vonHelmut Höge 23.09.2008

Hier spricht der Aushilfshausmeister!

Helmut Höge, taz-Kolumnist und Aushilfshausmeister, bloggt aus dem Biotop, dem die tägliche taz entspringt. Gonzo-Journalismus der feinen Art.

Mehr über diesen Blog

Beim Kreuzberger SPD-Spanier „Sol y Sombre“ (Licht und Schatten) am Oranienplatz nahm ich regelmäßig an einer „Hausmeisterkonferenz“ teil – als man dort noch rauchen durfte. Wir hechelten da die Zeit- und Weltläufte durch. Als Grundlagentext diente uns die Kreuzberger Zeitung „Kiez und Kneipe“, die vom DGB-Hausmeister Marenke gegründet wurde, der sich davon jedoch gerade verabschiedet hat. Die Ergebnisse unserer „Konferenz“ kamen gelegentlich meinem taz-blog „Hier spricht der Aushilfshausmeister“ zugute. Dort schrieb ich irgendwann auch über die „1. Berliner Hausmeisterkonferenz“, die 2007 im Neubau der Springerpresse stattfand: „Wenn u.a. die BZ dazu aufruft, den ‚Hausmeister des Jahres‘ zu wählen, und Vattenfall das ‚unterstützt‘ – dann kann es sich dabei nur um etwas zutiefst Menschenverachtendes handeln, auch die ‚Hausmeister-Arbeitskleidungs-Modenschau‘ verspricht ein rechter Ekelspaß zu werden! Hoffen wir, dass sie im Anschluß wenigstens auch noch Freizeitkleidung für Hauswartsfrauen, ‚die viel erahnen läßt‘ (Karl Lagerfeld), vorführen.“ Die Veranstaltung wurde organisiert von „star search“ – einer „galaxy of communication gmbh“. Initiiert hatte sie „Berlin Recycling, das engagierte Entsorgungsunternehmen, das mit seinen lustigen orange-weiß-karierten Wagen durch unsere Stadt fährt und für Sauberkeit sorgt,“ wie es in der Ankündigung hieß. Kurzum: „Die Konferenz sollte nicht die Berliner Hausmeister organisieren, sondern eher desorganisieren,“ befürchtete ich. Die Wohnungsbaugesellschaften schickten steuerabzugsfähig ihre besten Hausmeister dort hin – quasi zur Belohnung für brave Dienste. Der Konferenztitel lautete: „Glückliche Mieter – Zufriedene Eigentümer“ und eines der Kurzseminare befaßte sich zwischendurch mit dem Thema „Der Hausmeister als Prellbock“.

In diesem Jahr, auf der „2. Hausmeisterkonferenz“ (am 16.9.), war nun vom „Hausmeister als Schnittstelle“ die Rede. Der Konferenztitel lautete „Zwischen Umfeld und Umwelt“, denn es ging dabei auch und vor allem um den Hausmeister als „Umweltbeauftragten“. Dazu hatte ich beizeiten – 1996 – den Hausmeister des Kinderheims in Kampehl, Emil Kort, interviewt, den man bereits 1984 zum „Energie- und Umweltbeauftragten“ erklärt hatte: „Von oben kam, ich sollte weniger Kohle verbrauchen und dafür eine Prämie kriegen, die im Heim wollten aber, daß ich nur das Thermometer nach unten hänge, wo es bloß 18 Grad warm war.“ Prellbock/Schnittstelle?

Auf der 2. Konferenz brachte der Hans-Dampf-in-allen-Neuköllner-Gassen- Bürgermeister Buschkowsky (SPD) dann noch einen dritten Term ins Spiel, indem er verkündete: „Der Hausmeister ist das Medium zwischen Mietern und Wohnungsunternehmen.“ Auf unseren „Sol y Sombre – Hausmeisterkonferenzen“ gab es auch mal zwei „Medien“ (Manne und Detlef). Sie wirkten als solche jedoch erst nach Feierabend – zwischen einigen Mietern und deren jüngst verstorbenen Angehörigen. Ihre Séancen fanden oder finden vielleicht immer noch in der SPD-Witwensiedlung am Waldeckpark statt.

Buschkowsky wollte mit dem Begriff darauf hinaus, dass die Hausmeister eine wichtige Funktion haben, die man nicht einfach durch schnöde „Facility Management“-Firmen ersetzen dürfe. Das war auch die Meinung der etwa 300 anwesenden Hausmeister, die „alle original so aussahen wie man sich einen Hausmeister vorstellt,“ wie hernach der Rundfunk meldete, der die Konferenz als eine „Auch-Protestveranstaltung der Hausmeister“ bezeichnete, die sich gegen die sie ersetzenden Facility Manager richtete. Diese wohnen nicht mehr in den Mietshäusern, sondern versorgen und kontrollieren sie nur noch nach Einsatzplänen. „Det kanns ja wohl nich sein!“ wie einer der Konferenzteilnehmer meinte. Ich hatte mich rechtzeitig als Journalist akkreditiert, die Eventagentur befand mich jedoch anscheinend als Aushilfshausmeister nicht für würdig genug, daran teil zu nehmen. In meiner Not wandte ich mich an den Hausmeister des RBB im Haus des Rundfunks – und der sorgte dann dafür, dass der Radio-1-Reporter Simon Schneller in den Springerkomplex sprintete – um Vor-Ort einige O-Töne vom Kongreß einzufangen. Seinen 2,4-Minutenbeitrag leitete er hernach mit dem Fazit ein: „Der Hausmeister von heute – muß sehr breit aufgestellt sein.“ Besser hätte ich das auch nicht sagen können, obwohl es sich sehr nach Cowboy, Gangsta-Rapper und Türsteher anhörte.

Statt der Hausmeisterkonferenz überredete ich meine Freundin, mit mir einen Ausflug nach Neukölln zu unternehmen, d.h. zu den Ortsteilen Britz, Buckow und Rudow. Der Grund: Wir arbeiten gerade an einem Verkaufsausstellungsprojekt namens „Le Grand Magasin“ in der Neuköllner Galerie im Saalbau mit: Dort werden ab dem 9.10 Produkte von Produktivgenossenschaften aus ganz Europa ausgestellt – und wir hatten angefangen, uns ein bißchen mit dem Galerie-„Umfeld“ zu beschäftigen. Britz, Buckow, Rudow kannten wir bisher noch so gut wie gar nicht – im Gegensatz zu dem in Neukölln aufgewachsenen Künstler Thomas Kapielski. Der schrieb 1995 im Katalog der Ausstellung „Inventur“ des Neuköllner Heimatmuseums, dass er den „Problembezirk“ als Heranwachsender regelrecht durchforstet habe, einschließlich der Kaufhäuser Hertie in der Karl-Marx-Straße und Karstadt am Hermannplatz: „Sah ich dort vier Wasserkessel, wußte ich, welchen Britz kauft, welchen Rudow bevorzugt, welchen Buckow wählt und welchen Neukölln. Alles bekam eine Klarheit, eine verstehende Ordnung“. An anderer Stelle hieß es: „Wo der Rudower einen schlichten Dachgepäckträger auf dem alten Kombi zu Nutzschmuck macht, muß der Neuköllner des Zentrums Kredit auf ein Surfbrett nehmen. Der Buckower setzt sublim die Moden in Umlauf, denen der Neuköllner rastlos nachzulaufen sich verschrieben hat.“

Meine Freundin schlug vor, unsere Exkursion in der zu Schönefeld gehörenden „Gartenstadt Großziethen“ beginnen zu lassen: Diese befindet sich direkt an der (DDR-) Grenze zu Buckow. Wir fuhren mit der U7 bis Lipschitzallee und gingen dann den Grenzweg entlang. Großziethen ist ein Spießerparadies, die Bewohner stecken ihr ganzes Geld in ihre Immobilien, indem sie sie mit blauen Dachziegeln, albernen Säulen und jede Menge Gartenschmuck zuballern. Wir photographierten eine dieser scheußlichen Anwesen, bei dem die Besitzer drei dicke innenbeleuchtete Eisenpoller an die Garageneinfahrt und vor seine Haustür gepflanzt hatten (siehe Hausmeisterkunst Nr. 287). Dann kehrten wir in einem gemütlichen Gartenrestaurant ein, wo man rauchen konnte.

Anschließend wanderten wir vom Ernst-Thälmann-Platz auf der dortigen Karl-Marx-Straße, die dann im Westen Bucker Damm heißt, in Richtung Neukölln weiter. Im Buckower Ortszentrum stießen wir auf ein „Hexenhaus – Café Bar Esoterik“, wo gerade ein Mittelalter-Gruftie-Ritter-Phantasy“-Markt stattfand. Wir wurden zu einer (kostenlosen) Feuerschlucker-Performance genötigt und nahmen einen „Druiden-Trank“ (für zwei Euro) zu uns. Und dann noch einen. Anschließend erwarb meine Freundin für 40 Euro eine Fellweste – ihr war kalt geworden. Nach einem dritten „Druiden-Trank“ kamen wir mit dem „Rückführungspraktiker“ Andy ins Gespräch: „Ich freue mich, Sie persönlich kennenzulernen“. Er ging sogleich in medias res, wie Josef Neckermann zu sagen beliebte: „Rückführungen in Trance sind ein Erlebnis der besonderen Art. Anders als in Tiefenhypnose erleben Sie bewußt die Rückführung. Das heißt, dass Sie auch während der Rückführung bewusst an bestimmten Orten verweilen können. Durchstreifen Sie Ihr früheres Leben…“ Gesagt – getan. Die „Session“ dauerte zwei mal 90 Minuten und kostete zwei mal 100 Euro (mit Journalistenrabatt), aber um es kurz zu machen: Ich hatte in meinem früheren Leben in Großziethen gelebt (sieh an!) – als Sohn eines Zerspaners namens Willi und einer HJ-Sekretärin, die – kaum glaublich – Carmen hieß. Meine Freundin war dagegen in Darmstadt groß geworden, wo sie in völliger Aggressionslosigkeit aufwuchs. Das konnte ich mir ebenfalls schlecht  vorstellen. Sie meinte jedoch: Is egal, wenn wir beide darüber schreiben, kriegen  wir das Geld doch schnell wieder rein. Gesagt – getan.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/hausmeisterblog/2008/09/23/hausmeisterkonferenzen/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert