vonSigrid Deitelhoff 24.05.2012

Prinzenbad-Blog

Freibad-Wetter, gefühlte Wassertemperatur, Gespräche und Gedanken unter der Dusche – der Blog über Deutschlands berühmteste Badeanstalt.

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Kultur-Blind-Date einiger Prinzenbadlerinnen in Zäckericker Loose – und zwar nicht in der dortigen  Badeanstalt, wie es die Zusammensetzung der Kulturgruppe vielleicht vermuten ließe, sondern direkt an der Oder im „Theater am Rand“.

Theater am Rand
Die Bühne im „Theater am Rand“

Dieser Ort ist schon ein besonderer – nicht nur, aber auch wegen seiner Theateraufführungen. Gespielt wurde am letzten Wochenende „Accordion Mystery“. Erzählt wird die Geschichte aus E. Annie Proulx‚ Meisterwerk „Das grüne Akkordeon“ – eines kleinen grünen Knopf-Akkordeons und dessen wechselnde Besitzer. Von Hand zu Hand spielt sich das Musikinstrument. Die Lebenswege ihrer Besitzer beeinflussen und werden beeinflusst durch den Weg des Instruments. Aber es ist auch die Geschichte Amerikas, die erzählt wird, die Geschichte der nach Westen ziehenden Einwanderer und ihrer jeweiligen Kultur. Verwoben mit den Tönen, Akkorden, Tempi und Rhythmen des Lebens.

Tobias Morgenstern und Thomas Rühmann

Ein musikalisches Roman-Drama, umgesetzt von dem Schauspieler Thomas Rühmann und dem Akkordeonist Tobias Morgenstern. Ein Duo, dass sich virtuos von der Polka über Cajun, Tango bis hin zum Blues spielt – spielen lässt. Das Duell zwischen der Sprache und der Musik ist kein wirkliches. Es gibt keine Sieger und Besiegten.

Da wo die Sprache endet, erzählt Tobias Morgenstern auf seine Weise die Geschichten weiter. Die Musik stellt nicht nur eine Bebilderung und Untermalung des gesprochen Wortes dar. Nein, sie lotet aus, beschreibt Details, verdichtet sich in die Tiefe. Und sie schafft dadurch etwas Neues, sie offenbart eine andere Erzählkunst, eine die ihrem eigenen Rhythmus folgt, ohne sich jedoch der Erzählung zu entziehen.

Thomas Rühmanns Sprachrhythmus, die Akzentuierung, Betonung und der Takt seiner vorgetragenen Geschichen  beschreiben nicht nur die verschiedenen Musikrichtungen, sondern liefern auch Charakterdarstellungen der unterschiedlichsten Akkordeon-Besitzer. Rühmanns brillante Fabulierkunst endet aber nicht mit der Sprache. Seine Gestik und Mimik erzählen die Geschichten weiter und verdichten sie auf eine andere Art. Die Erzählungen leben, sind präsent und spiegeln sich in den Gesichtern der Zuschauer um mich herum wieder.

Das Stück endet mit dem Satz „Heute sind wir alle da, waren nie vertrauter“.

Warum war ich nur so lange fort? Ich weiß es nicht … und nach diesem Theaterabend erst recht nicht.

Theater am Rand

Zäckericker Loose, was? Ein lustiger Name, wo liegt denn das, fragen mich mich immer alle, denen ich vom Theater am Rand erzähle. Das Theater, ca. 80 Kilometer von Berlin entfernt, befindet sich in Zollbrücke, Zäckericker Loose – unmittelbar an der Oder und in der Nähe vom Oder-Neiße-Radwanderweg. Die Theatervorstellungen finden meistens von Freitag bis Sonntag statt. Wer dort direkt übernachten möchte, sollte sich frühzeitig um eine Unterkunft bemühen, da der Geheimtipp nicht mehr geheim ist. Es gibt in der unmittelbaren Umgebung nicht so viele Übernachtungsmöglichkeiten. Bald soll jedoch  eine Herberge ganz aus Holz gebaut werden. Ansonsten gibt es  auf der Theater-Website eine MitfahrerInnenzentrale für Angebote und Gesuche. Das Theater-Areal wurde zur gentechnikfreien Zone erklärt. Im Theater werden auch Veranstaltungen zu „Randthemen“ angeboten: wie z.B. „Die Lebensmittel-Lüge“, „Energieregion Oderbruch“, „Eine Wasserzeitung für das Oderbruch“ und ähnliches mehr.

Übrigens: Regulärer Eintritt bei Austritt. Den Preis bestimmt der Zuschauer selbst.

Das Schiff hinter dem Theater bildet einen Teil der Kulisse für das Stück „Siddhartha“ von Herman Hesse

 

Wer einen Ausflug auf die polnische Seite der Oder unternehmen will: Die Fähre zwischen Güstebieser Loose und dem polnischen Gozdowice verkehrt wieder.

Die Fähre zwischen Güstebieser Loose und Gozdowice

Alle Fotos: ©Sigrid Deitelhoff

 

Weitere Informationen zum „Theater  am Rand“: rbb Aktuell vom 21.5.12

 

 

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