vonHelmut Höge 17.08.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

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Der Umzug einiger taz-Abteilungen hat viele böse intranet-mails losgetreten – von Betroffenen, sich dadurch belästigt Fühlenden, Genervten etc., was auf eine dadurch noch mehr gesunkene Arbeitsmoral schließen läßt, die das frühere politische Engagement der tazler ersetzt hat. Dazu trägt aber auch der komische Sommer sowie das taz-café bei: immer mehr Mitarbeiter sitzen immer länger dort unten – im Garten und diskutieren. Das Lesen der eingesandten Texte durch die Redakteure dauert immer länger, die Arbeitszeit wird immer kürzer gestaltet, die Ansprüche (neue Tische, Bürostühle etc.) werden immer größer, die in der Zeitung behandelten Themen immer mainstreamiger…Hinzu kommt noch ein wachsender Ressort- bzw. Abteilungsegoismus in Verbindung mit einer sich verschärfenden Trennung von Hand- und Kopfarbeit, die mit dem Idiotenbegriff “Professionalisierung” verkleistert wird. Das geht so weit, dass z.B. eine taz-mitarbeiterin nach unten in den Ersten Stock läuft, um sich dort eine Tasse Kaffee einzuschenken – dann sieht sie aber, dass die Kannen alle leer sind. Enttäuscht dreht sie sich um und geht wieder – mit der Bemerkung “Da müßte auch mal wieder irgendjemand Kaffee neu aufsetzen”. Dies in Stichworten mein Eindruck nach erneuten sechs Wochen Aushilfshausmeisterzeit.

Hier einige Gedanken dazu von einem Medienforscher, Lutz Hachmeister, über das Elend des deutschen Journalismus insgesamt – aus der heutigen Jungle World – unter der Überschrift “Der Kritiker ist nicht mehr attraktiv”:
JW: Vermehrt finden sich aber doch jetzt schon soziale Themen in der Berichterstattung. Auf der Suche nach neuen Polaritäten scheint ein Linksruck durch die Gazetten zu gehen.

LH: Liest man Artikel wie »Deutschland rückt nach links«, mit dem die Zeit vergangene Woche aufmachte, könnte man das glauben. Aber das sind nachgeholte Effekte des verblüffenden Ergebnisses beim Bundestagswahlkampf 2005. Das Resultat war von den führenden Kommentatoren so nicht erwartet worden. Die Journalisten sind nun vorsichtiger geworden und schauen wieder schärfer auf die Stimmung in der Bevölkerung.

Bei der Umfrage »Journalismus in Deutschland 2005« gaben weniger als 20 Prozent der Journalisten an, eigene Ansichten präsentieren zu wollen. Gehört der kritische Journalist der Vergangenheit an?

In der Tat ist die Rolle des Gesellschaftskritikers nicht mehr attraktiv. Der Verlust an Utopien hat auch damit zu tun, dass man in dieser Gesellschaft als Journalist durchaus bequem leben kann. Die führenden Journalisten gehören zur Upper Class und haben sich mit den Zuständen arrangiert. Politische Gegensätze sind im Mainstream der bürgerlichen Presse aufgegangen.

Den politischen Mainstream bezeichnen Sie in Ihrem kürzlich erschienenen Buch als neokonservativen Zentrismus. Warum ist das linksliberale Projekt des deutschen Nachkriegsjournalismus gescheitert?

Es gibt in der Publizistik einen graduellen Drift nach rechts bis in den bürgerlichen Liberalismus hinein. Das ist sehr weit entfernt von dem ursprünglichen liberalen Projekt, das unter Willy Brandt und Walter Scheel begründet wurde und sehr stark mit dem linksliberalen Flügel der FDP zusammenhing, der auch nicht mehr existiert. Die Frankfurter Rundschau hat schon in den achtziger Jahren ihre Rolle im linksliberalen Spektrum verloren. Einstige Unterstützer der sozial­liberalen Koalition wie Der Spiegel feierten Helmut Kohl später als brillanten Kanzler.

Zudem gibt es eine starke Bewegung in kultureller, gesellschaftlicher und politischer Hinsicht gegen die 68er-Generation. Der dritte Faktor ist die generelle Ökonomisierung des Journalismus, die den Chefredakteur zu einem journalistischen Manager macht.

Analog zur Theorie der verspäteten Nation erklären Sie, dass in Deutschland der Journalismus eine verspätete Profession ist. Wie wirkt sich das auf den derzeitigen Zustand des deutschen Journalismus aus?

In der deutschen Mediengeschichte hat es enorme Brüche gegeben, vom Kaiserreich über die kurze Phase einer jüdischen Intelligenz in der Weimarer Republik, die diktatorische Propaganda des NS, das Anlernen angelsächsischer Normen nach 1945 und der für den Journalismus noch nicht ganz erforschte Umbruch von 1989. Der politische Journalismus musste sich mit diesen Brüchen und der Staatswerdung auseinandersetzen. Das ist in Ländern wie Großbritannien und den USA grundsätzlich anders. Dort gab es viel früher eine hohe Akzeptanz von Medienkultur als Massenkultur und ein journalistisches Bewusstsein darüber, nicht nur für Teileliten zu schreiben und der publizistische Berater des Politikers zu sein, sondern sich an größere Öffentlichkeiten zu wenden. Hierzulande ist immer noch nicht angekommen, dass Journalismus sehr viel mit Stil, Sprachmelodien und Wortmagie zu tun hat.

Dafür spricht, dass Tom Wolfes berühmter Aufsatz über den modernen Journalismus, »The New Journalism« von 1973, nie ins Deutsche übersetzt wurde. Was ist der Grund für den konservativen Charakter deutscher Publizistik?

Eine Resistenz gegen populäre Kultur. Mittlerweile finden wir zwar selbst in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Popkritiken und ziselierte Gesellschaftsreportagen in der Zeit und im Spiegel, aber das ist mit 30 Jahren Verspätung erst eingetroffen. Das hat mit der unbedingten Ankopplung des hiesigen Journalismus an die operative Politik zu tun. Andere Ressorts, nehmen wir mal das Feuilleton in der Weimarer Republik aus, sind lange Zeit nicht ernst genommen worden. Da hat jetzt eine Aufholjagd begonnen, die langsam ins Gegenteil umkippt. Im Moment hat der politische Journalismus enorm an Bedeutung verloren, weil er kein politisches Referenzprojekt mehr findet, während andere Ressorts wie Wissenschaft, Feuilleton, Gesellschaftsreportagen an Relevanz zulegen.

Das politische Referenzprojekt ist offensichtlich der »gelassenene« Nationalismus. In Ihrem Buch stellen Sie glühende Patrioten wie den Journalisten Matthias Matussek in eine nationalromantische Traditionslinie mit Jo­seph Goebbels und Ernst Jünger. Ist der deutsche Journalismus auf dem Weg dahin zurück?

Romantik ist immer ein Rückfall. Abgesehen davon, dass man über die Geschichte von nationalen Eigenheiten im kulturhistorischen Sinne reflektieren kann und soll, ist jeder politische Rekurs auf die Nation als normsetzendes Gebilde von gestern. Wir reden ständig über Globalisierung und die Verlagerung politischer Kompetenzen nach Brüssel. Das mag man bedauern, aber das ist die Realität. Da sollte man sich nicht in eine publizistische Gegenbewegung mit einer Mischung aus neuer Religiosität und nationaler Romantik flüchten. Das ist nicht Aufgabe des Journalismus. Dieser ist ein skeptischer, ironischer Beruf. Das wird in den angelsächsischen Ländern viel eleganter beherrscht, ohne dass man ständig zynisch oder negativistisch argumentieren müsste. Ein Journalist muss eine distanzierte Grundhaltung zu nationalistischen Strömungen, die mit Kampagnen wie »Du bist Deutschland« befeuert werden, einnehmen.

Sie sagen, der Journalismus ist kein konservativer Beruf. Gleichzeitig halten Sie Frank Schirrmacher für den innovativsten Journalisten in diesem Land. Ist das kein Widerspruch?

Er argumentiert ja selber widersprüchlich. Irgendwann hat Schirrmacher entdeckt, dass die letzten Reste der Nationaldebatte, ob es Walser gegen Bubis war oder die Mitgliedschaft von Günter Grass in der SS, nur noch Themen für die traditionelle Klientel der FAZ sind. Auf der anderen Seite hat er versucht, die »Berliner Seiten« durchzusetzen, Donaldisten und Popjournalisten im Blatt gefördert. Einerseits bedient er die alte Klientel, andererseits hat er das Blatt erheblich modernisiert. Die FAZ ist insgesamt sehr viel wagemutiger als die Süddeutsche Zeitung oder gar die taz. Ob einem das politisch gefällt oder nicht, Schirrmacher ist einer der wenigen Konzeptionisten in der deutschen Presselandschaft.

Die Berliner Seiten von FAZ und SZ wurden allerdings wieder eingestellt. Die riesige Anzahl der »Haupstadtredakteure« sorgt bei weitem nicht für eine entsprechende qualitative Berichterstattung aus Berlin. Ist der »Hauptstadtjournalismus« gescheitert?

Paradox ist, dass der politische Journalismus in seinen klassischen Formen, also der Parlamentskorrespondent oder der politische Leitartikler, erheblich unwichtiger geworden ist. Das heißt nicht, dass wir nicht vor enormen internationalen Problemstellungen stehen, aber die sind abstrakter und dem Leser nicht so spannend zu vermitteln wie eine Redeschlacht zwischen Franz Josef Strauß und Herbert Wehner.

(Lutz Hachmeister war unter anderem Medienredakteur des Berliner Tagesspiegel, Leiter des Adolf-Grimme-Instituts, gründete das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik in Charlottenburg und drehte den Film »Schleyer – eine deutsche Geschichte«. Er veröffentlichte mit »Die Herren Journalisten« die erste Monographie über die NS-Kontinuitäten im deutschen Nachkriegsjournalismus. Im Mai erschien das Buch »Nervöse Zone. Politik und Journalismus in der Berliner Republik«. interview: doris akrap)

P.S.: Während die SPD weiter vor sich hinkriselt – wegen ihres unseligen Hartz-IV-Pakets – und bereits die ersten sozialdemokratischen Parteivorständler damit liebäugeln, zur “Linken” Partei abzuwandern, wird im Tagesspiegel und in anderen Spießbürger-Medien Oskar Lafontaine mit Jörg Haider verglichen oder in anderer Weise derart verunglimpft. Wie sagte Leo Trotzki einmal? “Perioden der Reaktion zeichnen sich meistens durch Mangel an Mut zum Denken aus” und “Der Gendarm triumphiert wieder”…So urteilte er 1936 über die Verkleinbürgerlichung und Verbürokratisierung der russischen Revolution nach Liquidierung “seiner” linken Opposition. “Doch schon 1926 sagte Krupskaja im Kreise der Linksoppositionellen: ‘Lebte Iljitsch, er säße bestimmt schon im Gefängnis’.” So ähnlich, nur viel schlimmer, ist seit der Auflösung der Sowjetunion auch die Situation in den westlichen Ländern: Die Reaktion marschiert – an allen Fronten, auch und vor allem in den Medien, denn die Professionalität der Journalisten besteht in ihrer Fähigkeit, sich besonders schnell den wechselnden Zeitströmungen anzupassen – also “in ihrer moralischen Verkommenheit”, wie es der FAZ-Herausgeber Fest ausdrückte. Höhepunkt dieser ganzen schrecklichen Verschweinung ist die Verhaftung eines HUB-Soziologen wegen seines kritischen Jargons. Siehe nächste Eintragung.

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kommentare

  • Noch mal zur Medienkampagne gegen Oskar Lafontaine:

    Der stern interviewte den SPD-Umweltminister Sigmar Gabriel – und kam dabei auf den kleinenn Eisbären im Westberliner Zoo – Knut – zu sprechen, woraufhin dieser Schwachkopf von Minister entgegnete: “Knut hat Substanz und Kraft! Das unterscheidet ihn von Oskar Lafontaine. Der erzählt Märchen, sagt den Menschen, die Globalisierung sei rückholbar. Er sagt: Raus aus Afghanistan. Er will, dass wir uns aus der internationalen Verantwortung stehlen. Das ist feige.”

    In der Jungen Welt nahme sich Werner Pirker eine Lafontaine-Schmäh der Journalistin Tissy Bruns vor:
    Ein Irrlicht geht um in Deutschland«, vermerkt Tissy Bruns im Berliner Tagesspiegel. Sie meint den Populismus – in Person eines früheren SPD-Vorsitzenden. Daß eine Partei links von der SPD Wählerzuspruch findet, bewegt sich aus Sicht der Autorin durchaus noch im Bereich demokratischer Normalität. »Aber diese Linke«, fährt sie fort, »schafft einem die Bühne, der mit der PDS und mit der westdeutschen Altlinken gar nicht wirklich verbunden ist, dafür aber etwas Neues entschlossen obendrauf setzt. Er heißt Oskar Lafontaine. Er ist der deutsche Haider.«

    Warum die Deutschen in einem Links­politiker ihren Haider gefunden haben, ist für Bruns schnell erklärt: »Weil Lafontaine klassische linke Muster geschmeidig mit der Sehnsucht nach einem national begrenzten Sozialstaat verbindet, wirkt sein Populismus in alle Himmelsrichtungen.« Es ist die altbekannte Methode, wie man sie aus der Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus kennt. Soll heute ein Linker aus dem demokratischen Verkehr gezogen werden, ist er als verkappter Rechter bloßzustellen. Wer ein wirklicher Linker ist, bestimmt die liberale Meinungsvorherrschaft. Das entspricht im wesentlichen dem Selbstbildnis einer Linken, die längst nicht mehr als Kritikerin der liberalen Wertegemeinschaft auftritt, sondern als deren unruhiges Gewissen und die Ausschlußanträge gegen tatsächliche und vermeintliche Rechte längst vorformuliert hat.

    Frau Bruns hält es nicht der Mühe wert, ihre schwerwiegende Anschuldigung argumentativ zu begründen. Politisch korrekter Debattenstil bedarf keiner Argumente. Oskar Lafontaine ist der deutsche Haider. Punktum. Die Autorin unternimmt nicht einmal den Versuch, inhaltliche Übereinstimmungen zwischen den beiden Politikern herauszuarbeiten. Statt dessen wütet die reine Sugge­stion. »Andere Nationen kennen längst ihren Le Pen, Haider oder Pim Fortuyn«, wird Lafontaine als verspätete deutsche Erscheinung gleich einmal in die Reihe europäischer Rechtspopulisten hineinprojiziert. Doch da ist noch die Frage zu klären, warum sich diese Strömung in Deutschland vorerst nicht durchzusetzen vermochte. »Auch hierzulande gibt es ja Modernisierungsängste und es gibt einen rechten Sumpf«, weiß Tissy Bruns. »Doch es fehlte die charismatische Führungsgestalt, die solche Stimmungen erst in Wählerstimmen ummünzen kann. Die haben wir nun – in Oskar Lafontaine.«

    Damit ist freilich immer noch nicht erklärt, warum ein Linkspolitiker zur charismatischen Führungsgestalt der Rechten werden konnte. Frau Bruns klärt auf: »Gerade weil er nicht von rechts kommt, sondern von links kommt, kann er in Deutschland der Anführer einer Strömung werden, die alle sozialen Ängste bündelt und gegen das bestehende Parteiengefüge richten kann – so wie Haider seinerzeit Österreich aufgerollt hat.« In Deutschland muß man also, anders als in Frankreich, Österreich oder Holland, von links kommen, um massenhafte Zustimmung zu erlangen und das System aufzurollen. Das entspricht so gar nicht dem Deutschland-Bild der liberalen Meinungseliten, das eine besondere Anfälligkeit der dumpfen Volksmassen für rechtsextremes Gedankengut suggeriert.

    Überhaupt schien es, als gehörte der Kampfruf »Der Feind steht rechts!« bereits zum guten Ton – gegen alles gerichtet, was nicht gut-bürgerlich ist. Man schlägt die Rechte und meint die Linke. Thematisiert die NPD die soziale Frage und beantwortet sie auf ihre rassistische Weise, gerät die Frage unter Rassismusverdacht. Und nicht minder eine soziale Antwort. Je sozialer, desto populistischer.

    »Sein (Lafontaines) Populismus ist nicht rechts und ist nicht links«, löst Bruns nun doch den Widerspruch eines linken Rechtspopulismus auf. »Er betreibt die Aktivierung aller Ressentiments gegen die repräsentative Demokratie – zu der die alte PDS-Linkspartei gar nicht fähig war, weil sie sich wegen ihrer Vergangenheit noch als Partei in der Demokratie beweisen muß, vielleicht sogar will.« Zwar hat Lafontaine zu keinem Zeitpunkt die repräsentative Demokratie in Frage gestellt, doch sieht die Frau vom Tagesspiegel diesen Tatbestand bereits in der Intensivierung des sozialen Diskurses und der Gegnerschaft zum Krieg erfüllt.

    Man muß es der Tissy lassen: Sie hat den gegenwärtigen Zustand der repräsentativen Demokratie exakt auf den Punkt gebracht. Repräsentativ ist, wenn die Repräsentanten gegen die Interessen der Bevölkerungsmehrheit regieren. Das geht auf Dauer nur, wenn alle repräsentativen Parteien auf »Reformlinie« und Kriegskurs gebracht werden. Wenn sich die Linkspartei als demokratisch beweist und keine Irrlichter mehr in Deutschland umgehen.

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