vonChristian Ihle 24.05.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Sechs Jahre ist „Neon Golden“ jetzt schon alt. Sechs Jahre, die nun Mythos werden. Man hätte sich wohl irgendwann damit abgefunden, dass da nichts mehr kommt. Wenn die Weilheim-Clique nicht immer mal wieder live gespielt hätte. Und da wusste man dann immer: da muss noch was kommen.

Seit 2004 bastelt das Kollektiv angeblich schon an den frickeligen Sounds des „Neon Golden“-Nachfolgers. Vielleicht ein bischen zu lange, um noch wirklich glaubhaft vermitteln zu können, bei The Notwist handele es sich um das Hauptprojekt – und nicht um eines der unzähligen anderen Nebenprojekte.

Jetzt ist „The Devil, You + Me“ aber endlich da und es wird wohl bei vielen an den zu hohen Erwartungen scheitern. Nicht, weil „The Devil…“ nicht etwa sogar mithalten könnte mit dem alles überragenden Meisterwerk „Neon Golden“. Sondern ganz einfach weil „Neon Golden“ ein Mythos geworden ist. Und gegen einen Mythos kommt man nicht an. Nicht als Künstler, nicht als Mensch. Deshalb sollte „The Devil…“ auch als das betrachtet werden, was es ist: ein neues Notwist Album. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Nach Lali Puna, Console, MS John Soda, 13 ‑& God – nach all diesen Soloausflügen, Nebenprojekten und Herzensangelegenheiten haben sich The Notwist für „The Devil…“ nun zusammengerauft und man könnte fast meinen, sie hätten ein wenig Angst gehabt. Nicht etwa Angst vor der öffentlichen Meinung, die war der Band ja schon immer herzlich egal. Sondern eher Angst vor: Lautstärke. Ganz im Gegensatz zum kongenialen Live-Auftritt letztes Jahr auf dem Melt!-Festival klingt „The Devil…“ fast schon schüchtern leise. Kaum Ausbrüche, und wenn, dann sind sie so verzerrt und abgeschliffen, dass man sie kaum bemerkt.

Notwist - Devil, You & Me

Gerade aber das ist das großartige an „The Devil…“. Keine augenscheinlichen Hits, nichts, das die anderen Songs, den Gesamteindruck, die Homogenität des Albums schmälern könnte. Weil Hits bei einer so hitunverdächtigen Band wie The Notwist immer schädlich sind. „Good Lies“ hat eine ganze Weile gebraucht, um wirklich zu gefallen. Jetzt aber ist klar: es ist der perfekte Opener. Selten hat Markus Achers Stimme so – tja – so entrückt und melancholisch geklungen. Selten haben aber auch 5:25 Minuten so mitgerissen und golden geschimmert. Ist das noch Kammerjazz-IndiePop? Das weiß hier niemand. „Gloomy Planets“ hat diese charakteristische, feine, sensible Akustikgitarre. Man spürt ein Flimmern, ein Knistern, das man ewig im Kopf behalten wird. „Gravity won’t get me“ heisst es in „Gravity“. Besser hätten Notwist ihre Wirkungsmöglichkeit kaum umschreiben können. „The Devil…“ hebt ab und nimmt jeden mit, der die Vergangenheit hinter sich lässt und sein Herz öffnet. Das ist vielleicht der größte Verdienst an Songs wie „Where in this world“ und dem Nicht-Hit „Boneless“: man vergisst die Genialität dieser Band. Man vergisst Neon Golden. Und hört am Ende „nur“ noch ein wunderschönes Album. (Robert Heldner)

Anhören!
*Good Lies
*Gravity
*Boneless

Im Netz:
* Homepage
* MySpace
* Indiepedia

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2008/05/24/album-des-monats-april-platz-2-the-notwist-the-devil-you-me/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert