vonImma Luise Harms 17.05.2009

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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gestern: Vom Aufbau der Fensterleibung gesehen ist in meinem Keller radioaktives Material eingemauert. Und zwar endgelagert. Der reine, stahlharte Beton. Thomas und die Dreiertruppe haben mit kleinkalibrigen Maschinen – einem Bohrhammer und einer Bohrmaschine, was gerade zurhand war – daran rumgeknuspelt. Gegenüber, auf dem Schlossvorplatz ist eine heitere Hochzeit. Der Bohrhammer wird eingesetzt, nachdem die Gesellschaft im Schloss verschwunden ist. Die Jungs stemmen bis abends, aber der Betonberg will nicht weichen. Das wird nun heute schwer, den Rest der Kellerwand freizulegen.
Die Fensterleibung ist genau genommen eine 1 qm große Rutsche für Kohlen. Hinter dem Fenster liegt der Heizungskeller, der zusammen mit den zwei Räumen darüber in den 70er Jahren an das alte Kutscherhaus angebaut wurde. In der Zeit wurden auch normale Wände oft mit Betonmörtel aufgemauert. Was ist die Idee dahinter? Sollte der Sozialismus für alle Zeiten gegen die Revanchisten befestigt werden, die als Wühlmäuse, Frostrisse und Spaltpilze überall hinter den Mauern lauern? Oder ist es der Ausdruck unbekümmerter Zukunfsorientierung: diese Wand, diese Kohlenschütte, wird NIE wieder wegmüssen, denn in diesem Staat rutschen die Kohlen ohn’ Unterlass’ in die dafür bestimmten Heizungsräume, fachen das Feuer an, machen’s warm. Du hättest die Heizungsanlage sehen sollen, armdicke Rohre, zentnerschwere Heizkörper. Schwerkraftheizung, wie ein Tanker, der mit Schweröl fährt. Niemand soll mehr frieren, nie mehr.
Oder drückte sich in der Härte des Betons die Festigkeit der unverbrüchlichen Freundschaften, der festen Gesinnungen aus. Sagt der Altgeselle zum Brigadeleiter: “Mit der doppelten Menge Sand im Mischer würds auch gehen.” Guckt ihn der Brigadeleiter scharf an: “Wir wollen ein Maximum an Stabilität, Genosse. Oder denkst du, dass dieser Anbau irgendwann wieder weg soll?” Dreht sich der Altgeselle achselzuckend weg und murmelt: “Niemand hat die Absicht, eine Mauer einzureißen” und haut den Beton in die Schalung.

heute: das Erdreich um den Betonsockel rausschaben und -schaufeln, soweit es geht. Andere nette Arbeiten für die heute sechs HelferInnen finden. Kuchen backen, Essen bereit halten.

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