Der dritte und vorletzte Teil unserer die besten Filme der letzten Dekade – Liste. (Teil 1: Plätze 50 – 35 und Teil 2: Plätze 34 – 21)
20. Der Knochenmann (Regie: Wolfgang Murnberger, Österreich 2009)
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Jetzt ist schon wieder was passiert. Und immer wenn es passiert, ist zufälligerweise der Brenner in der Nähe, um als muffiger, lebensmüder und bis an die Schmerzgrenze zynischer Privatdetektiv den Mörder zu finden. Wie ist die Kinowelt eigentlich bis zum Jahr 2000 ohne das österreichische Dreiergespann Wolf Haas (von ihm stammen die Buchvorlagen), Wolfgang Murnberger (Regisseur) und Josef Hader (spielt den Brenner) ausgekommen? Mit seinem dritten Brenner-Film hat das Trio dem Ganzen die Krone des schwarzen Humors aufgesetzt. „Der Knochenmann“, gespielt von Josef Bierbichler, bringt um, was ihm nicht in den Kram passt und lässt die Leichen praktischerweise von seinem Häcksler für Schlachtabfälle zerkleinern. Antiheld Brenner versucht aus Langeweile, den Fall zu lösen – er hat eh nichts Besseres zu tun. Er betrinkt sich ordentlich, verliert einen Finger und sein Herz und enttarnt am Ende des Maskenballs einen Zwitter. Derbste Szene des Films: Das mitternächtliche Gulasch, das der Brenner vor den wohlwollenden Augen des Wirts verspeist. Es enthält kein Tierfleisch. Österreich, bitte gib uns mehr von davon! (SW)
19. Kill Bill Vol. 1 (Regie: Quentin Tarantino, USA 2003)
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Schon seine ganze Karriere verfolgt Quentin Tarantino der Vorwurf, dass seine Filme immer mehr Style als Substanz, mehr Referenz als Original seien. Und nie waren die Vorwürfe berechtigter als bei „Kill Bill Vol. 1“ – aber nie war QT auf der filmischen, stilistischen Ebene besser als hier. „Pulp Fiction“ mag immer noch sein größter Wurf sein und hat das um Längen bessere Drehbuch, aber „Kill Bill Vol. 1“ war QTs Meisterwerk als Regisseur. „Kill Bill Vol. 1“ kann einem aufgrund des Nichts an Story natürlich auch nicht gefallen, aber, oh boy, wenn du das Kino liebst, liebst du diesen Film. (CI)
18. The Royal Tenenbaums (Regie: Wes Anderson, USA 2001)
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Family isn’t a word – it’s a sentence. An kaum etwas arbeitet sich der amerikanische Independent-Film so sehr ab wie am Konzept „dysfunktionale Familie“. Dabei hat Wes Anderson vor neun Jahren bereits alles gesagt und schöner gezeigt. „The Royal Tenenbaums“ ist der seltene Fall einer Komödie, die bei jedem neuerlichen Anschauen besser und besser wird. Ein brillantes Casting (besonders herausragend: Gwyneth Paltrow, Ben Stiller, Luke Wilson und Bill Murray), unbedingter Stilwille in jeder verdammten einzelnen Einstellung, makelloser Soundtrack und messerscharf geschriebene Dialoge (enttäuschte Adoptivtochter Margot: „You probably don’t even know my middle name.“ – Vater Royal Tenenbaum: „That’s a trick question. You don’t have one.“ – Margot: „Helen.“) machen The Royal Tenenbaums zum Höhepunkt des Anderson’schen Schaffens und zur besten schrulligen Komödie des Jahrzehnts. (CI)
17. The Virgin Suicides (Regie: Sofia Coppola, USA 1999, Dt. Start Nov 2000)
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Vier Jahre vor „Lost In Translation“ zeigte Sofia Coppola der Welt einen Debütfilm, der so vieles zugleich ist, dass er mindestens fünfmal gesehen werden muss. „The Virgin Suicides“ ist alkoholfreie Bowle und verstohlene Blicke auf Geburtstagspartys, Teenager-Sex auf dem Sportplatz, verträumte erste Liebe, Pfirsichlikör auf dem Highschool-Ball und Tagebuchschreiben. Francis Ford Coppolas Tochter bebildert das Teenagerleben von fünf Schwestern genau so, wie es sich anfühlt: weichgezeichnet, traumwandlerisch, funkelnd und glitzernd vor Aufregung. Wenn dann auch noch Airs „Playground Love“ erklingt, ist die Teenagerillusion perfekt. Allerdings nur für kurze Zeit, denn die Eltern, ohnehin schon Störenfriede der freiheitsliebenden Jugend, sind hier auch noch streng katholisch und machen ihren wunderhübschen Töchtern das Leben zur Hölle. Das Ende ist so grauenvoll, dass die Bilder von vorher noch viel schöner wirken. Nie war Kirsten Dunst elfenhafter, nie ging ein Samtanzug so gut klar wie an Josh Hartnett. (SW)
16. Donnie Darko (Regie: Richard Kelly, USA 2001)
Es gibt offenbar nicht nur in der Musikwelt das sogenannte One-Hit-Wonder. Zumindest konnte nichts, was Regisseur Richard Kelly nach seinem Debüt ablieferte, mit „Donnie Darko“ aufnehmen. Das Ende der Welt wurde in Filmen schon oft prophezeit, aber noch nie von einem Wesen im Hasenkostüm, das sich Frank nennt und den Untergang bis auf die Sekunde genau vorhersagen kann. Der Hase erscheint einem 16jährigen Jungen zum ersten Mal, um einen Flugzeugabsturz anzukündigen, und zwar genau über Donnies Haus. Weil dies auch wirklich passiert, gehorcht Donnie von da an Franks nicht immer sehr menschenfreundlichen Anweisungen.
Die Diskussionen in Filmforen haben durchaus David-Lynch-Charakter: Hat Donnie Darko eine Zeitreise unternommen, hat er einen sehr intensiven Albtraum oder ist er einfach nur tablettenmäßig nicht korrekt eingestellt? Der Regisseur selbst bietet auf der offiziellen Filmseite die Variante des „Tangentenuniversums“ an, in das Donnie durch den Flugzeugabsturz geschleudert worden ist. (SW)
15. Inglourious Basterds (Regie: Quentin Tarantino, USA 2009)
Quentin Tarantinos Film sei „gegen die Deutschen“ und verherrliche diese „amerikanischen Hurensöhne“ – das sind nur zwei undifferenzierte Kommentare unter vielen, die auf YouTube unter dem deutschen Trailer zu lesen sind. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie das Thema „Drittes Reich“ in Windeseile jegliches Gespür für Abstraktion im Keim erstickt.
Wenn an Tarantinos Film irgendetwas unmoralisch ist, dann die Tatsache, dass wir nun auch noch in diesem Streifen Til Schweigers lästige Visage ertragen müssen. Ohnehin ist es nötig, den Film mindestens zwei Mal anzusehen – nicht nur wegen seiner Brillanz, sondern auch, um alle 45 darin vertretenen deutschen Schauspieler durchzuzählen. Ganz davon abgesehen, dass die Sequenz, in der Brad Pitt alias Leutnant Aldo Raine im breiten Südstaaten-Akzent auch noch versucht, Italienisch zu sprechen, selbst beim zehnten Mal noch gut unterhält und so inmitten eines brutalen Kriegsfilms dem perfekten Comedy-Erlebnis doch sehr nah kommt. (SW)
14. I’m Not There (Regie: Todd Haynes, USA 2007)
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Todd Haynes gehören die Vergangenheit und die Zukunft der Musikfilme. Kein anderer Regisseur der Moderne hat das Wesen der (musikalischen) Kreativität so durchdrungen und verstanden wie der 49-Jährige Kalifornier. Das Bio-Pic „I’m Not There“ über den vielseitigsten Solo-Künstler der Popmusik, Bob Dylan, ist sein Meisterwerk und zukünftige, ernstzunehmende Musikfilme werden sich daran messen lassen müssen. Von den unzähligen wunderschönen Momenten, die „I’m Not There“ erzählt, sind die zwei am größten, die die Befindlichkeit einer ganzen Epoche auf den Punkt bringen und darüber hinaus das Wesen kreativer Selbstenfaltung filmisch einfangen: der 13-Jährige Marcus Carl Franklin, schwarze Hautfarbe und abgetragene Klamotten am Leib, spielt zuerst für die weißen Großgrundbesitzer (die seine Musik nicht verstehen) und später zusammen mit der leibhaftigen Legende Richie Havens auf einer Veranda, ganz in sich ruhend, den ewigen Dylan-Klassiker „Tombstone Blues“. Mehr geht nicht… (RH)
13. It’s All About Love (Regie: Thomas Vinterberg, Dänemark 2003)
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Sicherlich eine der größten Überraschungen unserer Bestenliste ist „It’s All About Love“ vom dänischen Regisseur Thomas Vinterberg, der mit dem verstörenden Dogma-Film „Das Fest“ als erst 29jähriger in jungen Jahren berühmt wurde, um mit seinem Nachfolgefilm so tief zu stürzen wie kaum ein Wunderkind zuvor. „It’s All About Love“ wurde von Kritikern gehasst und vom Publikum ignoriert. Dabei ist der Film ein flirrender Fiebertraum über das Ende der Welt, das Ende der Liebe, das Ende des Lebens, mit soviel Stil, Verve, Exuberanz und, ja, Pathos vorgetragen, dass man nicht glauben mag, dass der selbe Mann wenige Jahre zuvor am Altar des Minimalismus besser predigte als irgendein anderer Regisseur dieser Welt. Kein Wunder, dass die zeitgenössische Kritik nichts mit „It’s All About Love“ anfangen konnte, aber wir alle sollten der Absurdität der Geschichte, der Unmöglichkeit des Unterfangen eine neuerliche Chance geben. Ein Film über die Liebe, kalt wie Sibierien und dennoch: „In the end, it is, as promised, all about love – this brave, foolish, improbably moving film’s great achievement may be the utter sincerity with which it lives up to its title.“ (CI)
12. The Devil’s Rejects (Regie: Rob Zombie, USA 2005)
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„The Devil’s Rejects“ ist ein kleines Wunder. Was ist hier nur geschehen? Da macht Rob Zombie zuvor nur unanhörbare Musik und einen grässlichen Film („Haus der 1000 Leichen“), bei dem er sich aufführt wie ein Kind ohne Aufsicht im Spielzeugladen, und nach „The Devil’s Rejects“ ebenfalls nur Mist, trifft hier aber jeden verdammten Ton goldrichtig. Ein Horrorfilm, wie wir ihn seit der goldenen Ära der 70er nicht mehr gesehen haben, mit einer Grobkörnigkeit direkt aus dem „Texas Chainsaw Massacre“! Dass wir in „The Devil’s Rejects“ mit Massenmördern und perversen Sadisten mitfiebern, ihnen mit Warmherzigkeit und Empathie begegnen, ist dabei die erstaunlichste Tat von Rob Zombie. Diese Killer haben kein gutes Herz, sind keine unglücklich Getriebenen, sondern einfach und grundlos böse. Dennoch ist die Schlußsequenz zu „Free Bird“ von Lynyrd Skynyrd eines der bewegendsten Farewells des Jahrzehnts. Pure Brillanz, in Blut gebadet: (CI)
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11. The Filth & The Fury (Regie: Julien Temple, UK 2000)
Die bestplatzierteste Dokumentation in unserer Dekadenliste und womöglich die beste Band-Doku, die überhaupt je gedreht wurde. Julien Temples Annäherung an die Sex Pistols, ja, an Punk generell, ist ein Meisterwerk. Wild, berührend, verblüffend, hart, verspielt, kunstvoll. Temples Pistols-Doku arbeitet mit Ausschnitten aus Shakespeares „Richard III“ ebenso wie mit Originalaufnahmen aus der damaligen Zeit, die schlagartig deutlich machen, warum Punk passieren musste. Warum Punk das beste war, was der Musikszene, der Gesellschaft passieren konnte. Wer einen britschen Politiker 1976 im TV ungestraft sagen hört, den Sex Pistols würde ein „plötzlicher Tod“ gut stehen und sie wären die „Antithese zum Menschengeschlecht“, wer die geifernden Anti-Pistols-Fanatiker mit ihren Fackeln am Dorfeingang stehen sieht, wenn der Tourbus in das Städtchen rollt, der wird nie mehr vergessen, warum Johnny Rotten und Malcolm McLaren die Gesellschaft auf immer verändert haben. „The Filth & The Fury“ – viel mehr als eine Banddoku, eine Homage an eine Bewegung. (CI)
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=p_T7c2HryDg[/youtube]
Plätze 34 – 21:
Plätze 50 – 35:
(Texte: Silvia Weber, Katja Peglow, Robert Heldner, Christian Ihle)
Schöne Auswahl an Filmen aus dieser Zeit. Super – kann man ja alle mal wieder anschauen! Vielen Dank!