1. Der Film in einem Satz:
Der frühe Woody Allen außer Atem in Berlin.
2. Darum geht‘s:
Der junge Niko Fischer erwacht in einem fremden Bett, steht auf, geht raus und verlebt seinen Tag und eine Nacht in Berlin. Gebeutelt von Kaffeefaschisten, Psychologen beim Idiotentest, BVG-Kontrolleuren bei der U-Bahn-Fahrt, Nazis im deutschen Film, Golf spielenden Eltern, ehemaligen Schulkameradinnen, die frisch nach Berlin gezogen im Off-Off-Theater ihre Erfüllung finden, lässt sich Niko durch die Stadt treiben. Es passiert nichts und viel zu gleich.
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Rro7s2tN44E[/youtube]
Seit Tom Tykwer die rotschopfige Franka Potente durch Berlin gejagt hat, war die Hauptstadt nicht mehr so sehr Mittelpunkt eines Films. Nur: Lola rennt, Tom schlurft.
Und wie schön sich Hauptdarsteller Tom Schilling durch das schwarzweiße Berlin slackt, hängt und treiben lässt, will einen vor Freude auf die Knie gehen lassen. „Oh Boy“ ist wirklich ein Ereignis für einen deutschen Film – und ich möchte explizit den Zusatz „für einen deutschen Film“ gerade nicht als Relativierung ohboy’scher Großartigkeit verstanden wissen, sondern als Verstärkung seiner Besonderheit. Wie Roger Ebert so schön sagt: „A movie is not about what it is about. It is about how it is about it“. Und gerade das macht „Oh Boy“ so ungewöhnlich für einen deutschen Debütfilm:
Hier ist weder die bedeutungsschwere, klinische Kühle der Berliner Schule noch die Plattheit der Schweiger-Komödien am Start, sondern etwas genuin anderes, so seit Ewigkeiten nicht mehr gesehenes. „Oh Boy“ speist sich aus der Erinnerung an den Godard’schen Bildersturm der Nouvelle Vague genauso wie aus dem Können des frühen Woody Allen, kleine, kaum zusammenhängende Geschichtchen so pointiert zu erzählen, dass sie trotzdem ein großes Ganzes ergeben.
Dass Jan Ole Gerster das gerade im Genre „Orientierungslose Mitt-20er in Berlin auf der Suche nach dem Sinn des Lebens“ gelingt, einem Genre, das langsam aber sicher ob seiner ewiggleichen Abläufe so verhasst wird wie die deutsche Katja-Riemann-Komödie der 90er, macht „Oh Boy“ nur noch erstaunlicher.
Ein bemerkenswert stilsicherer Debütfilm, der Tom Schilling die Rolle seines Lebens verschafft.
3. Der beste Moment:
Es ist mehr die Abfolge von vielen kleinen Geschichten und Szenen, die so viel Freude bereitet. Wenn man wirklich eine herauspicken möchte, dann ist der Dialog bzw. Disput mit den BVG-Fahrkartenkontrolleuren (einer davon ein cholerischer RP Kahl) in der U-Bahn-Station Deutsche Oper ein Höhepunkt. Aber auch die Off-Theater-Aufführung, der Besuch beim Drogendealer mit der Omi im High-End-Fernsehsessel oder die lebensechte Darstellung der Freundlichkeit von White Trash Fast Food – Bedienungen steht dieser Szene kaum nach.
4. Diese Menschen mögen diesen Film:
Ach, wer nicht? Wer Berlin mag, wer „Manhattan“ mochte, wer Tom Schilling schätzt, wem „Außer Atem“ gefiel!
* Regie: Jan Ole Gerster
* imdb
Der Film ist tatsächlich großartig.
Inspiriert sicherlich auch von Wenders „Alice in den Städten“ , wie schon erwähnt „Jarmusch“ , „Allen“ aber auch dem Nouvelle Vague!
Seit langem mal wieder ein sehr,sehr guter Film aus Deutschland. Tom Schilling spielt fantastisch!