vonHelmut Höge 20.12.2006

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Rudi Stoert, einer der begnadetsten – ich weiß, was ich da sage! – Künstler/Projektemacher um den Philosophen “Fascho-Kurt”, zog es vor einiger Zeit nach Chiang-Mai (Nordthailand) – er widmete sich dort u.a. der WWW-Scene an der Uni. Einmal startete er einen Spendenaufruf – dem ich jedoch leider nicht nachkommen konnte, da ich selber klamm war und bin. Dann hörte ich über ihn, dass er in ein buddhistisches Kloster gegangen sei – was ja in Thailand nichts Ungewöhnliches ist: man kann dort jederzeit “reingehen” – und auch wieder aus. Es ist in etwa das selbe Prinzip wie es seinerzeit mit der Drogenentzugs-Selbsthilfe “Release” in der Potsdamer Straße praktiziert wurde: “Ja, dreh ruhig draußen noch mal eine Runde, wenn du meinst, es zu müssen…” Als (faschistisch-soldatisches) Pendant zu diesem Guerillakonzept, an dem wir uns immer wieder mit Spenden beteiligt hatten, war dann “Synanon” entstanden – das natürlich und im Gegensatz zu “Release” noch heute fortexistiert: Von Bundespolitikern unterstützt und vom Staat finanziert ist daraus ein richtiggehender Antidrogen-Konzern geworden. Fast so schlimm wie diese komische Homann-Zepp-LaRouche-Partei und diverse andere US-Sekten sowie -Drogenentzugs-Lager.

Rudi Stoert schrieb mir nun, gestern, dass er nach Burma umziehe. Dazu erklärte er:

“ich war einmal vor 3 jahren in burma & habe etliche menschen kennengelernt. von ehemaligen widerstandskaempfern, die unter hausarrest von bewaffnetem aufstand traeumen. oder angehoerigen der zensurbehoerde, die mit wehem auge von der grossen zeit des burmesischen films berichteten (heute muss jeder meter einzeln produziert werden). ich war da, als die ersten 5 internet-cafes gerade ihre lizenz erhalten hatten. da gab’s diesen ex-prof, der seinen job aufgegeben hatte & mir ein aufregendes interview zu lyotard gab — das war bizarr & dabei sehr treffend. jede menge kuenstler habe ich gesprochen. nachts lief ich durch pechschwarze nacht. usw usf. halt so das, was mir immer wieder passiert 🙂 aber nun…, weiss ich gar nichts 🙂 mein herz oeffnet sich gewaltig & singt vor freude, ich solle mich nicht sorgen. erstaunlich. habe ich noch nie erlebt, sowas. das peter genthe nach chiang mai kommen will, finde ich eine gute entscheidung. ich freue mich fuer jeden aus dem westen, der aufmerksam genug ist, sensibel, um eigene veraenderung moeglich zu machen.

chiang mai ist noch immer eine sehr glueckliche stadt. es hat sich allerdings in den letzten 2 jahren gewaltig veraendert. das ist nicht nur meine wahrnehmung, sondern wird eher von thais geteilt. ich will dazu nichts sagen, es wird zuviel… — aber das land geht ohne zweifel sehr sehr schwierigen zeiten entgegen. ein komplett anderer aspekt ist…, dass “fuer immer” eine ganz schoen lange zeit ist 🙂 nicht wahr? anfangs funktioniert thailand wie eine “miracle-matrix” deiner (auch unbewussten) wuensche. wenn du lange genug bleibst, verfluchst du vielleicht dein bleiben 🙂 wenn du noch laenger bleibst, scheint der kulturelle graben letztlich absolut unueberwindlich — & so erleben auch die meisten farang eine de facto realitaet. & dann braucht es nicht zeit…, sondern etwas anderes, um gelegenheit & glueck zu erfahren…, dass eben alle menschen… menschen sind…, in ihrem leiden :-)”

Ich hatte Rudi Stoert zuvor einen noch unfertigen Text über “Das Verschwinden bzw. Unwahrnehmbar-Werden” geschickt. Dazu merkte er nun an:

” zu deinem text, den ich wie eh & je gern gelesen habe, fallen mir ein paar andere stichkanaele ein: mao & maoistische guerilla bzw. “VIETNAM”. tao, das tao 🙂 bei merve gab’s mal “aesthetik des verschwindens”. aber das beruehrt in der ideen-topologie dann auch schon wieder “territorien von transformation”, brueche wie gehabt.

sicher ist ins kloster gehen eine art verschwinden… “nirvana” ist wohl das endgueltigste verschwinden, was je in menschengeschichte erfahren & dann konzipiert wurde 🙂 [aber mir geht’s ja weniger um “nirvana”, erst mal… :-)]”

Man beachte die eckige Klammer am Ende – denn er kam sodann auf “Fascho-Kurt” zu sprechen, über den der Kulturwissenschaftler Martin Carlé gerade seine Magisterarbeit geschrieben – und veröffentlicht hatte. Im Kadmos-Verlag, während Merve weiter die Originaltexte aus Kurts Nachlaß herausgibt. Dabei fällt gerade mir ein: Hieß nicht der Fascho in Joseph Conrads Hauptroman “Im Herzen der Finsternis” auch schon Kurt? Egal, Rudi Stoert schreibt:

” dass “kurt” thema einer magisterarbeit wird… empfinde ich… als mehr als gerechtes schlechtes karma 🙂 soviele worte & dann werden aus einem verrottenden leichnam (biologisch, soziologisch, ideen-historisch) nochmal mehr worte geklaubt 🙂 that’s so funny, Helmut 🙂 so funny :-)”

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https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2006/12/20/burma-mit-bravour/

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