„(…) Dumme Frage, Tim K. „liebte“ doch auch diese ganzen „Computerspiele“, und da kann man mal sehen, wohin das führt und woher so was kommt. Erst „duschen“ sich die „Jugendlichen“ vor lauter Gedaddel nur noch „alle zwei Wochen“, trinken nur noch „Cola light“ statt selbst gepressten Orangensaft und essen „Pizza“, wovon sie Pickel bekommen und Ränder unter den Augen, und der Rest ergibt sich dann wie von selbst: schlechte Noten, Vereinsamung, Massaker.
Eine noch dümmere Frage wäre, nebenbei bemerkt, ob so ein schicker Auftritt auf dem Spiegel-Titel für labile Jugendliche mit Ich-Schwäche nicht auch ein entscheidender Anreiz zum Amoklauf sein könnte. Aber das fragen wir besser mal nicht, das führt zu weit, nämlich zu öden Diskussionen über den Bildungsnotstand oder die journalistische Ethik. Selten jedenfalls ist nach einem Ereignis, bei dem es so wenig zu verstehen gibt, die öffentliche Debatte so schnell ins Groteske und Ärgerliche verrutscht wie in diesem Fall.
(…)
Hier trifft das, was Harald Staun in der FAS sehr richtig als medialen „Aufklärungsfanatismus“ bezeichnet hat, ungebremst auf das „Medienwirkungsgequatsche“ von Leuten wie Christian Pfeiffer – der, wir erinnern uns, 2000 vermittels seiner Expertise und eines „Gutachtens“ den peinlichen Sebnitz-Fall erst losgetreten hat: Rechtsextreme hätten im Schwimmbad der sächsischen Kleinstadt unter dem Beifall der übrigen Besucher den 8-jährigen Joseph Kantelberg-Abdullah ertränkt.
(…)
Wesentlich ausdauernder noch als vorm Computer übrigens hocken die Jugendlichen übrigens noch immer vor dem Fernseher. Dort stehen ihre Chancen derzeit sehr gut, Christian Pfeiffer persönlich zu begegnen. Heute Abend etwa sitzt er um 22.15 Uhr bei Phoenix in der „Expertenrunde“ zum Thema: „Nach dem Amoklauf – Wie gefährlich sind Killerspiele?“
In der offiziellen Ankündigung dieser wichtigen Sendung ist allen Ernstes von „,Ego-Shootern‘ wie ,World Of Warcraft'“ die Rede. Schon klar. Diskutieren die Experten demnächst auch über „Pornofilme wie ,Bambi'“?
Daraus spricht mehr als nur Dummheit oder Desinteresse. Hier verbirgt sich das eigentliche Problem: eine totale und selbstgefällige und unerschütterliche Ignoranz gegenüber jugendlichen Lebenswelten. Das kann wirklich aggressiv machen, aggressiver noch als sechs Stunden „Counter Strike“ am Stück.“
(Arno Frank in seinem taz-Artikel „World Of Bullshit“ über Medienexperten und -hysterie nach dem Amoklauf von Winnenden)
Ein Dank an Christoph Koch für den Fund!
Inhaltsverzeichnis:
* Die ersten 150 Folgen Schmähkritik