vonImma Luise Harms 19.10.2008

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Wir haben mit dem Roller eine Tour durch die Nachbardörfer gemacht, um Einladungen für unseren Verschenkemarkt aufzuhängen. In Reichenow soll der Zettel in jeden Briefkasten. Wo der Weg von Prädikow auf die Schäferei stößt, steige ich ab. „Fahr doch schon mal vor, ich verteil hier noch.“ Thomas gibt Gas und ist weg.
Ich gehe mit einer Handvoll Einladungskarten im Zickzack die Straße hinunter. Die Briefkästen sind an den Zäunen angebracht. Die Zäune sind hüfthoch; manche gehen mir auch nur bis zu den Oberschenkeln. Bis auf Jägerzäune sind alle Varianten zu sehen. Sachliche Gitter-Vierecke, die zwischen Pfosten festgeschraubt sind, DDR-Zäune, aus Murniereisen zu individuellen Ornamenten zusammengeschweißt, aufgespannter Maschendraht, nostalgische schmiedeeiserne Modelle mit neckischen Spitzen, die das Häuschen dahinter zum Landsitz veredeln.
Hinter den Zäunen sind Hunde. Die Hunde bewachen die Zäune und die Dreimeilenzone davor. Sie mögen es nicht, wenn man dem Zaun zu nahe kommt. Ich muss nahe kommen, um meine Karten einzuwerfen. Ich rede mit den Hunden. Das beruhigt mich. Ich sage „Hundi“ zu ihnen. Das hören sie nicht gerne. Sie röhren und kläffen, knurren und röcheln und rennen hechelnd den ausgetretenen Todesstreifen auf und ab. Hinter einem Zaun aus Holzlatten in variierender Länge, der in auf- und absteigender Linie den Vorgarten umspannt, hat ein großer, besonders eifriger, zu allem entschlossener Hund Aufstellung genommen. Ich kenne mich nicht so mit Hunderassen aus – Schäferhund, Bulldogge, Rottweiler – irgend so was Großes, Scharfes. Er springt am Zaun hoch, folgt mir bis zu der Stelle, wo der Briefkasten hängt. Dort ist der Zaun gerade am niedrigsten. Der Hund könnte ihn spielend überwinden. Das zeigt er mir, indem er sich aufrichtet, die Vorderpfoten auf die Lattenenden stemmt, den gedrungenen Hals aufs äußerste gespannt, die Augen hervorquellend, Geifer verspritzend und belfernd in den Luftraum beißend. Das ist nun schon der Luftraum über der Straße. Meine ausgestreckte Hand, meine „Hundi-ist.doch-gut!“-Schleimerei bringt ihn in besinnungslose Rage. Da ist nichts zu machen.
Frauchen tritt aus der Haustür und schlüpft in die Gartenschuhe, die neben den Zierkürbissen bereitstehen. Sie erbarmt sich meiner und kommt, um den Zettel entgegenzunehmen. Aus Freundlichkeit mir gegenüber putzt sie den Wachhund runter: „Soll’n das?! Mach Platz!!“ Ich gebe ihr die Karte und mache eine Bemerkung über die Gefahren des Zettel-Verteilens. Die Frau ist erklärt mir, was ich falsch mache. „Die richtje Post bringt immer n Leckerli fürn Hund mit. Dann isser ruhich“. Ach? So einfach ist das.
„Ob sie wohl das Geld dafür als Unkosten wiederkriegt?“, überlegt Thomas, als er die Geschichte hört.

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