vonHelmut Höge 18.10.2007

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt.

Mehr über diesen Blog

Im taz-café liegt ein Leporello aus mit dem der neue Film von Marco Kreuzpainter “Trade” angekündigt wird, der ab heute in den Kinos läuft. Denn heute ist der “Tag gegen Menschenhandel” und der Film handelt “beklemmend präzise” wie der Spiegel schreibt von Menschenhandel. Wenn der Spiegel etwas Amerikanisches als “präzise” bezeichnet (oder umgekehrt , etwas Osteuropäisches als “marode”). Dann kann man fast sicher sein, dass es sich genau umgekehrt verhält. Und tatsächlich bekam ich heute eine “Pressemitteilung” der Frankfurter Hurenorganisation “Dona Carmen”, die zu diesem Thema gerade eine Konferenz veranstaltete. In ihrer Mail heißt es:

18. Oktober: Europäischer Tag gegen „Menschenhandel“

– Schluss mit der Hysterie!


Die Prostituiertenorganisation Doña Carmen e.V. (Frankfurt/Main) fordert ein Ende der verbreiteten Hysterie zum Thema „Menschenhandel“. Die Debatten darüber beruhen in den seltensten Fällen auf Fakten, sondern auf fiktiven Annahmen.

So bedauerte das Europäische Parlament in einer Stellungnahme vom Januar 2006 „den Mangel an verlässlichen Daten über das Phänomen des Menschenhandels in Europa sowie die Tatsache, dass weder Kommission noch Europol noch irgendeine andere Einrichtung

der EU in der Lage war, konkrete Zahlen über das EU-weite Ausmaß des Menschenhandels zu veröffentlichen, und bedauert insbesondere den Mangel an Daten über stärker gefährdete Gruppen wie Frauen und Kinder… “

 So erklärte ein im Juli 2006 veröffentlichter Bericht des US Government Accountability Office (GAO) – eine amerikanische Regierungsbehörde mit Sitz in Washington D.C.: „Die US-Regierung schätzt, dass jährlich 600.000 bis 800.000 Personen über internationale Grenzen gehandelt werden; nichtsdestotrotz sind solche Schätzungen der weltweiten Menschen-handelsopfer fragwürdig. Die Genauigkeit der Schätzungen wird aufgrund methodologischer Bedenken, Lücken bei den Daten und zahlenmäßiger Abweichungen in Zweifel gezogen. Die Schätzung der US-Regierung wurde – um das zu verdeutlichen – von einer einzigen Person entwickelt, die nicht ihre gesamte Arbeit dokumentiert hat, so dass diese Schätzung nicht mehr nachvollziehbar ist und damit Zweifel hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit aufwerfen dürfte.“

 Laut bundesdeutscher Polizeilicher Kriminalstatistik zur Entwicklung des Straftatbestands „Menschenhandel“ sind in der Zeit von 1998 bis 2005 die Zahl der Fälle sowie Tatverdäch-tigen bei Menschenhandel um 39%, die Zahl der mutmaßlichen Opfer sogar um 69% zurückgegangen. Pro Jahr werden lediglich 140 Personen hierzulande als Täter verurteilt.

 Es ist das Ziel der Kampagnen gegen den so genannten Menschenhandel, die freiwillige Migration insbesondere von Frauen in reichere Industrienationen zu unterbinden. Dies trifft besonders Prostituierte. Dagegen wendet sich Doña Carmen.

 Dass sich mit dem Film „Trade“ jetzt auch noch die Märchenfabrik Hollywood mit „Menschenhandel“ befasst, ist nur konsequent: Dichtung und Wahrheit gehen munter durcheinander, die Fakten bleiben auf der Strecke. Diese aber besagen: „Menschenhandel“ ist kein Phänomen von gesellschaftlicher Relevanz.

 

 

 Doña Carmen e.V.

 – Verein für soziale und politische

       Rechte von Prostituierten –

 

     Elbestraße 41

     60329 Frankfurt/Main

   

 Tel/Fax: 069/ 7675 2880

     eMail:DonaCarmen@t-online.de

     www.donacarmen.de

 

 

 

 

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2007/10/18/schlepperbandenmenschenhaendler/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert