vonChristian Ihle & Horst Motor 04.05.2007

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Arctic Monkeys – Favourite Worst Nightmare

Last years next big thing zu sein ist wohl die undankbarste Situation, in die man als junge, aufstrebende Band geraten kann. Das gilt im Besonderen für die Arctic Monkeys, die als eine der wenigen derart in den Mainstream schossen, dass man sich an Oasis’ 94/95 erinnert fühlte. In den ersten fünf Tagen allein auf der Insel 360.000 Exemplare vom Debütalbum zu verkaufen spricht Bände. Diese Platte hatte mehr potentielle Nummer-Eins-Singles in 40 Minuten als andere Bands in ihrem ganzen Leben. Ja, der beste Monkeys-Song wurde noch nicht einmal ausgekoppelt: „A Certain Romance“ blieb als Rauswerfer auf ihrem Debüt versteckt.
Doch wie folgt man einem derart phänomenalem Erfolg?

Die erste Single „Brianstorm“ klang wie eine behutsame Weiterentwicklung des Monkeys-Sounds. Tarantinos Surf Gitarren liegen über einem brutalen Rifffest und nach anfänglichen Zweifeln gibt man nach: ja, gut das Ding.
Aber das Album? Wer hat Alex Turner die Melodien geklaut? Wo sind die Tanzbodenbefehle? Bei dem fantastischen „Fluorescent Adolescent“ fühlt man sich noch einmal an „A Certain Romance“ erinnert, aber der überwiegende Rest ist nichts, was die vier Jungs aus Sheffield zu Beginn ihrer Karriere auf b-Seiten gepackt hätten.
Vor dem Arbeitspensum der Arctic Monkeys muss man in der heutigen Zeit beinahe Respekt haben: zwei Alben, eine EP und eine zusätzliche Single in 14 Monaten, das schaffen wenige junge Bands von der Insel. Leider bestätigt aber „Favourite Worst Nightmare“ ausgerechnet das „weniger ist mehr“-Prinzip.
Ein okayes Album, das zwar nicht so schlimm ist wie Bloc Partys Langeweile im Cinemascope-Format, aber eben auch nichts, das man sich gerne ins Regal stellen möchte. Wir sind gespannt: schafft es wenigstens Art Brut ein zweites, wirklich hörenswertes Album mitzubringen oder schlägt die second-album-malaise alle britischen Debütanten der letzten Jahre?

Anhören!
* Fluorescent Adolescent
* Brianstorm (hier)
* Teddy Pickers

(christian ihle)

Bright Eyes – Cassadaga

Mike Mogis, Haus- und Hofproduzent des Saddle Creek – Labels, hat es endlich geschafft: er hat sich in Conor Oberst’s Gehirn gefressen und ihm unmissverständlich klar gemacht, dass der junge Songwriter nicht allein ist. Dass er immer eine Band an seiner Seite hat. Und diese Band heisst Bright Eyes.
Was war „I’m wide awake it’s morning“ doch für ein rundum perfektes Album. 10 Songs, jedes einzelne eine sprachlos machende Perle und für alle Zeiten eingraviert in die Liste der besten, unumstößlich besten Alben aller Zeiten. Und jetzt? Jetzt wird Cassadaga veröffentlicht, und man weiß: so gut wird das nicht mehr, kann es nicht, muss es nicht, wäre irgendwie ja auch abartig. Das auffälligste zuerst: Oberst hat sich endgültig verabschiedet von der Ich-Bezogenheit. Er schreibt jetzt über mystische Orte, über den Tod geliebter Menschen, über den traurigen Untergang der Welt und/oder Amerikas Ende. Musikalisch widmet Oberst sich der Wurzelbehandlung: Cassadaga strotzt nur so vor Country und Blues, klassischer Folkmusik und erdiger Songwriter-Rockmusik – über allem der Staub von 50 Jahren amerikanischer Musikgeschichte.

Anhören!

*No One Would Riot For Less (mp3)
*Four Winds (mp3)
*I Must Belong Somewhere

(robert heldner)

Anais Mitchell – The Brightness

Im zeichen des Folk: auch Anais Mitchell widmet sich der Urform weißer amerikanischer Musik. Allerdings spielt die Gute weder Protestsong, wie Conor Oberst, noch widmet sie sich den Pflanzen und Bäumen, wie Laura Veirs. Anais Mitchell kümmert sich um die geschundenen Seelen zur Mitternachtstunde.
Ihr Stimme erinnert dabei ein ums andere Mal an Joanna Newsom – leicht quakig, eingängig, neben der Spur und verführerisch wie eine hübsche Einsiedlerin. Ihr drittes Album, gleichzeitig Debüt auf Ani DiFrancos Label Righteous Babe Records, oszilliert zwischen Country und Folk, verliert sich dabei aber nie in Beliebigkeit, so wie wie das bei so vielen Songwritern passiert, die es sich in verrauchten Pubs und Hinterhofkonzertbühnen gemütlich gemacht haben. Mal sparsam und textlich überragend wie in „Shenandoah“, mal sphärisch und orchestriert wie in „Changer“. Hier und da also noch ein Banjo und eine Lap-Steel, fertig ist ein betörendes Akustikalbum. Ganz weit draussen, neben Nick Drake, Neil Young und – ehem – Ani DiFranco.

Anhören!

*Shenandoah
*Your Fonder Heart (hier)
*Old-Fashioned Hat

(robert heldner)

Laura Veirs – Saltbreakers

Verarbeitet hat Laura Veirs ihr Beziehungsende auf „Saltbreakers“. So heisst jetzt nicht nur ihre Backing Band (ehemals „The Tortured Souls“), sondern auch ihr Album. Saltbreakers durchzieht von vorn bis hinten auch ihr großes, textlich aufgeladenes, mystisches, bestes Album. Salz, mal Geschmacksverstärker, mal unangenehmer Zaungast bei Heulattacken. Salz als Lebenselexier.
Mystische Naturverklärung beherrscht die Lyrik der Amerikanerin: da werden Ozeane zu Hoffnungsträgern und Wälder zur Zufluchtstätte. Der Mensch als untergeordnetes Wesen, das in den Wogen der Natur wie ein Spielball hin und hergetrieben wird. Über diesem schaurig-schönen Gemälde tront Veirs Stimme und veredelt das Szenario. Nebenbei spielt sich die Band mit leisen Folkballaden („Nightingale“, „Drink Deep“) oder wüsten Sonic Youth Attacken („Phantom Mountain“) um den Verstand. Veirs
hat gut daran getan, in Tucker Martine (The Decemberists, The Long Winters) sowohl Mentor als auch Freund zu finden. Der Produzent und Drummer ihrer Saltbreakers ist die künstlerische, eigentlich technische Stütze. Er hat das Album unweigerlich mitgeformt. Deswegen müsste es richtigerweise heissen: „Laura Veirs and the Saltbreakers“. Ein ganz großes, luftiges Folk-Album ist das geworden, das Veirs auf den Thron hieft, auf den sie gehört.

Anhören!

*Saltbreakers
*Nightingale
*Don’t Lose Yourself (hier)

(robert heldner)

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