Vor einigen Jahren veröffentlichte James Murphy aka LCD Soundsystem seine Debütsingle „Losing My Edge“. Es war eine Offenbarung: in tiefstem Nerdland watete Murphy, warf mit Referenzen um sich und konnte zugleich die eigene Begeisterung für obskure Musik und des Immer-alles-vor-den-anderen-wissen-wollens wie eben auch die Belustigung über das eigene Verhalten in diesen acht Minuten spiegeln.
Im Gegensatz zu vielen anderen Acts, die sich an der Schnittstelle von Punk, Indie, Electro und Techno abarbeiten, gelang es Murphy gut zwei Jahre später mit der selbstbetitelten Debütplatte ein ganzes Album zu schreiben, das in sich funktionierte und durch den klugen Zug, alle vorherigen Singles wegzulassen, eben gerade nicht wie eine Singles-Collection mit Füllermaterial klang. Ein Fehler, den in diesem Monat beispielsweise die Klaxons begingen.
Murphy war neben den eigenen Protégées von The Rapture im Grunde der einzige Post-Punk-Techno-Act der die Euphorie der Singles auf eine gelungene Langspielplatte übertrug. Wie passend, dass er auch der einzige neben den New Yorker Freunden ist, der dieses Kunststück bei Album Nummer Zwei wiederholen kann. Mehr noch als auf dem Debüt ergibt „Sound Of Silver“ als Ganzes Sinn, passen sich die Stampfer, die Punksongs, die Electro-Spiele wie die, ja, Balladen ein. The Rapture mögen auf „Pieces Of People We Love“ die größeren Hits haben, LCD Soundsystem aber das rundere Album.
„Pieces Of People We Love“ wäre auch ein passender Titel für James Murphy gewesen: es ist das Grundprinzip seines Arbeitens, dass er – im besten Sinne! – randständige Spielarten nimmt und kommerzialisiert. Der New Yorker No Wave, Manchesters Post-Punk („Watch The Tapes“), Kraftwerks Electro („Disco Infiltrator“ vom Debüt) oder traditioneller Punk und Garagen-Rock (beispielsweise das „Roadrunner“-Riff der Modern Lovers) wird von Murphy in das LCD-Konzept eingepasst und so als Zitat, als Hommage, nie aber als schnöde Kopie wiederbelebt und einem neuen Publikum zugeführt. Beinahe zwangsläufig erscheint, dass Murphy seinen eigenen Single-Hit „Yeah“ auf „Us vs. Them“ zitiert – warum auch nicht? Die Logik bleibt die gleiche.
James Murphy untermauert im schnelllebigen Hype- und Electro-Geschäft seine Vormachtstellung. Mit seinem Produktionsteam und Label DFA war er für die erste Post-Punk-Welle verantwortlich und ist über seine Produktionen maßgeblicher Einfluss für die zweite Welle, die in England nun New Rave genannt werden mag und schreibt unter eigenem Namen dazu noch sehr gute Alben. Murphy ist der Timbaland und der Pharrell des Post-Punk. Die alten Griechen hätten ihn Midas gerufen, mit seinem Sound Of Silver.
Anhören!
* Watch The Tapes (hier)
* North American Scum (hier)
* New York, I Love You (hier)
Christian Ihle
Dem Einspruch wird natürlich voll und ganz stattgegeben.