vonImma Luise Harms 21.11.2006

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Anzeigenblätter gibt es auch Jottwehdeh. Man nimmt sie aus dem Briefkasten, um sie sofort wegzuwerfen. Auf dem Weg zum Papierkorb blättert man sie aber doch durch und bleibt irgendwo hängen, an irgendeiner Möglichkeit, sich doch noch besser auszustatten.

Möbel Höffner bietet Rabatt auf Lagermöbel. Unter der Rubrik „Express“ wird ein Stuhl, vorher 99 Euro,  für 65 Euro ausgepreist. „Stuhl, Buche, kolonialfarbig“. Was ist das denn?! Welche Farbe hat eine Kolonie? Schwarz? Gelb? Rot? Oder so eine Elfenbein- oder Sandfarbe? Ich suche auf Höffners Internetseite. Dort finde ich die Kategorie: „Wohnen im Kononialstil“. Hier gibt es keine Auskunft über die Kolonialfarbe, aber neue Rätsel: Eine „Wohnwand“, die „kolonial lackiert“ ist. Was ist kolonialer Lack? Und was ist denn überhaupt eine Wohnwand? Bewohnt man die Wand? Oder trennt sie einen umgekehrt vom Wohnen? Ich schrecke davor zurück, weiter zu blättern. Nachher finde ich noch eine Kolonialwand. Und dann kann ich meine Fragen gar nicht mehr überblicken.

Ich rufe bei Höffner an. Der Mann, der den kolonialfarbenen Stuhl vor seinem Angesicht hat, beschreibt mir die Farbe als dunkles Braun. Ich frage nach: „Warum heißt die Farbe dann nicht dunkelbraun?“ Weil es ein bestimmter Wohnstil ist, sagt er, und darum heißt es eben nicht braun, sondern kolonialfarben.

Lieber Kollege vom Wortistik-Blog: was sind da für schöne Farbbegriffsschöpfungen möglich: Die Abtönungen des Durchsichtigen: Tränenfarbig. Das bunt-Melierte: Rauschfarbig, Giftig-gelblich-grünlich: Hassfarbig, usw.

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https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2006/11/21/kolonialwaren/

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kommentare

  • […] Die erste dokumentierte Fundstelle für kolonialfarbige Möbel ist ein Prospekt von Möbel Segmüller (Weiterstadt) vom August 2004. Im Februar 2005 fragte Bastian Sick sich und seine Leser, was denn kolonialfarbig sei, nachdem diese Farbe im Prospekt des Berliner Möbelhauses BOSS auftauchte. Im November 2006 stieß taz-Bloggerin Imma Harms im Katalog des wiederum Berliner Möbelhauses Höffner auf das mysteriöse Adjektiv. Ihre Nachfrage bei Höffner ergab immerhin, dass es sich dabei um ein ziemlich dunkles Braun handle, und dass dieses Braun eben dann nicht braun, sondern kolonialfarbig heiße, wenn es um Möbel im Kolonialstil gehe. […]

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