarten. Schade!!!!
    mfG.

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