Liebe FreundInnen, KollegInnen, GenossInnen! In den Kämpfen der ArbeiterInnen im italienischen 'Heißen Herbst' 1969 entwickelte sich eine revolutionäre Dynamik mit enormer Ausstrahlung. Ausgehend von ihren eigenen Bedingungen und Bedürfnissen stürzten sich viele hunderttausend Menschen in die unterschiedlichsten Kämpfe: für mehr Lohn und weniger Arbeit, eigenständiges Herabsetzen von Miet- und Energiekosten, proletarisches Einkaufen, Hausbesetzungen, Kämpfe an der Uni, Lohn für Hausarbeits-Kampagnen u.v.a. Diese Kämpfe erhielten ihre Durchschlagskraft, weil in ihrem Zentrum der Massenarbeiter stand. Begriffe und politische Konzepte wie 'Klassenzusammensetzung', 'Untersuchung' und vor allem '(Arbeiter-)Autonomie' sind in diesem historischen Zusammenhang entstanden. Heißt das was für hier und heute? Einerseits wird 2006 das Jahr mit den meisten Streiks in der BRD seit 1992 sein, andererseits erblühen in der radikalen Linken seit Jahren philosophische Phantasien wie 'Multitude', Konstrukte wie das 'Prekariat' und realpolitische Forderungen wie 'Existenzgeld'. Die Streiks haben keine Ausstrahlungskraft und die Philosophien führen nur zur weiteren Abschottung der linken Szene von der sozialen Wirklichkeit. Lässt sich das aufbrechen? Wir werden einen Film von Ende 2004 zeigen, in dem Arbeiter von ihren Kämpfen Ende der 60er/Anfang der 70er in Porto Marghera erzählen (siehe unten) und zwei Referate vorbereiten, um in eine produktive Diskussion zu kommen. Veranstaltung am 18.12.06 um 19 Uhr im kato (unter der Haltestelle Schlesisches Tor) alles weitere entnehmt bitte unserer Website: http://www.wildcat-www.de/veranst.htm Die DVD (mit zwei Filmen "Porto Marghera. gli ultimi fuochi" und "Porträt Augusto Finzi"; der erste ist untertitelt in Deutsch, Englisch, Französisch und Polnisch; der zweite in Deutsch und Englisch) legen wir für AbonnentInnen der nächsten Wildcat gratis bei. Zur DVD gehört ein 80seitiges Booklet mit Material zum Film (historische Texte, aktuelle Interviews, Reden, Hintergrundmaterial). hasta la vista! eure wildcatsFILM ÜBER DIE ARBEITERKÄMPFE IM INDUSTRIEGEBIET PORTO MARGHERA Wir haben über ein Jahr lang an der Herausgabe des Films »Porto Marghera. Die letzten Feuer« (2004) als DVD mit Untertiteln gearbeitet. Das hat vorallem zwei Gründen: Der Streik bei BSH ist dazwischen gekommen. Und: Die Arbeit an der DVD hat viel mehr Spaß gemacht als gedacht. Was hat uns genau Spaß gemacht? 1) In den 60er und 70er Jahren haben viele radikale Linke nach Italien geguckt, weil dort so spannende Sachen passierten... Der Operaismus wurde als libertäre, emanzipatorische Theorie gesehen. Für GenossInnen, die die Sprache lernten und hinfuhren, folgte die Ernüchterung: die operaistischen Gruppen und auch diejenigen der Arbeiterautonomie in den 70er Jahren waren ultraleninistische Organisationen; die Organisierte Autonomie '77 ff. nahm jeweils aktuelle Themen auf und setzte sich mit ihrem Apparat drauf - bis hin zu den tute bianche bzw. disobbedienti, wie sie heute heißen. -- Der Film zeigt, dass die Arbeiterkämpfe in den 50er, 60er und 70er Jahren eine andere Realität waren... 2) ... die "Arbeiterautonomie" war die praktische und massenhafte Überwindung der Lenin'schen Behauptung, die Massen könnten nur tradeunionistisches Bewusstsein entwickeln und bräuchten deshalb die Führung durch die revolutionäre Partei. Der heiße Herbst '69 ist einmalig in der Klassengeschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg, was die Erfahrungsprozesse in den Kämpfen und ihre Ausweitung ins ganze soziale Gefüge betrifft. 3) Arbeiterkampf - und das kann man in dem Film gut sehen - hieß: Kampf in der Fabrik, Hausbesetzungen, Kampf im Stadtteil, Strom- und Mietstreiks, Hausbesetzungen, vor allem aber Kampf gegen die (gesundheitsschädliche) Arbeit - das ging von alternativer Medizin, über die Beschäftigung mit dem Essen bis hin zu direkter Aktion und Arbeitszeitverkürzung. Arbeiterkampf im Gegensatz zum Gewerkschaftskampf ist gar nicht so sehr die komplette Ablehnung aller Institutionen, sondern die kompromisslose Durchsetzung der eigenen Bedürfnisse als Arbeiter - und das ist letztlich der Wille, die eigene Lage zu kritisieren und abzuschaffen. Die Fabrik und die Arbeiter(innen) werden im Film äußerst scharf und radikal kritisiert - das gleiche müsste gegen Programmierer, Bank- und Versicherungsangestellte, Beschäftigte im Öffentlichen Dienst usw. erst noch geleistet werden! - Ein wesentliches Manko der heutigen Kämpfe und Kampagnen: Ihnen fehlt die Perspektive, die eigene Lage umzustürzen (z.B. bei der Forderung nach Existenzgeld ). 4) Die Kampfformen in der Fabrik waren vielfältig und innovativ: Schachbrettstreik, Stop-and-go-Streik, Kombination aus beidem, Sabotage, wilder Streik ohne Forderungen, Umzüge, sit-ins, go-ins, Bummelstreiks, verhasste Kapos verprügeln - und immer wieder: Versammlungen, auf denen alles beschlossen wurde - diese Basisorientierung ist ein wichtiges Kriterium der Klassenkämpfe in Italien. Der Egalitarismus war ein sehr starker Antrieb, gegen die Gewerkschaft haben sie gleiche Lohnerhöhungen bzw. sogar umgekehrt proportionale Lohnerhöhungen durchgesetzt. Anfang einer Debatte? Positiv überrascht hat uns die (neue) Bereitwilligkeit der damaligen Arbeiteraktivisten (alle, die noch leben, sind auch heute noch in food coops, Mieterinitiativen usw. aktiv) zu reden - wir haben also zusätzliche Interviews gemacht. Inzwischen machen die Arbeiter selber Veranstaltungen mit dem Film. Wir haben die Veranstaltungen zusammen besucht. Deshalb hat die Arbeit an dem Film und am Booklet so lange gedauert. Mitte Dezember kommt aber die DVD aus dem Presswerk und die Wildcat 78 aus der Druckerei. Wir sind guten Mutes, am 18. im Kato beides zur Hand zu haben. Der Film hat bereits einiges ausgelöst; u.a. beginnt jetzt - endlich! - eine Untersuchung über die Arbeiterkader von PotOp; bisher hat niemand mit ihnen geredet. Es geht also nicht um den Blick zurück auf eine abgeschlossene Geschichte, sondern um den Beginn einer Auseinandersetzung, in der endlich auch die Protagonisten der damaligen Kämpfe, die Arbeiter selbst das Wort ergreifen.... Der Film ist in vielen Bezügen sehr »modern«: es geht um Kämpfe gegen Sub-Unternehmer, gegen Sklavenhändler, gegen Zeitverträge, gegen Betriebsschließungen, gegen gesundheitsschädliche Arbeit... Die Kämpfe stießen an drei Grenzen, die noch heute aktuell sind: die Krise, die Gewerkschaft, die Repression: 1) Unternehmer in die Krise treiben und ggf. kaputt machen - aber was, wenn die Revolution nicht gelingt? Die Branchen ins Ausland treiben - und dann? (Kämpfe gegen Betriebsschließungen ziehen sich wie ein roter Faden durch den Film, von 1950 bis 2004) 2) Revolutionäre Gruppen und ArbeiterInnen können radikale neue organisatorische Lösungen finden, aber die institutionellen Vertreter gewinnen die Oberhand, sobald es um die Absicherung des Erkämpften geht (diese Fragestellung wird erst deutlich, wenn man den zweiten Film auf der DVD anguckt). 3) Repression: Was tun gegen einen Staat, der 4000 Aktivisten in den Knast schmeißt und Tausende in den Untergrund oder das Exil treibt?! (Ermittlungsverfahren »7. April«) Bereits im Heißen Herbst begann die »Strategie der Spannung«: am 12. Dezember 1969 werden in Mailand und Rom fünf Bomben deponiert, in Rom gehen drei hoch und verwunden Menschen, die Bombe in der Piazza Fontana im Zentrum Mailands tötet 16 und verwundet 90 Menschen. In den folgenden Jahren werden immer wieder faschistische Gruppen im Dienst staatlicher Stellen Bomben in Züge legen. Der Bombenanschlag am 2. August 1980 auf den Hauptbahnhof von Bologna, ist der grausige Höhepunkt. Es sterben 85 Menschen und 200 werden verletzt. Im Herbst 1980 beenden der »Marsch der 40 000« und die Unterschrift der Gewerkschaft unter ein Abkommen, das »Kurzarbeit zu null Stunden« für 23 000 Fiat-ArbeiterInnen vorsieht, einen ganzen Kampfzyklus. Danach wurde auch die Strategie der Spannung (vorläufig?) nicht mehr gebraucht. 1981 flog die Geheimloge P2 auf. Sie bereitete den Staatsstreich mit vor und hatten in vielen Attentaten ihre Finger drin – eines ihrer Mitglieder sollte später Ministerpräsident werden. Die Strategie der Spannung, der 7. April usw. kommen im Film nicht explizit vor, man muss sie aber mitdenken, da viele der aktiven Arbeiter jahrelang im Knast waren.
Anzeige
UND DER REST.
UND WO IST DAS
KONKRETE.
DIE HABEN EIN PROBLEM AM FREITAG.
NICHT WAHR
HEIßT JA BLOß NOVELLE
EINER
GESETZ
GEBUNG
WERBUNG ÜBER UND ZWISCHEN DIE KÖPFE DER LEUTE
WO STEHT DAS DA OBEN.
12.12.2006 abends.
ein jemand.